Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauß als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über den Einspruch und die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Mai 2017, AZ D 28/16, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Kammeranwalts Dr. Kaska jedoch in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Einspruch des Disziplinarbeschuldigten wird zurückgewiesen.
Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird teilweise Folge gegeben und der Strafausspruch dahin abgeändert, dass über den Disziplinarbeschuldigten neben einer Geldbuße von 3.000 Euro die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehe Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten verhängt wird.
Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. Mai 2015, AZ D 28/16, wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er
a./ in seiner Eigenschaft als mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 im Verfahren zu AZ ***** des Bezirksgerichts Mödling bestellter Sachwalter die ihm bis 1. Oktober 2015 seitens des Gerichts auferlegte Frist zur Vorlage der Rechnungslegung unbeantwortet verstreichen ließ;
b./ auf fünfmalige schriftliche und mehrfache mündliche Aufforderung durch das Bezirksgericht Mödling, die Rechnungslegung beizubringen, nicht antwortete und
c./ bis zum Tag der Fällung des Erkenntnisses des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich weder seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung noch zu Erstattung eines Abschlussberichts als Sachwalter nachkam, obgleich er mit Beschluss vom 20. Oktober 2016 seines Amtes als Sachwalter enthoben worden war.
Über den Disziplinarbeschuldigten wurde hiefür eine Geldbuße von 3.000 Euro verhängt. Überdies wurde ihm die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für neun Monate untersagt, wobei ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden war. Unter einem wurde er zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Durchführung der mündlichen Disziplinarverhandlungen in seiner Abwesenheit richtet sich der Einspruch des Disziplinarbeschuldigten, während er das Erkenntnis mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe bekämpft.
Entgegen dem Einspruchsvorbringen, vom Verhandlungstermin „keine Kenntnis“ erlangt zu haben, wurde dem Einspruchswerber die Ladung zur mündlichen Disziplinarverhandlung am 19. April 2017 durch Hinterlegung (vgl § 17 ZustellG; Bauer, WK-StPO § 427 Rz 9) zugestellt (ON 8 S 2 iVm ON 7).
Soweit er „Nachforschungen bei der Post zum Zustellvorgang hinsichtlich einer allfälligen Ladung“ durchzuführen beantragt, macht er weder einen Entschuldigungsgrund noch ein unabweisbares Hindernis geltend, weil eine Nichtbehebung der Postsendung ohne Belang ist.
Da der Rechtsanwalt ***** darüber hinaus mehrmals Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und sich nicht entschuldigte (ON 8 S 2), war der Disziplinarrat gemäß § 35 erster Satz DSt zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit berechtigt.
Der Einspruch war daher gemäß § 427 Abs 3 StPO iVm § 35 letzter Satz DSt zurückzuweisen.
Mit dem Vorbringen, das Protokoll über die mündliche Disziplinarverhandlung sei nicht unterfertigt worden, wird kein Berufungsgrund ins Treffen geführt (vgl Danek, WK-StPO, § 271 Rz 4 und 5). Im Übrigen ist dem Akt die gemäß § 42 Abs 2 DSt ordnungsgemäß vorgenommene Unterfertigung des Protokolls durch Vorsitzenden und Schriftführer zu entnehmen (ON 8).
Darüber hinaus bestreitet der Berufungswerber sein Verschulden mit dem Hinweis auf „Unwegsamkeiten“ aus Anlass eines Wechsels in seinem Sekretariat. Seiner Ansicht nach sei die Erkenntnis gegenständlicher Rechnungslegung ohnehin schon bei Gericht eingetroffen.
Dieses Vorbringen vermag den Rechtsmittelwerber nicht zu exkulpieren, weil auch Organisationsverschulden disziplinär haftbar machen kann (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 DSt § 1 Rz 7). Die weitere Behauptung des Rechtsanwalts *****, er habe das disziplinäre Verhalten mittlerweile beendet, geht an der Aktenlage vorbei, weil bis zum 25. Juli 2017 die ausständige Rechnungslegung noch nicht beim Bezirksgericht Mödling eingetroffen war (ON 13).
Gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage bestehen demnach keine Bedenken, sodass der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld keine Folge zu geben war.
Der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe kommt teilweise Berechtigung zu.
Der Disziplinarrat stellte fest, dass der Disziplinarbeschuldigte zu AZ D 14/05 eine einschlägige Vorstrafe habe. Dabei handelt es sich um eine mit Erkenntnis vom 13. Februar 2006 verhängte Geldbuße, die am 8. November 2006 vollständig bezahlt wurde, sodass sie gemäß § 74 Z 2 DSt getilgt ist und daher gemäß § 73 Abs 2 DSt im angefochtenen Erkenntnis weder erwähnt noch in der Strafzumessung berücksichtigt hätte werden dürfen. Demzufolge kommt dem Berufungswerber der Milderungsgrund der Unbescholtenheit zugute.
Der Disziplinarrat wertete überdies als erschwerend, dass durch die Nichtvorlage der Rechnungslegung die Überprüfung des vom Disziplinarbeschuldigten verwalteten Fremdgeldes der Betroffenen nicht möglich war, sowie weiters die Tatsache, dass Rechtsanwalt ***** trotz zahlreicher Urgenzen über Monate hindurch die Vorlage der Rechnungslegung im Pflegschaftsverfahren unterließ.
Zwar erscheinen sowohl das solcherart gesteigert verwirklichte Unrecht als auch das durch die dargestellte Ignoranz manifestierte erhebliche Verschulden des Disziplinarbeschuldigten, derart schwer, dass neben der Verhängung einer vom Disziplinarrat ausgewogen ermittelten Geldbuße von 3.000 Euro auch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Untersagung der Rechtsanwaltschaft angebracht ist (§ 16 Abs 3 DSt). Diese war jedoch auf die angemessene Dauer von drei Monaten zu beschränken, wobei diese weitere Sanktion aufgrund der Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte (§ 16 Abs 2 DSt).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
Schlagworte
Strafrecht;Standes- und Disziplinarrecht;Textnummer
E120801European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0280DS00004.17B.0215.000Im RIS seit
07.03.2018Zuletzt aktualisiert am
07.03.2018