Entscheidungsdatum
24.01.2018Index
60/02 ArbeitnehmerschutzNorm
ArbeitsstättenV 1998 §19 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Obransky über die Beschwerde der Frau A. D. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 06.06.2016, Zl. MBA ...-S 24421/16, betreffend Übertretung des 1) § 19 Abs. 1 Z 2 AStV, StF: BGBl. II Nr. 368/1998 idgF iVm § 130 Abs. 1 Z 15 ASchG, StF: BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 457/1995 idgF iVm § 9 VStG (iVm dem Bescheid vom 19.07.2005, Zl. MBA ...0/2461/05) sowie 2) § 20 Abs. 1 Z 2 AStV, StF: BGBl. II Nr. 3687/1998 idgF iVM § 130 Abs. 1 Z 15 ASchG, StF: BGBl. NR. 450/1994 idgF BGBl. Nr. 457/1995 idgF iVm § 9 VStG (iVm dem Bescheid vom 19.07.2005, Zl. MBA ...0/2461/05), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2017 verkündet und
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde in der Schuldfrage keine Folge gegeben, doch werden die Strafen (zu 1. und 2. Geldstrafen von je € 1.400,00 im Fall der Uneinbringlichkeit je 3 Tage und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) auf Geldstrafen von zu 1. und 2. je € 333,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt.
Der erstinstanzliche Beitrag zu den Kosten des Verfahrens wird gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf in Summe € 66,00 herabgesetzt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses vom 06.06.2016 lautet wie folgt:
„1. Sie haben es als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG (für die Filiale in Wien, L.-straße) der S. AG mit Sitz in Sa., ..., zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 24.03.2016 (Datum der Kontrolle) in der Arbeitsstätte in Wien, L.-straße, nicht dafür gesorgt hat, dass die Fluchtwege nicht verstellt oder unter die erforderliche nutzbare Mindestbreite eingeengt werden, da
a) der Fluchtweg zur Notausgangstüre, welche vis-a-vis des Kassenbereiches situiert ist, durch Zweitplatzierungen (Blumen, Pflanzen,...) von 1,20m auf 0,80m eingeengt war
b) der Fluchtweg von der Obst- und Gemüseabteilung zum Foyer durch die Aufstellung von Warenplatzierungen (Krautsalat, Blumen,...) auf ca. 0,80m und 0,40m eingeengt war und
c) der Fluchtweg im Bereich beim Zugang zur Notausgangstüre Richtung J.-gasse, durch Warencolli (Beladen mit Getränken) komplett verstellt war sowie
d) der Fluchtweg im Non-Food-Bereich, Richtung Hausgang, durch Warencolli (beladen mit Toilettenpapier) ebenfalls komplett verstellt war.
Damit wurden Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten verletzt.
1) Sie haben es als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG (für die Filiale in Wien, L.-straße) der S. AG mit Sitz in Sa., ..., zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 24.03.2016 (Datum der Kontrolle) in der Arbeitsstätte in Wien, L.-straße, nicht dafür gesorgt hat, dass Notausgänge nicht verstellt oder unter die erforderliche Mindestbreite eingeengt werden, da
a) die Notausgangstüre vis-a-vis der Feinkostabteilung, Richtung J.-gasse, durch Warencolli (beladen mit Getränken) komplett verstellt war und
b) die Notausgangstüre im Non-Food-Bereich, Richtung Hausgang, durch Warencolli (beladen mit Toilettenpapier) ebenfalls komplett verstellt war.
Damit wurden Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten verletzt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1) § 19 Abs. 1 Z 2 Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, mit der Anforderungen an Arbeitsstätten und an Gebäuden auf Baustellen festgelegt und die Bauarbeiterschutzverordnung geändert wird (Arbeitsstättenverordnung - AStV), StF: BGBl. II Nr. 368/1998 in der geltenden Fassung iVm § 130 Abs. 1 Z 15 des Bundesgesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz - ASchG), StF: BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. Nr. 457/1995 in der geltenden Fassung iVm
§ 9 VStG (iVm dem Bescheid vom 19.07.2005, Zahl MBA ...0/2461/05)
2) § 20 Abs. 1 Z 2 Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Anforderungen an Arbeitsstätten und an Gebäuden auf Baustellen festgelegt und die Bauarbeiterschutzverordnung geändert wird (Arbeitsstättenverordnung - AStV), StF: BGBl. II Nr 368/1998 in der geltenden Fassung iVm § 130 Abs. 1 Z 15 des Bundesgesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz - ASchG), StF: BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. Nr. 457/1995 in der geltenden Fassung iVm
§ 9 VStG (iVm dem Bescheid vom 19.07.2005, Zahl MBA ...0/2461/05)
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
2 Geldstrafen von je € 1.400,00, falls diese uneinbringlich sind,
2 Ersatzfreiheitsstrafen von je 3 Tagen und 12 Stunden
1-2) gemäß § 130 Abs. 1 Z 15 ASchG
Summe der Geldstrafen: € 2.800,00
Summe der Ersatzfreiheitsstrafen: 1 Woche
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 280,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 3.080.00.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.
