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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des J W in S, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 12. August 1999, Zl. KUVS-K2-688/3/99, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 26. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 13. März 1999 gegen 0.10 Uhr auf der A 10 Tauernautobahn, in Höhe Parkplatz Rennweg/Ried, Gemeindegebiet von Rennweg/Katschberg, Richtungsfahrbahn Villach-Salzburg, als Lenker des Lastkraftwagens mit dem Anhänger die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern im Transit durch Österreich, von Italien kommend mit Zielland Deutschland vorgenommen, ohne als Fahrer ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als "Umweltdatenträger" ("Ecotag") bezeichnet wird, oder die in Art. 13 angeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden, oder geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt, mitzuführen. Er habe hiedurch die Rechtsvorschriften des § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 593/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998 in Verbindung mit Art. 1 (1) der VO (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 in der Fassung VO (EG) Nr. 1524/96 der Kommission vom 30. Juli 1996 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 1999 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Verwaltungsvorschrift "§ 23 Abs. 1 Z. 8 iVm § 1, § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 17/1998 und Art. 15 und Art. 24 Abs. 4
BGBl. Nr. 823/1992 und Art. 1 und 2 der EG-VO 3298/1994 idF EG-VO 1524/1996 idgF" und die angewendete Strafbestimmung "§ 23 Abs. 1 und Z. 8 iVm § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz" zu lauten habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Gemäß Art. 3 des Transitabkommens, BGBl. Nr. 823/1992, gilt als Transitverkehr jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (Z. 1); als Straßengütertransitverkehr jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen, die in einer der Vertragsparteien zugelassen sind, durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (Z. 2).
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."
Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der genannten Verordnung ordnet an, dass, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt, die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet wird. Die Ökopunkte sind durch Unterschrift so zu entwerten, dass sich der Schriftzug sowohl auf die Ökopunkte als auch auf das die Ökopunkte tragende Blatt erstreckt. Anstelle einer Unterschrift kann auch ein Stempel verwendet werden.
Insoweit der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid zunächst einwendet, er sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde die mündliche Verhandlung ohne Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt habe, ist dem zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1993, Zl. 92/03/0264, und vom 26. Mai 1993, Zl. 93/03/0099) die Durchführung der Verhandlung (und auch die Fällung des Erkenntnisses) dadurch nicht verhindert wird, dass die ordnungsgemäß geladene Partei zur Verhandlung nicht erschienen ist, wobei auch eine berufliche Unabkömmlichkeit der Partei nicht schlechthin eine hinreichende Entschuldigung darstellt. Auf Grund des Aktenvermerkes der belangten Behörde vom 10. August 1999 ergibt sich, dass eine Frau, die sich als Ehegattin des Beschwerdeführers bezeichnet habe, bei der belangten Behörde angerufen und mitgeteilt habe, der Beschwerdeführer könne "aus beruflichen Gründen" nicht kommen. Ihr sei mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer schriftlich (per Fax) einen Vertagungsantrag einbringen müsse. Einen derartigen Vertagungsantrag, worin er konkret die Gründe seiner beruflichen Verhinderung, deren Unvorsehbarkeit und die Unmöglichkeit, Abhilfe zu schaffen oder eine Vertretung zu finden, oder den Umstand, dass die Nichtverrichtung seiner Arbeit während der Zeit der vorgesehenen Vernehmung zwingend eine Gefahr von Gesundheit oder Leben von Menschen oder eine besondere Gefahr für Vermögenswerte nach sich gezogen hätte, angeführt hätte, hat der Beschwerdeführer nicht eingebracht. Seine Beschwerdebehauptung, seine Frau habe der Behörde mitgeteilt, dass seine Verhinderung "nicht so rechtzeitig vorhersehbar war, dass eine entsprechende Disposition möglich gewesen wäre" und dass telefonisch seitens der Behörde mitgeteilt worden sei, dass die Verhandlung vertagt werde, vermag den Inhalt des Aktenvermerkes nicht zu widerlegen.
