TE Lvwg Beschluss 2017/3/1 VGW-111/V/077/2855/2017

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Veröffentlicht am 01.03.2017
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Entscheidungsdatum

01.03.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
95/06 Ziviltechniker

Norm

AVG §10
ZivTG §4 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel in der Rechtssache betreffend die Beschwerde der Frau F. A., vertreten durch Herrn Dipl.-Ing. P. S., Wien, W.-gasse, gegen den Bescheid des Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei - Gebietsgruppe West, vom 22.11.2016, Aktenzahl MA37/1537122-2014-1, mit welchem I. gemäß § 54 Bauordnung für Wien (BO, § 68 Abs. 1 BO, § 2 Wiener Bautechnikverordnung (WBTV) und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes 2008 (WGarG 2008) und auf Grund der mit Bescheid vom 5.9.2016, GZ: BV 19 - 1308394/14 erteilten Bewilligung für Abweichungen nach § 69 BO die Baubewilligung erteilt und II. gemäß § 54 Abs. 1 und 2 BO die Breite, Höhenlage und Bauart des Gehsteiges bekanntgegeben wurde und gegen den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk, vom 5.9.2016, GZ: BV 19 - 1308394/14, mit welchem gemäß § 69 Bauordnung für Wien (BO) eine Abweichung des Bebauungsplanes für zulässig erklärt wurde, den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

I. Gemäß § 10 Abs. 3 AVG wird Herr Architekt Dipl. Ing. P. S. als Vertreter der Beschwerdeführerin Frau F. A. im weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend die Beschwerde der Frau F. A. gegen den obgenannten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien und betreffend den obgenannten Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den ... Bezirk nicht zugelassen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Begründung

Herr Architekt Dipl. Ing. P. S. verfügt über eine aufrechte Befugnis als Ziviltechniker und vertritt Frau F. A. im Rahmen seiner Ziviltechnikerbefugnis vor der Baubehörde. In dieser Funktion hat der einschreitende Vertreter beim Magistrat der Stadt Wien Beschwerde gegen die im Betreff genannten Bescheide eingebracht. Der Magistrat der Stadt Wien hat die Verfahrensakten dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegt.

Das Verwaltungsgericht Wien hat die Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters mit Schreiben vom 26.1.2017 darauf hingewiesen, dass Ziviltechniker gemäß § 4 Abs. 1 ZTG zwar zur berufsmäßigen Vertretung unter anderem vor Behörden, nicht jedoch zur berufsmäßigen Vertretung vor Gerichten befugt sind. In einem hat das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführerin um Bekanntgabe ersucht, ob sie im weiteren Verfahren selbst einschreitet oder ob und gegebenenfalls von wem sie vertreten wird.

Der einschreitende Vertreter hat dazu mit Schreiben vom 8.2.2017 im Wesentlichen dahingehend Stellung genommen, dass er zur Vermeidung der derzeit noch ungeklärten Situation betreffend die berufsmäßige Vertretung von Ziviltechnikern eine explizite schriftliche Vollmacht vorlege. Die Frage, ob Ziviltechniker vor den Verwaltungsgerichten zur berufsmäßigen Vertretung befugt sind, sei derzeit noch beim VwGH anhängig. Laut schriftlicher Auskunft des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft seien Ziviltechniker jedoch zur berufsmäßigen Vertretung vor Verwaltungsgerichten berechtigt, weil der im § 4 Abs. 1 ZTG verwendete Begriff der Behörden auch Gerichte einschließe.

Aus der vorgelegten Vollmacht geht im Wesentlichen hervor, dass Frau F. A. Herrn Architekt Dipl. Ing. S. bevollmächtigt hat, sie „bei den Behörden 1. und 2. Instanz“ zu vertreten.

Dass das Einschreiten des Vertreters insgesamt als Privatperson ohne Bezug auf seine berufsmäßige Tätigkeit erfolgen würde, wurde nicht vorgebracht und es bestanden auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte. Vielmehr war davon auszugehen, dass der Vertreter diese Tätigkeit in einem zumindest indirekten Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Ziviltechniker ausübt.

Dazu hat das Verwaltungsgericht erwogen:

§ 4 Abs. 1 ZTG lautet:

„§ 4. (1) Ziviltechniker sind, sofern bundesgesetzlich nicht eine besondere Berechtigung gefordert wird, auf dem gesamten, von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet zur Erbringung von planenden, prüfenden, überwachenden, beratenden, koordinierenden, mediativen und treuhänderischen Leistungen, insbesondere zur Vornahme von Messungen, zur Erstellung von Gutachten, zur berufsmäßigen Vertretung vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts, zur organisatorischen und kommerziellen Abwicklung von Projekten, ferner zur Übernahme von Gesamtplanungsaufträgen, sofern wichtige Teile der Arbeiten dem Fachgebiet des Ziviltechnikers zukommen, berechtigt.“

§ 10 AVG lautet:

„Vertreter

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.“

Wie das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in dem vom Vertreter vorgelegten Schreiben zunächst zutreffend feststellt, räumt § 4 Abs. 1 ZTG Ziviltechnikern unter anderem die Befugnis ein, ihre Klienten auf dem gesamten von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet vor Behörden berufsmäßig zu vertreten.