Die S.-Aktiengesellschaft haftet für die mit diesem Bescheid über die zur Vertretung nach außen Berufene, Frau A. D., verhängte Geldstrafe von € 2.800,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 280,00 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs.7 VStG zur ungeteilten Hand.“
Gegen dieses Straferkenntnis richtete die Beschwerdeführerin im Weg ihres ausgewiesenen Vertreters folgende Beschwerde:
„Das genannte Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfang nach wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und ausdrücklich auch wegen der Höhe der verhängten Strafe angefochten.
Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
Ich habe in meiner Rechtfertigung vom 02.06.2016 vorgebracht, dass ich mich zum Zeitpunkt der Beanstandung auf Urlaub befunden habe, und in meiner Abwesenheit mein Vertreter, Herr R. H., mit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften beauftragt gewesen ist. Zum Beweis dafür habe ich die Vernehmung des Zeugen R. H. unter einer ladungsfähigen Adresse beantragt. Diese Vernehmung ist nicht durchgeführt worden, vielmehr ist im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführt worden, dass meinem Vorbringen weder konkret zu entnehmen ist, dass ich für die Zeit der Abwesenheit geeignete Maßnahmen getroffen habe, die die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hätte sicherstellen können, noch dass für die Überwachung eines Stellvertreters in Richtung der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben gesorgt worden wäre.
Diese Ausführungen verkennen zum einen mein Vorbringen und vermögen zum anderen die Unterlassung der Vernehmung des von mir beantragten Zeugen nicht zu rechtfertigen.
Ungeachtet allenfalls zitierter Rechtssprechung ist es lebensfremd, von einem abwesenden Verantwortlichen zu verlangen, dass er seinen Vertreter! in seiner Abwesenheit überwacht. Die Überwachung des Vertreters durch Dritte, in der Unternehmenshierarchie mit zwingender Logik untergeordnet, kann wiederum nicht zielführend sein, weil es diesen dritten Personen an einer entsprechenden Anordnungsbefugnis gegenüber dem zu überwachenden Vertreter fehlt.
Im Zuge der ordnungsgemäßen Durchführung des Ermittlungsverfahrens wäre es Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen, die von mir beantragten Beweise aufzunehmen, und den Zeugen H. in Bezug auf seine Aufgaben, Aufträge und Anordnungsbefugnisse, bzw. die ihm erteilten Anordnungen zu befragen.
in dem die Behörde erster Instanz dies unterlassen hat, und stattdessen formalistische Spitzfindigkeiten benützt, um sich der Ermittlungspflicht im Sinne des § 25 Abs 2 VStG zu entziehen, ist das Verfahren mangelhaft geblieben und werden dadurch darüber hinaus die Beschuldigtenrechte im Sinne des Artikel 6 MRK gröblichst missachtet.
Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens unter Aufnahme der von mir beantragten Beweise hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass mich an den mir angelasteten Verwaltungsübertretungen kein Verschulden trifft.
Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung:
Das genannte Straferkenntnis ist tatsachenunrichtig, wenn in seinem Spruch dargelegt wird, dass durch die angelasteten einzelnen Einengungen die § 19
Abs 1 Ziffer 2 und § 20 Abs 1 Ziffer 2 der Arbeitsstättenverordnung übertreten worden wären.
Ich habe in meiner Rechtfertigung dargelegt, dass die Einengungen oder Verstellung einzelner Fluchtwege oder Notausgänge für sich allein genommen nicht ausreicht, um eine Verletzung dieser Verordnung zu bewirken.
Die § 16 ff der Arbeitsstättenverordnung regeln grundsätzlich die Anforderungen an Arbeitsstätten, überlassen aber den Unternehmern die Art und Weise der Erfüllung.
