TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/3 97/01/0495

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2000
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §5 Abs1 Z3;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des BK in W, geboren am 2. April 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1996, Zl. 4.337.434/9-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist jugoslawischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 18. Mai 1992 über Ungarn in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge am 20. Mai 1992 die Gewährung von Asyl. Als Fluchtgrund machte er im Wesentlichen geltend, dass er am 1. Mai 1992 einen Einberufungsbefehl der serbischen Bundesarmee "bekommen", diesen vom Postboten jedoch nicht entgegengenommen habe. Bis zu seiner Flucht habe er sich bei Bekannten in der Nähe seiner Heimat versteckt.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 3. Juni 1992 fest, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zuträfen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde vorerst mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer in Ungarn Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0657, diesen Bescheid wegen verfehlter Anwendung des Asylgesetzes 1991 auf. Auf dem Boden der von der belangten Behörde anzuwendenden Rechtslage nach dem Asylgesetz (1968) hätte sie vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht Gebrauch machen dürfen.

Im fortgesetzten Verfahren räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Oktober 1996 Parteiengehör zur Änderung der Verhältnisse in seinem Heimatland ein. Sie hielt dem Beschwerdeführer vor, dass per 22. Juni 1996 ein Amnestiegesetz in Kraft getreten sei; demzufolge würden Personen, die bis 14. Dezember 1995 Straftaten begangen haben, indem sie ihre Einberufung in die Armee vermieden haben oder aus der jugoslawischen Armee desertiert sind, von strafrechtlicher Verfolgung und von der Ableistung einer Strafe - unter Streichung der Verurteilung - befreit. Soferne bisher kein strafrechtliches Verfahren eingeleitet worden sei, werde ein derartiges auch nicht mehr eingeleitet. Bereits anhängige strafrechtliche Verfahren würden eingestellt; bereits Verurteilten werde die Strafe erlassen bzw. würden sie unverzüglich aus dem Gefängnis entlassen.

In seiner Stellungnahme vom 5. November 1996 wendete der Beschwerdeführer hiegegen im Wesentlichen ein, dass vom Inkrafttreten des Amnestiegesetzes keine Änderung der asylrelevanten Umstände zu erwarten sei. Er verwies auf ein Positionspapier des UNHCR Genf vom 16. August 1996, in welchem zwar eingeräumt werde, dass das Amnestiegesetz grundsätzlich zu einer Neubeurteilung von Asylgesuchen von Deserteuren und Wehrdienstverweigerern führen sollte, jedoch auch darauf hingewiesen werde, dass derzeit noch keine Beobachtungen über eine wirksame Umsetzung dieses Gesetzes vorlägen. Außerdem sei laut diesem Positionspapier eine zunehmende willkürliche Unterdrückung ethnischer Albaner zu verzeichnen; zwar lägen dem UNHCR keine Hinweise auf unverhältnismäßig harte Bestrafungen von Wehrdienstverweigerern auf Grund ihrer ethnischen Abstammung vor, dies sei aber möglicherweise darauf zurückzuführen, dass nur wenige Personen, die unter diese Kategorie fallen würden, in den letzten Jahren zurückgekehrt seien. Ziehe man andere Quellen heran, so sei ersichtlich, dass - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - gerade im jugoslawischen Militärstraf- und Disziplinarrecht eine nach ethnischer Herkunft diskriminierende Rechtspraxis vorherrsche. Der Beschwerdeführer müsse daher bei einer Aufgreifung durch jugoslawische Behörden damit rechnen, als ethnischer Albaner vor einem (serbischen) Gericht in einem unfairen Verfahren eine erheblich höhere Freiheitsstrafe zu erhalten als andere, nicht-albanische jugoslawische Staatsbürger für das selbe Delikt erhalten würden.

