TE OGH 2018/1/30 9ObA140/17d

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Herbert Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 10.986,93 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2017, GZ 8 Ra 40/17m-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger war von 1. 3. 2007 bis 30. 6. 2015 bei der Beklagten als Grafiker beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für journalistische Mitarbeiter/-innen bei österreichischen Zeitschriften und Fachmedien, dessen § 33 (Abfertigung) folgende Regelung enthält:

1. Im Falle der Kündigung durch den/die Dienstgeber/-in erhält der/die Dienstnehmer/-in eine Abfertigung, die nach einer ununterbrochenen Dienstzeit von … acht Jahren das Vierfache … seines/ihres Gesamtmonatsbezugs beträgt.

Unterliegt der/die Dienstnehmer/-in dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz, bleibt der den gesetzlichen Anspruch gemäß Angestelltengesetz übersteigende Teil als direkter Anspruch gegenüber dem/der Dienstgeber/-in bestehen.

Das unstrittig dem BMSVG unterliegende Dienstverhältnis des Klägers endete durch Dienstgeberkündigung. Die Beklagte zahlte ihm eine Abfertigung in Höhe von einem Monatsgehalt aus.

Der Kläger begehrte von ihr die Zahlung von drei weiteren Monatsentgelten. Da § 23 AngG („Abfertigung alt“) auf ihn nicht anwendbar sei, seien ihm mangels abziehbarer Abfertigungsansprüche nach § 23 AngG vier Monatsentgelte zu leisten.

Die Vorinstanzen wiesen dieses Begehren ab. Abs  2 des § 33 Z 1 des Kollektivvertrags stelle klar, dass der den gesetzlichen Anspruch gemäß Angestelltengesetz übersteigende Teil als direkter Anspruch gegenüber dem Dienstgeber bestehen bleibe. Damit sei gemeint, dass die kollektivvertragliche Erhöhung der Abfertigung nicht deshalb verloren gehen solle, weil ein Arbeitnehmer dem BMSVG unterliege. Es sei aber ausgeschlossen, dass die Kollektivvertragsparteien beabsichtigt hätten, dem BMSVG unterliegenden Mitarbeitern einen vollen Abfertigungsanspruch nach § 33 des Kollektivvertrags zuzüglich der Beiträge des Arbeitgebers an die betriebliche Vorsorgekasse einzuräumen.

Rechtliche Beurteilung

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Der Auslegung einer

Kollektivvertragsbestimmung kommt

zwar regelmäßig wegen des größeren Personenkreises der hievon betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu (s RIS-Justiz RS0109942). Dies gilt aber dann nicht, wenn die relevante Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt oder die Auslegung klar und eindeutig ist (RIS-Justiz RS0109942 [T6]). Letzteres ist hier der Fall.

2. Nach ständiger Rechtsprechung ist der normative Teil eines Kollektivvertrags nicht nach den §§ 914, 915 ABGB, sondern gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen (RIS-Justiz RS0008807). Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).

3. Es trifft zwar zu, dass der Kläger im Hinblick auf seine Abfertigung keinen gesetzlichen Anspruch „gemäß Angestelltengesetz“ hat. Dennoch besteht kein Grund zu einem Verständnis des § 33 Z 1 des Kollektivvertrags in dem vom Kläger gewünschten Sinn:

Nach § 33 Z 1 S 1 des Kollektivvertrags beträgt der Abfertigungsanspruch eines Dienstnehmers nach einer ununterbrochenen Dienstzeit von acht Jahren das Vierfache (anstelle des Dreifachen, § 23 AngG) seines Gesamtmonatsbezugs.

Wie schon vom Berufungsgericht ausführlich aufgezeigt, wurde das System der „Abfertigung alt“ (§ 23 AngG) zur Beseitigung von Problemen dieses Systems durch die „Abfertigung neu“ (BMSVG) ersetzt. Mit dieser behält der Dienstnehmer die erworbenen Anwartschaften im Wesentlichen unabhängig von der Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses.

Vor diesem Hintergrund kann aber die darauf Bezug nehmende Anordnung des § 33 Z 1 S 2 des Kollektivvertrags, dass der „den gesetzlichen Anspruch gemäß Angestelltengesetz übersteigenden Teil als direkter Anspruch gegenüber dem Dienstgeber bestehen bleibt“, wenn der Dienstnehmer dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz unterliegt, nur dahin verstanden werden, dass dem Dienstnehmer auch unter dem Regime des BMSVG kollektivvertraglich ein höherer Abfertigungsanspruch gebühren soll, als er ihn im Vergleich zum gesetzlichen Abfertigungsanspruch (§ 23 AngG) hätte. Diese Begünstigung sollte daher nicht dadurch verloren gehen, dass die gesetzliche Pflicht des Dienstgebers zur Zahlung eines Abfertigungsanspruchs nach § 23 AngG von der Pflicht zur Beitragszahlung nach dem BMSVG abgelöst wurde. Unter den genannten Aspekten einer vernünftigen, zweckentsprechenden und praktisch durchführbaren Regelung sowie eines gerechten Ausgleichs der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien lässt sich daraus aber nicht ableiten, dass der Dienstgeber zusätzlich zu seiner Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an die Mitarbeitervorsorgekasse verpflichtet wäre, dem Dienstnehmer eine Abfertigung in der gesamten in § 33 Z 1 des Kollektivvertrags normierten Höhe zu zahlen. Die Ansicht des Klägers würde zu einer gravierenden Besserstellung jener Dienstnehmer führen, die der Geltung des BMSVG unterliegen. Dafür sind keine sachlichen Gründe ersichtlich.

4. Zum Vorbringen des Klägers, dass ihm zumindest jener Teil des Anspruchs zuzuerkennen wäre, der nicht von den Beiträgen zur Mitarbeitervorsorgekasse abgedeckt sei, wurde in erster Instanz kein Vorbringen erstattet und in zweiter Instanz auch keine entsprechende Differenzrechnung angestellt, sodass dazu nicht Stellung zu nehmen ist.

5. Die Bestimmung des § 33 Z 1 des Kollektivvertrags bietet danach für den vom Kläger begehrten Abfertigungsanspruch in Höhe von drei weiteren Monatsentgelten keine Grundlage. Seine außerordentliche Revision ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte

direkter Abfertigungsanspruch,

Textnummer

E120812

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00140.17D.0130.000

Im RIS seit

07.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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