§ 16 AStV schreibt vor, innerhalb welchen Entfernungen Fluchtwege vorhanden sein müssen, wie lange diese sein dürfen, und welche Ausgänge als Notausgänge auszugestalten sind, § 18 AStV regelt die Breiten der Fluchtwege und Notausgänge, § 19 regelt die Anforderungen an Fluchtwege und § 20 regelt die Anforderungen an Notausgänge.
Ein Verstoß gegen eine dieser Bestimmungen liegt aberrnur dann vor, wenn der betroffene (Not)Ausgang bzw der betroffene Fluchtweg zur Erfüllung der Anforderungen an Arbeitsstätten im Sinne der §§ 16 ff AStV zwingend erforderlich ist, dh. die Betriebsanlage die Anforderungen ohne ihn nicht erfüllt.
Kurz zusammengefasst, wenn in einem Arbeitsraum zwei Notausgänge vorhanden sind, obwohl aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ein , Notausgang zur Erfüllung der Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung ausreicht,' dann stellt die Einengung oder Verstellung eines dieser beiden Notausgänge . keinen Verstoß gegen die Arbeitsstättenverordnung dar.
Im konkreten Fall ist dem gegenständlichen Akt nicht zu entnehmen, dass die 'Betriebsanlage ohne die beanstandeten Verkehrswegeinengungen bzw. Verkehrswegverstellung von Notausgängen nicht den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung entsprochen hat.
Ganz besonders deutlich zeigt sich dies bei der Anlastung 1) a) wo mir die Einengung des Fluchtweges zum Notausgang vis a vis der Kassen in Richtung J.-gasse zur Last gelegt wird. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass sich unmittelbar neben diesem Notausgang ein weiterer, deutlich breiterer Notausgang befindet, sodaß den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung in diesem Bereich jedenfalls Genüge getan wird.
Wenn ein Unternehmer in seiner Betriebsanlage (Arbeitsstätte) mehr Notausgänge schafft als nach der .Arbeitsstättenverordnung verlangt, so liegt eine Übertretung der Arbeitsstättenverordnung nicht vor, wenn einer der überzähligen Notausgänge verstellt ist.
Es fehlt sohin an jeglichen Feststellungen, wie groß die gegenständliche Betriebsanlage ist, wie viele Notausgänge überhaupt vorhanden sind, von wo zu welchen Notausgängen Fluchtwege im Sinne der Arbeitsstättenverordnung führen und welche die im Straferkenntnis angelasteten Einengungen bzw. Verstellungen allenfalls dazu führen, dass die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung nicht erfüllt werden.
Das Straferkenntnis ist daher ungenügend und sohin auch unrichtig.
Tatsachen- und rechtsunrichtig ist das Straferkenntnis insofern, als mir in Bezug auf zwei Beanstandungen diese Beanstandung doppelt angelastet wird, nämlich sowohl als Einengung bzw. Verstellung des Fluchtweges als auch als Einengung bzw. Verstellung des Notausganges.
In Bezug auf die Anlastungen des Straferkenntnisses zu den Punkten 1) c und
1) d wird mir die Einengung von Fluchtwegen zur Last gelegt, in den Punkten 2) a und 2) b die Verstellung von Notausgängen, ob ein und derselbe Sachverhalt, nämlich abgestellte Warencontainer, vorliegen.
Ich habe bereits in meiner Rechtfertigung dargelegt, dass das Verwaltungsstrafrecht das Kumulationsprinzip kennt, in den beiden vorliegenden Fällen jedoch trotzdem das Doppelbestrafungsverbot greift, weil die Verstellung des' Notausganges zwinge Verstellung des Fluchtweges unmittelbar vor dem Notausgang mit sich bringt Verstellung des Notausgangs ohne eine solche Fluchtwegverstellung gar nicht möglich ist.
Genau in einem solchen Fall greift das Kumulationsprinzip des Verwaltungsstrafrechtes nicht, nach ständiger Rechtsprechung liegt dann ein Fall der Konsumtion vor
Rechtlich unrichtig ist das Straferkenntnis auch, wenn in seiner Begründung darauf hingewiesen wird, dass die Fluchtwege und Notausgänge durch den Bescheid vom 19.07.2005 MBA ...0/2461/05 festgelegt worden und daher bindend seien.