Mit Bescheid vom 8. November 1996 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab und sprach aus, dass dieser nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei. Es spreche nichts dafür, dass in Jugoslawien in Kraft getretene Gesetze nicht auch vollzogen würden. Die vom Beschwerdeführer geäußerten Befürchtungen seien daher nicht nachvollziehbar. Überdies seien Mutmaßungen nicht geeignet, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu rechtfertigen. Insgesamt sei es dem Beschwerdeführer sohin nicht möglich, die Annahme der effektiven Geltung des Amnestiegesetzes in Zweifel zu ziehen, weshalb davon auszugehen sei, dass ihm auf Grund seiner Wehrdienstverweigerung in seiner Heimat keinerlei Nachteile drohten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht im Kern geltend, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde erhebliche Zweifel an der faktischen Umsetzung des jugoslawischen Amnestiegesetzes gegenüber ethnischen Albanern bestünden. Derartige Zweifel hat der Beschwerdeführer

-

soweit erkennbar gestützt auf Berichtsmaterial vor Inkrafttreten dieses Amnestiegesetzes - schon in seiner Stellungnahme vom 5. November 1996 angesprochen, ohne dort jedoch konkret einen Fall darzustellen, in welchem gegen einen Militärdienstverweigerer, der

-

wie der Beschwerdeführer - die Verweigerung bis zum 14. Dezember 1995 begangen hat, nach Inkrafttreten des Amnestiegesetzes (22. Juni 1996) eine strafrechtliche Verfolgung wegen der Verweigerung des Militärdienstes eingeleitet worden wäre. Auch in der Beschwerde wird kein konkreter Verstoß gegen das Amnestiegesetz aufgezeigt; der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde allerdings vor, sie habe eine Auseinandersetzung mit Berichten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 1996 unterlassen, obwohl ihr diese Berichte aus anderen bei ihr geführten Verfahren - der Beschwerdeführer erwähnt das der beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 97/01/0366 protokollierten Beschwerde zugrunde liegende Verfahren - bekannt gewesen seien; diese Berichte würden anhand "etlicher dokumentierter und belegter Fälle" beweisen, dass das Amnestiegesetz in Fällen von Kosovo-Albanern nicht beachtet werde.

Diesem Vorbringen steht nicht schon das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen, zielt es doch darauf ab, einen der belangten Behörde behauptetermaßen unterlaufenen Verfahrensmangel (Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht) aufzuzeigen. Ihm kann freilich deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil mit der bloßen Behauptung der Dokumentation "etlicher dokumentierter und belegter Fälle", welche die belangte Behörde außer Acht gelassen habe, die Relevanz des geltend gemachten Fehlers nicht dargetan wird. Soweit sich die Beschwerde auf das hg. Verfahren Zl. 97/01/0366 bezieht, ist ihr im Übrigen zu entgegnen, dass der diesem Verfahren zugrunde liegende Bescheid auf eine Stellungnahme vom 31. Jänner 1997 Bezug nimmt und vom 24. Februar 1997 stammt, weshalb daraus nichts für den Kenntnisstand der belangten Behörde bei Erlassung des gegenständlichen Bescheides (20. November 1996) gewonnen werden kann.

Die belangte Behörde ist damit im Recht, dass angesichts eines vorliegenden Gesetzes selbst in der jugoslawischen Föderation zunächst so lange von dessen Umsetzung in die Praxis ausgegangen werden kann, als nicht konkret Gegenteiliges hervorkommt. Nach dem Vorgesagten ist ihr daher im Ergebnis darin zuzustimmen, dass - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides - die Vermutung des Beschwerdeführers, das Amnestiegesetz werde in der Praxis nicht umgesetzt, nicht geeignet ist, eine im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge relevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 96/01/1218). Gleiches gilt für die - in der Beschwerde nicht näher ausgeführte - Befürchtung, der Beschwerdeführer habe ungeachtet dessen, dass nun möglicherweise nicht mehr mit Anklageerhebungen bzw. Strafverfahren wegen Wehrdienstentzuges zu rechnen sei, wegen des Wehrdienstentzuges ein Vorgehen in "asylerheblicher Weise" seitens der staatlichen Behörden zu besorgen.

Die ergänzend thematisierte Frage schließlich, ob die seinerzeitige Einberufung des Beschwerdeführers eine asylrelevante Verfolgung dargestellt habe, stellt sich vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über eine (wesentliche) Änderung der Verhältnisse für Wehrdienstverweigerer durch Inkrafttreten des Amnestiegesetzes nicht mehr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. März 1998, Zl. 96/01/1174), zumal der Beschwerdeführer, der seinen Angaben zufolge bereits in den Jahren 1986 und 1987 den Wehrdienst abgeleistet hat, nicht behauptet, er müsse neuerlich (nach der als notorisch zu qualifizierenden Beendigung des "Bosnienkrieges") mit einer (allenfalls diskriminierenden) Einberufung rechnen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997010495.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten