TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/3 99/03/0438

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Veröffentlicht am 03.05.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §13 Abs3;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 1986/106;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der S P in E, vertreten durch Egger & Musey, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 5020 Salzburg, Fischer von Erlachstraße 47, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30. September 1999, Zl. UVS 30.16-65/99-4, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 1999 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie sei mit Schreiben vom 8. September 1997 aufgefordert worden, als Zulassungsbesitzerin eines nach dem Kennzeichen bestimmten Fahrzeuges binnen 14 Tagen nach Zustellung der Behörde (Bezirkshauptmannschaft Judenburg) bekannt zu geben, wer das angeführte Fahrzeug am 20. Juni 1997 zu einem näher genannten Zeitpunkt in Judenburg an einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt habe; sie habe diese Auskunft jedoch nicht ordnungsgemäß erteilt. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung, zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Die Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass die Bezirkshauptmannschaft Judenburg an die Beschwerdeführerin ein schriftliches Lenkerauskunftsbegehren übermittelt habe, welches am 9. September 1997 von der Beschwerdeführerin persönlich übernommen worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Erstbehörde die von der Beschwerdeführerin per Fax am 22. September 1997 abgegebene Lenkerauskunft zur Gänze als unleserlich angesehen habe oder nicht oder ob allenfalls mit einem entsprechenden Aufwand zumindest teilweise im Hinlick auf eine von der Beschwerdeführerin als Lenker angegebene Person mit einer Adresse in Tabor hätte identifiziert werden können oder nicht; denn die Beantwortung der an die Beschwerdeführerin gestellten Frage sei schon deshalb unvollständig geblieben, weil der benannte Fahrzeuglenker offenbar - wie sich aus den mit der Berufung vorgelegten Unterlagen ergebe - in der Republik Tschechien wohnhaft sei, wozu aber in der Lenkerauskunft jeglicher Hinweis fehle. Zur Bekanntgabe der vollständigen Anschrift eines ausländischen Lenkers gehöre aber auch die Angabe des Wohnsitzstaates. Ein diesbezügliches Fehlen sei nicht als im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sanierungsfähiges Formgebrechen anzusehen. Die Beschwerdeführerin habe somit gegen den Schutzzweck des § 103 Abs. 2 KFG 1967 verstoßen, denn die Auskunftspflicht solle bewirken, dass der im Verdacht einer straßenpolizeilichen oder kraftfahrrechtlichen Übertretung stehende Lenker durch die Behörde im Wege des Zulassungsbesitzers jederzeit leicht und ohne unnötige Verzögerung ermittelt werden könne. Die verhängte Strafe sei tat- und schuldangemessen und berücksichtige auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin.

Zunächst ist der Beschwerdeführerin auf ihren Einwand, die Behörde hätte, wenn sie von einem Mangel der Lenkerauskunft ausgegangen ist, ein Verbesserungsverfahren im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG durchführen müssen, zu entgegnen, dass im § 13 Abs. 3 AVG lediglich eine Verpflichtung der Behörde vorgesehen ist, zur Behebung von Formgebrechen ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Hingegen kennt das Gesetz eine Verpflichtung der Behörde, auch zur Behebung inhaltlicher Mängel - bei der mangelhaften Beantwortung einer Lenkeranfrage handelt es sich um einen derartigen Inhaltsmangel und um kein verbesserungsfähiges Formgebrechen - ein Verbesserungsverfahren durchzuführen, nicht. Aus § 103 Abs. 2 KFG 1967 ergibt sich lediglich, dass die Behörde Angaben des Auskunftspflichtigen zu überprüfen hat, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Hingegen ist die Behörde nicht verpflichtet, nach unklarer Auskunftserteilung an den Zulassungsbesitzer eine weitere Anfrage zu richten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0191).

Die von der Beschwerdeführerin verfertigte Auskunft ist jedenfalls hinsichtlich der angegebenen Adresse des genannten Lenkers auch dem Gerichtshof unleserlich. Damit kann von einer im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten klaren Auskunft keine Rede sein (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0241). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 1994, Zl. 93/02/0255, ausführte - anzulasten ist, dass sie in der Lenkerauskunft die Anführung des Staates des ausländischen Lenkers unterlassen hat. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Unterlassung dieser Angabe jedenfalls die Lenkerauskunft unvollständig mache. Sie hat dabei aber übersehen, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis vom 22. April 1994 weiter differenzierte, dass es eine Mehrzahl von Städten, Ortschaften und dergleichen namens Santo Domingo gebe und es diesfalls einer Konkretisierung durch Angabe des Staates bedurft hätte. Ob dies auch auf den vorliegenden Fall bezogen auf die angegebene Stadt Tabor gilt, kann jedenfalls ohne nähere Begründung nicht von vornherein angenommen werden.

Im Ergebnis kommt der Beschwerde aber Berechtigung zu. Die belangte Behörde hat es unterlassen, das Ausmaß des Verschuldens der Beschwerdeführerin einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG - auf dessen Anwendung ein Rechtsanspruch besteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen - kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1996, Zl. 94/03/0003, mit weiteren Hinweisen).

Die belangte Behörde hätte daher berücksichtigen und überprüfen müssen, dass Anhaltspunkte dafür bestanden, dass seitens der Beschwerdeführerin eine tatsächlich existierende Person als Lenker genannt wurde und lediglich die Handschrift in einem Teil der angegebenen Daten des Lenkers unleserlich war.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG die Umstände der Tatbegehung durch die Beschwerdeführerin einer näheren Überprüfung zuzuführen haben, um eine Beurteilung auch unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung zu ermöglichen.

Die aufgezeigte Begründungslücke des angefochtenen Bescheides hindert somit dessen Nachprüfung auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit, wodurch die Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 3. Mai 2000

Schlagworte

Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999030438.X00

Im RIS seit

07.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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