Hier wird wiederum übersehen, dass mir nicht die Nichteinhaltung von Auflagen der Betriebsanlagenbewilligung zur Last gelegt wird, sondern die Nichteinhaltung der Arbeitsstättenverordnung.
Für einen Verstoß
Für die Beurteilung der Frage, ob die Betriebsanlage der Arbeitsstättenverordnung entspricht oder nicht, ist es nicht relevant, welche Notausgänge und Fluchtwege in eine festgelegt sind, sondern ob die Betriebsanlage die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung erfüllt oder nicht.
Da jede Feststellung dazu fehlt, ist das Straferkenntnis jedenfalls rechtsunrichtig.
Zur Höhe der verhängten Strafen führe ich aus, dass diese weder tat- noch schuldangemessen sind. Es wurde nicht berücksichtigt, dass ich zum Zeitpunkt der Übertretung gar nicht anwesend gewesen bin, sondern einen Vertreter mir der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften betraut habe, darüber hinaus entspricht sie auch nicht meinen persönlichen Verhältnissen.
Die Verhängung von Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 1.400,-- ist angesichts meines monatlichen Einkommens von EUR 1.900,--bei weitem überhöht.“
Laut der dieser Beschwerde angeschlossene Gehaltsbestätigung verdiente die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Beschwerde ca. 1.900,-- Euro netto pro Monat.
Aus der diesem Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegenden Strafanzeige des Arbeitsinspektorates ergibt sich folgender Sachverhalt:
„Der Arbeitsinspektor Ha. F. hat bei der Überprüfung am 24. März 2016 festgestellt, dass
am 24. März 2016 in der Arbeitsstätte der S. AG in Wien, L.-straße, Arbeitnehmerschutzbestimmungen übertreten wurden.
1) Die Fluchtwege
a) zur Notausgangstüre, welche vis-a-vis des Kassenbereiches situiert ist, durch Zweitplatzierungen (Blumen, Pflanzen,...) von 1,20 m auf 0,80 m eingeengt (Foto 1),
b) von der Obst- und Gemüseabteilung zum Foyer durch die Aufstellung von Warenplatzierungen (Krautsalat, Blumen,...) auf ca. 0,80 m und 0,40 m eingeengt (Foto 2) und
c) im Bereich beim Zugang zur Notausgangstüre Richtung J.-gasse, durch Warencolli (beladen mit Getränke) komplett verstellt (Foto 3) sowie
d) im Non-Food-Bereich, Richtung Hausgang, durch Warencolli (beladen mit Toilettenpapier) ebenfalls komplett verstellt war (Foto 4).
Dies stellen Übertretung des § 19 Abs. 1 Z 2 Arbeitsstättenverordnung - AStV, BGBl .II Nr. 368/1998, i.d.F.d. BGBl. II Nr. 324/2014, dar wonach die Mindestbreite der Fluchtwege, welche im Einreichplan als wesentlicher Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung vom 19. Juli 2005, Zahl MBA ...0/2461/05, festgelegt wurden, nicht eingeengt werden dürfen.
2) Die Notausgangstüren
a) vis-a-vis der Feinkostabteilung, Richtung J.-gasse, durch Warencolli (beladen mit Getränke) komplett verstellt war (Foto 3) und
b)im Non-Food-Bereich, Richtung Hausgang, durch Warencolli (beladen mit Toilettenpapier) ebenfalls komplett verstellt war (Foto 4).
Dies stellen Übertretung des § 20 Abs. 1 Z 2 AStV, dar wonach Notausgänge, welche im Einreichplan als wesentlicher Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung vom 19. Juli 2005, Zahl MBA ...0/2461/05, festgelegt wurden, nicht verstellt werden dürfen.“
Dieser Anzeige sind eine Reihe von Fotos angeschlossen, die die Situation (Verstellung von Fluchtwegen bzw. Notausgangstüren) verdeutlichen.
Auch Kopien von Plandarstellungen wurden der Anzeige angeschlossen, sowie der Betriebsanlagenbescheid vom 19.05.2005 und die Bestellung der nunmehrigen Beschwerdeführerin als verantwortliche Beauftragte (Blattzahl 2 verso bis Blattzahl 7).
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.05.2016 wurden der nunmehrigen Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständlichen Übertretungen erstmals zur Last gelegt, mit Schriftsatz vom 02.06.2016 erstattete die bereits der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin mit ihrer Vollmacht eine Rechtfertigung, in welcher die ihr zur Last gelegten Übertretungen bestritten werden.