Wenn das zit. Bundesministerium diesbezüglich darauf hinweist, dass der Begriff der Behörden verfassungsrechtlich auch die Gerichte umfasse, so ist dem Folgendes entgegen zu halten: Gerichte sind insbesondere die ordentlichen Gerichte einschließlich der drei Höchstgerichte sowie seit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 1.1.2014 auch die Verwaltungsgerichte. Dass Ziviltechniker zur berufsmäßigen Parteienvertretung vor den ordentlichen Gerichten einschließlich der drei Höchstgerichte befugt wären, wird vom zit. Bundesministerium nicht behauptet und trifft nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtes auch nicht zu. Vielmehr führt der Gesetzgeber dort, wo sich eine Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung auch auf Verfahren vor Gerichten erstreckt, dies in differenzierter Form ausdrücklich an. Beispielsweise wird im § 117 Abs. 5 GewO ausdrücklich angeführt, dass Immobilientreuhänder auch zur berufsmäßigen Vertretung vor Gericht berechtigt sind, soweit kein Anwaltszwang besteht. Der historische Gesetzgeber hat daher im § 4 Abs. 1 ZTG den Begriff der Behörden in einem engeren Sinne verwendet, der die damals bereits bestehenden Gerichte nicht eingeschlossen hat.

Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde die Liste der Gerichte um die Verwaltungsgerichte erweitert. Eine Änderung des § 4 Abs. 1 ZTG anlässlich der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nicht erfolgt. Ohne eine entsprechende Adaptierung des § 4 Abs. 1 ZTG sind jedoch Ziviltechniker nicht befugt, ihre Klienten vor den Verwaltungsgerichten zu vertreten, wie Ziviltechniker auch nicht befugt sind, ihre Klienten vor den ordentlichen Gerichten einschließlich der Höchstgerichte zu vertreten.

Zur vorgelegten Vollmacht ist auszuführen, dass sich diese auf die Vertretung vor den Behörden 1. und 2. Instanz erstreckt. Angelegenheiten des Baurechts werden in erster Instanz von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich besorgt. Eine zweite Behördeninstanz – bzw. Verwaltungsinstanz – kann zwar vom jeweiligen Landesgesetzgeber eingerichtet werden, wurde aber in Wien für Angelegenheiten des Baurechts nicht eingerichtet. Der behördliche Instanzenzug ist somit spätestens mit Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht erschöpft. Bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht mag ein Verfahren vor einer Behörde vorliegen und mögen daher Ziviltechniker zur berufsmäßigen Vertretung befugt sein.

An das Behördenverfahren schließt im Fall einer Beschwerde ein grundsätzlich zweistufiges Gerichtsverfahren an. Dabei sind die Verwaltungsgerichte die 1. Instanz. Gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können unter bestimmten Voraussetzungen die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes – VfGH und VwGH – angerufen werden. Die vorgelegte Vollmacht deckt bereits nach ihrem Wortlaut und objektiven Erklärungswert eine Vertretung vor den Verwaltungsgerichten nicht ab. Die Vertretung in erster Instanz, die in der Vollmacht angeführt ist, bezieht sich offenkundig auf die Behördeninstanz und nicht auf die Gerichtsinstanz. Auch aus diesem Grund war der einschreitende Vertreter nicht zuzulassen.

Gemäß § 10 Abs. 3 AVG sind als Bevollmächtigte solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben. Für das Vorliegen von Erwerbszwecken ist es nicht erforderlich, dass für die ausgeübte Vertretungstätigkeit unmittelbar ein Entgelt gefordert oder angenommen wird. Ein Erwerbszweck liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Tätigkeit als – gegebenenfalls unentgeltliche - Zusatzleistung zu einer entgeltlichen Tätigkeit ausgeübt wird oder sonst der Entfaltung einer zu Erwerbszwecken ausgeübten Berufstätigkeit dient. Die gegenständliche Vertretungstätigkeit steht in zumindest indirektem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs des Ziviltechnikers durch den einschreitenden Vertreter und es liegt somit ein zumindest indirekter Erwerbszweck vor. Im Hinblick auf den damit vorliegenden Erwerbszweck ist es jedoch unabhängig von der nachgewiesenen Vollmacht erforderlich, dass die Vertretungshandlung von der Befugnis als Ziviltechniker umfasst ist. Da dies, wie ausgeführt, nicht zutrifft, war spruchgemäß zu entscheiden.

Klarzustellen ist, dass die Nichtzulassung gemäß § 10 Abs. 3 AVG ex nunc wirkt (Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Auflage, § 10, Rz 5 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Lehre). Dies war im Spruch entsprechend zum Ausdruck zu bringen.

Zulässigkeit der ordentlichen Revision

Wie der einschreitende Vertreter zutreffend ausführt, werden zur Frage, ob Ziviltechniker vor Verwaltungsgerichten zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft einerseits und zumindest einem Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung andererseits unterschiedliche Rechtsansichten vertreten. Obgleich diese Frage vor dem VwGH glaublich bereits anhängig ist, fehlt bisher eine Klarstellung durch dieses Höchstgericht. Es liegt insoweit eine grundsätzliche Rechtsfrage vor und war die ordentliche Revision spruchgemäß zuzulassen.

Schlagworte

Ziviltechniker; Nichtzulassung als Vertreter vor Gericht

Anmerkung

VwGH v. 23.1.2018; Ro 2017/05/0011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.111.V.077.2855.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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