Entscheidungsdatum
17.12.2017Index
41/03 PersonenstandsrechtNorm
PStG 2013 §14Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerden der Frau Mag. E. Z. sowie der Frau Mag. Si. S.-Z., beide vertreten durch Herrn RA, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 26, Datenschutz, Informationsrecht und Personenstand, Standesamt ..., vom 25.08.2015, Zl. MA 26 - 270771/2014, unter Bedachtnahme auf das in der Sache ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 04.12.2017, E 230-231/2016-31
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Entscheidungsgründe
Am 11. Mai 2015 wurde beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 26, Standesamt ... ein Schriftsatz vom 9.5.2015 eingebracht, mit welchem die Beschwerdeführerinnen gemeinsam mit einer weiteren Person die Anträge stellten, 1) das Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit (§ 14 folgende PStG 2013) einzuleiten, 2) die Antragstellerinnen zur Begründung einer Ehe (§ 18 PStG 2013) zuzulassen, 3) die Begründung dieser Ehe zu beurkunden (§ 20 PStG 2013) und 4) diesen beiden Antragstellern je eine Heiratsurkunde (§ 55 PStG 2013) auszustellen sowie 5) über alle diese Anträge bescheidmäßig abzusprechen.
Dies wurde unter anderem damit begründet, die Beschränkung der Zivilehe auf verschiedengeschlechtliche Paare (§ 44 ABGB) verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung und auf Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der sexuellen Orientierung (Art. 2 StGG; Art. 7 B-VG; Art. 8, 12, 14 EMRK; Art. 9 und 21 EU-Grundrechte-Charta).
Diese Anträge wurden mit nunmehr angefochtenem Bescheid der Behörde vom
25. August 2015 gemäß § 44 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) idgF abgewiesen.
Nach Wiedergabe des Antrages sowie des Wortlautes des § 44 ABGB führt die Behörde aus, nach der Judikatur des VfGH gebe es keine Bedenken gegen die Regelungen über die Beschränkung des Zuganges zur Ehe auf verschiedengeschlechtliche Partner (sowie die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde im Zusammenhang mit der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft) im Hinblick auf den diesbezüglichen rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers (Leitsatz zum Erkenntnis B 121/11 ua). Die Ehe als Vertrag stehe somit nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen – es sei daher nicht zu prüfen, ob Ehehindernisse, insbesondere das der aufrecht eingetragenen Partnerschaft, bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die innerhalb offener Frist erhobene Beschwerde.
Mit Erkenntnis vom 21.12.2015, GZ: VGW-101/020/11808/2015-11, VGW-101/V/020/11809/2015 wies das Verwaltungsgericht Wien diese Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
Begründet wurde dies im zusammengefasst damit, dass sich die angefochtene behördliche Entscheidung unter Berücksichtigung höchstgerichtlicher Rechtsprechung in nicht zu beanstandender Weise auf die geltende Rechtslage stütze, die aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien keine verfassungsrechtlichen Bedenken auslöse und die auch keiner „verfassungskonformen Interpretation“ bedürfe.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 04.12.2017, E 230-231/2016-31 wurde das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis aufgehoben und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerinnen durch das von ihnen angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden seien.
Der Verfassungsgerichtshof verwies in der Begründung darauf, dass er aus Anlass der Beschwerde gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. b B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in § 44 ABGB, JGS 946/1811, und des EPG, BGBl. I 135/2009 idF BGBl. I 25/2015, eingeleitet und mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2017, G 258-259/2017, diese Regelungen teilweise als verfassungswidrig aufgehoben habe.
Das Verwaltungsgericht Wien habe eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es sei nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nachteilig sei. Die Beschwerdeführerinnen seien also durch das von ihnen in Beschwerde gezogene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden(zB VfSlg. 10.404/1985). Das Erkenntnis sei daher aufzuheben gewesen.
Es war somit ein neues Erkenntnis zu erlassen.
Da es sich gegenständlich um einen sogenannten „Anlassfall“ im Gesetzesprüfungsverfahren handelt, sind die Beschwerdeführerinnen von der „Reparaturfrist“ nicht betroffen.
Es besteht daher kein rechtlicher Grund, die beantragten behördlichen Schritte, nämlich das Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit einzuleiten, die Beschwerdeführerinnen zur Begründung einer Ehe zuzulassen, die Begründung dieser Ehe zu beurkunden und 4) den beiden Beschwerdeführerinnen je eine Heiratsurkunde (§ 55 PStG 2013) auszustellen, bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen unter Bezugnahme auf § 44 ABGB zu verweigern.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, um der Behörde in diesem Sinne den Weg freizumachen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung in Verfolgung der in einem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nach Klärung der Rechtsfrage im Zuge eines von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ergangen ist.
Schlagworte
Eherecht; Ehe und Verwandtschaft; Homosexualität; Partnerschaft, gleichgeschlechtliche; Anlassfall; ErsatzentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.101.020.16339.2017.EZuletzt aktualisiert am
06.03.2018