Im Beschwerdeverfahren führte das Verwaltungsgericht Wien am 02.10.2017 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher neben der Beschwerdeführerin und ihrem ausgewiesenen Vertreter auch das Arbeitsinspektorat für den ... Aufsichtsbezirk als Partei sowie der Anzeigeleger des Arbeitsinspektorates für den ... Aufsichtsbezirk als Zeuge geladen wurden.
In dieser Verhandlung rechtfertigte sich die Beschwerdeführerin ergänzend wie folgt:
„Am 24.03.2016, das war der Gründonnerstag, hatte ich Urlaub und war nicht in der Filiale. In meiner Abwesenheit wurde ich vom Filialleiter-Stellvertreter, Herrn R. H., vertreten, dadurch war ich zum Zeitpunkt der Erhebung nicht in der Filiale anwesend. Am Gründonnerstag, knapp vor Ostern, kam eine große Lieferung, es konnten nicht gleich alle gelieferte Ware in das Lager verbracht werden, da dieses Lager bereits voll war. Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub informierte mich mein Stellvertreter über die Kontrolle. Auf den Fotos ist ersichtlich, dass dort (zum Teil vor den Notausgängen) vorübergehend Container mit angelieferten Waren standen, die Waren wurden dann umgehend in die Regale eingeräumt und die Container wieder weggebracht. Es dauert erfahrungsgemäß in solchen Situationen maximal eine halbe Stunde bis die Container von diesen Orten entfernt werden können. Im Zusammenhang mit der auf den Fotos 1 und 2 dokumentierten Einengung der Fluchtwege lag auch dieser Umstand im Wesentlich an der vor Ostern bestehenden „Sondersituation“ (extrem viele Lieferungen), eine neue und noch unerfahrene Kollegin hat daher die Blumen (Foto 1) und die Gläser mit Krautsalat in einem Korb (Foto 2) aus aufgrund der angespannten Platzverhältnisse dort aufgestellt und mein Stellvertreter scheint dies gebilligt zu haben. Ich bin mir ganz sicher, dass die auf den Fotos 3 und 4 ersichtlichen Container schon kurz danach ausgeräumt und entfernt waren und die Waren (Blumen bzw. Krautsalat) jedenfalls nach den Osterfeiertagen dort wieder entfernt waren.
Mir ist durchaus bewusst, dass bei der Kontrolle durch das AI ein vorschriftswidriger Zustand bestand, teils aber nur ganz kurzfristig. Heuer bleibt die Filiale in der Zeit vom 07.08.2017 bis 12.10.2017 geschlossen, da sie umgebaut wird und auch die Warenpräsentation anders sein wird als vorher. Hinsichtlich der Notausgänge und Fluchtwege ergibt sich keine maßgebende Änderung. Bezüglich der allfälligen Einholung von Genehmigungen ist die Bauabteilung von S. zuständig bzw. sind es die Chefs.“
Die Vertreterin des Arbeitsinspektorates nahm dazu insbesondere Stellung wie folgt:
„Die auf den zuvor erläuterten Fotos dokumentierte Situation wird dem Grunde nach nicht bestritten. Es handelte sich um eine Momentaufnahme, die Einengung der Fluchtwege erfolgte auch durch Waren, die im Fluchtfalle leicht in ihren Behältnissen verschoben werden konnten, mit der Gefahr, dass Flüchtende daran hängen bleiben. Es gibt immer wieder eine Situation im Geschäftsbetrieb, die mit der im gegenständlichen Fall (knapp vor Ostern) vergleichbar ist. Das Gut der Rettung des Menschen ist das höchste. Fluchtwege und Notausgänge müssen ständig benützbar sein.
Gegen eine Herabsetzung der Strafe wird kein Einwand erhoben.“
Die Beschwerdeführerin gab auf Befragen ihres Vertreters weiters an, dass Herr H. bereits seit 6 Jahren ihr Stellvertreter sei, ihr sei nicht bekannt, dass es vorher einmal zu Problemen mit Fluchtwegen gekommen sei.