Im Übrigen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis aber im Recht:
Zu der im Beschwerdefall strittigen Frage, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer durchgeführten Fahrt um eine Transitfahrt handelte, ist zu berücksichtigen, dass die Fahrt eines LKWs durch österreichisches Hoheitsgebiet nur dann als Transitfahrt angesehen werden kann, wenn bereits beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet feststeht, dass der Zielpunkt außerhalb Österreichs liegt. Von diesen dem Begriff des "Straßengütertransitverkehrs durch Österreich" im Sinne des Art. I lit. e des den EU-Beitrittsakten beigefügten Protokolls Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, zuzuordnenden Fahrten sind jene Fahrten zu unterscheiden, die unter dem Begriff des "bilateralen Verkehrs" im Sinne des Art. I lit. g leg. cit. zu subsumieren sind; das sind alle grenzüberschreitenden Fahrten eines Fahrzeuges, bei denen sich der Ausgangs- bzw. Zielpunkt in Österreich und der Ziel- bzw. Ausgangspunkt in einem anderen Mitgliedstaat befindet sowie Leerfahrten in Verbindung mit solchen Fahrten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1998, Zl. 97/03/0361).
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0290) die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes einer Transitfahrt nicht schon dann zu verneinen, wenn dem Lenker zunächst nur ein in Österreich gelegener Zielpunkt angegeben oder die beförderte Ware in Österreich verzollt wurde; auch die Eigentumsverhältnisse an der Ladung sind nicht von entscheidender Bedeutung; maßgebend ist jedoch, ob die Umstände in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, dass für die Fahrt mit dem LKW bereits im Zeitpunkt des Grenzeintrittes in das österreichische Hoheitsgebiet ein Zielpunkt außerhalb Österreichs bestimmt war.
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid dazu im Wesentlichen die Auffassung, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe im vorliegenden Fall keine Transitfahrt von Italien nach Deutschland, sondern einen bilateralen Transport von Italien nach Grieskirchen durchgeführt, dort sei die Wechselbrücke auf ein anderes Fahrzeug umgesetzt worden und die Ladung zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen LKW nach Deutschland transportiert worden, nicht zu folgen sei, zumal diese Angaben im Widerspruch zu den Angaben in dem vom Beschwerdeführer mitgeführten Frachtbrief vom 12. März 1999 stünden. Auch seien die Ausführungen des Beschwerdeführers dahin widersprüchlich, dass er einmal angegeben habe, die Ladung sei erst einige Tage später weiterbefördert worden, in der Berufung aber ausgeführt habe, die Ladung sei noch am selben Tag nach Deutschland weiter befördert worden.
Im Kern stützt sich die belangte Behörde somit zur Begründung ihrer Auffassung, der Beschwerdeführer habe mit dem aus dem Spruch ersichtlichen LKW-Zug eine Transitfahrt durch das Gebiet Österreichs durchgeführt, auf den vom Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mitgeführten Frachtbrief. Die Schlüssigkeit dieser Annahme kann jedoch nicht nachvollzogen werden, ergibt sich doch aus diesem Frachtbrief eine andere vom Beschwerdeführer verwendete Transporteinheit (Nummer des verwendeten Anhängers:) als die von der belangten Behörde im Spruch als Tatfahrzeug des Beschwerdeführers angeführte. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer einen weiteren Frachtbrief mit der Behauptung vorgelegt hatte, dass die Ware zunächst nach Gallspach transportiert und dort entladen worden sei, und erst danach über einen gesonderten Auftrag mit einem anderen LKW nach Deutschland weiter transportiert worden sei. Weder der eingangs erwähnte Frachtbrief vom 12. März 1999 noch der nicht näher präzisierte Hinweis der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, der amtshandelnde Beamte habe "auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers den Eindruck gehabt, dass dieser eine Transitfahrt durchführe", kann als zur Widerlegung der Behauptung des Beschwerdeführers, der Zielpunkt der beim Grenzeintritt verwendeten Transporteinheit sei zunächst in Österreich gelegen gewesen und erst nach dem Grenzeintritt sei für die Fracht ein Zielpunkt außerhalb Österreichs - mit einer anderen Transporteinheit - bestimmt worden, geeignet angesehen werden.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die zu einer verlässlichen Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich des Vorliegens einer Transitfahrt im aufgezeigten Sinn erforderlichen klaren Feststellungen in einwandfrei nachvollziehbarer Weise zu treffen haben. Da somit die Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich mangelhaft und der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf überhöht verzeichneten Gebührenaufwand.
Wien, am 3. Mai 2000
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Transitfahrt bilateraler Verkehr Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Transitfahrt bilateraler VerkehrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999030443.X00Im RIS seit
27.11.2001