Die Beschwerdeführerin brachte noch zusätzlich Folgendes vor:
„Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren hat dazu geführt, dass besonders genau (seit der damaligen Kontrolle) darauf geachtet wird, das Fluchtwege nicht mehr eingeengt und Notausgänge auch nicht für kurze Zeit verstellt werden. Es gibt dazu auch vor der Wiedereröffnung nach der Renovierung eine Mitarbeiterbesprechung, in der dieses Thema ausführlich erörtert wird, damit es solche Probleme nicht mehr gibt. Mir ist völlig bewusst, dass die Rettung von Menschen in einem Brandfall oder Ähnlichem ganz besonders wichtig ist und nicht durch Waren, die verkauft werden sollen, behindert werden darf.“
Der Zeuge F. (Anzeigeleger) erstattete folgende Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht Wien:
„Die Filiale der Firma S. in der L.-straße ist mir deshalb relativ gut bekannt, weil sie mittlerweile seit ca. fünf Jahren zu den mir zugeteilten Betrieben gehört. In dieser Zeit war ich insgesamt vielleicht fünf bis sechs Mal in der Filiale. Ich war im Zuge meiner Zuständigkeit für Betriebe am 24.03.2016, etwa um die Mittagszeit bzw. am späten Vormittag in der Filiale. Eine ähnliche Situation wie diesmal (Verstellung von Fluchtwegen und Notausgängen) wurde bereits anlässlich einer Kontrolle am 28.08.2013 festgestellt, diesbezüglich gibt es auch ein bereits rechtkräftiges Straferkenntnis des MBA ... vom 06.08.2014. Da es zu den Aufgaben des AI gehört, bei bereits einmal festgestellten Mängeln eine Art Nachkontrolle vorzunehmen, wurde bei der Kontrolle am 24.03.2016 insbesondere auf die Fluchtwege und Notausgänge geachtet, bzw. ob diese verstellt waren oder nicht. Weiters wurden auch Arbeitszeitaufzeichnungen eingesehen, Überprüfungsbefunde und andere, den Arbeitnehmerschutz betreffende Sachverhalte. Bezüglich der Verstellung von Fluchtwegen und Notausgängen wurden Fotos angefertigt und der Anzeige angeschlossen.
Über Befragen des BfV:
Zu Beginn der Kontrolle wurde routinemäßig nach dem Verantwortlichen bzw. dem anwesenden Verantwortlichen gefragt. Diese Person begleitet den Arbeitsinspektor bei der Kontrolle.“
Nach Schluss des Beweisverfahrens verwies der Vertreter der Beschwerdeführerin auf die seiner Ansicht nach unzulässige Kumulation bezüglich des Vorwurfes der Einengung der Fluchtwege und dem Verstellen der Notausgänge.
Dem ist schon grundsätzlich entgegenzuhalten, dass die eine Übertretung nicht grundsätzlich auch die andere verwirklicht, zumal etwa eine Notausgangstür auch dann verstellt werden kann, wenn der Fluchtweg in Richtung dieses Notausgangs nicht eingeengt ist, insofern liegen zwei verschiedene Übertretungen vor.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Wien erwogen:
Im Zuge einer Überprüfung der Betriebsanlage der S. AG in Wien, L.-straße, am 24. März 2016 wurde festgestellt, dass einerseits Fluchtwege, wie in der Anzeige genauer beschrieben, eingeengt und auch Notausgangstüren verstellt waren. Dieser Sachverhalt wurde mit Fotos anschaulich dokumentiert.
Gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 der Arbeitsstättenverordnung – AStV dürfen Fluchtwege, welche im Einreichplan als wesentlicher Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung (hier: vom 19. Juli 2005, Zl. MBA ...0/2462/05, vom 19. Juli 2005) festgelegt wurden.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 AStV, dürfen Notausgänge nicht verstellt werden, welche im Einreichplan als wesentlicher Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung festgelegt wurden (hier: ebenfalls 19. Juli 2005, Zl. MBA ...0/2461/05).
Gemäß § 130 Abs. 1 Z 5 ASchG begeht unter anderem (Z 15) eine Verwaltungsübertretung, wer die Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt. Diese ist mit Geldstrafe von 160 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen. Die Strafdrohung betrifft den Arbeitgeber, der entgegen diesem Bundesgesetz (Arbeitnehmerin Schutzgesetz) oder den dazu erlassenen Verordnungen einen der in § 130 Abs. 1 Z 1 bis Z 31 näher bezeichneten Tatbestände verwirklicht.
Die Beschwerdeführerin ist unbestrittenermaßen seit Oktober 2011 verantwortlich Beauftragte in der Filiale .../ Wien, L.-straße, der S. AG, insofern ist sie für die verfahrensgegenständlichen Übertretungen sowohl nach dem sachlichen Zuständigkeitsbereich als nach dem örtlichen Zuständigkeitsbereich (als Filialleiterin) verantwortlich.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde glaubwürdig geltend gemacht, dass einerseits die Beschwerdeführerin selbst (urlaubsbedingt) in der Filiale nicht anwesend war, die kurzzeitige Verwirklichung der Tatbestände laut Straferkenntnis, welche die Beschwerdeführerin selbst als „vorschriftswidrigen Zustand“ bezeichnet, lagen ursächlich, wie glaubhaft gemacht wurde, an einer großen Lieferung knapp vor Ostern, welche dazu führte, dass nicht innerhalb kürzester Zeit alle gelieferten Waren in das Lager verbracht werden konnten, die Container aber auch nicht länger als ca. maximal eine halbe Stunde an den Örtlichkeiten standen, die auf den in der Anzeige angeschlossenen Fotos ersichtlich sind. Die Einengung des Fluchtweges durch Warenkörbe mit Blumen und Krautsalat hatten sich nur durch angespannte Platzverhältnisse ergeben.
Die Beschwerdeführerin zeigte sich durchaus einsichtig und verwies darauf, dass nach dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren besonders genau darauf geachtet werde, dass Fluchtwege nicht mehr eingeengt und Notausgänge auch nicht für kurze Zeit verstellt werden. Dies sei auch in der Mitarbeiterbesprechung ausführlich erörtert worden, damit es solche Probleme nicht mehr gebe.
Die bei der Erhebung durch das Arbeitsinspektorat zur Tatzeit vorgefundene Situation, welche auch mit Fotos ausführlich dokumentiert wurde, blieb im Grunde nach unbestritten, damit war auch festzustellen, dass im Sinne des Tatvorwurfes sowohl die im Spruch des Straferkenntnisses näher beschriebenen Fluchtwege verstellt waren als auch die ebenfalls im Spruch näher umschriebenen Notausgangstüren.
Da die eine Übertretung nicht zwingend auch die andere verwirklicht, wurden zu Recht auch zwei Tatbestände zur Last gelegt und dafür Strafen verhängt.
Zur Strafbemessung wird nunmehr ausgeführt:
Die Strafen wurden spruchgemäß herabgesetzt, da glaubhaft gemacht wurde, dass die Übertretungen zum Teil nur für kurze Zeit verwirklicht worden sind und die Beschwerdeführerin sich einsichtig gezeigt sowie auch darauf hingewiesen hat, dass seither alles unternommen wird, damit derartige Übertretungen nicht mehr in ihrer Filiale begangen werden.
Auch das Verschulden der Beschwerdeführerin war insofern eher gering, zumal sie zum Zeitpunkt der Übertretungen keine Möglichkeit hatte, diese zu verhindern, dies aber an ihrer Verantwortlichkeit nichts ändert und besondere Vorkehrungen, um ähnliche Übertretungen während ihrer Abwesenheit zu verhindern, auch nicht dargetan wurden.
Strafsatzbestimmend (die Strafdrohung im Wiederholungsfall gemäß § 130 Abs. 1 ASchG beträgt eine Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro) ist eine zum Tatzeitpunkt bereits rechtskräftige, einschlägige Verwaltungsvorstrafe, weshalb die Strafuntergrenze für beide Übertretungen 333 Euro beträgt.
Die Strafe wurde spruchgemäß in beiden Punkten auf die im Wiederholungsfall geltende Mindestgeldstrafe von 333 Euro herabgesetzt, auch diese geringen Strafen sollten aber ausreichen, um die (ohnehin einsichtige) Beschwerdeführerin in Zukunft von der neuerlichen Begehung ähnlicher Übertretungen ausreichend abzuhalten.
Da nunmehr nur die gesetzlichen Mindeststrafen verhängt wurden, kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Strafbemessung unterbleiben.
Die Haftung der S. AG gemäß § 9 Abs. 7 VStG verringert sich entsprechend den herabgesetzten Beträgen (Strafe, Kosten).
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fluchtweg; Einengung; Notausgangstüre; WarencolliAnmerkung
VwGH v. 2.9.2019, Ra 2018/02/0123; Aufhebung (und Abweisung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.042.007.9096.2016Zuletzt aktualisiert am
20.09.2019