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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der DM in A, geboren am 10. Februar 1965, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwalt in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juni 1999, Zl. 210.036/0-XII/37/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 20. April 1999 den Antrag auf Asylgewährung. Sie gab in der durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme an, dass sie bis zu ihrer Ausreise aus der Heimat mit ihren Kindern, welche nun auch in Österreich seien, im Bezirk Orahovac gelebt habe. Sie sei Anfang Oktober 1998 mit ihren Kindern geflüchtet und gemeinsam mit diesen legal nach Ungarn eingereist. Sie habe in Györ einen Asylantrag gestellt, welcher von den ungarischen Behörden entgegengenommen worden sei. Ihr in Österreich aufhältiger Gatte habe für sie eine Unterkunft angemietet, weil die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern so schlecht seien, dass es fast unmöglich sei, dort mit Kindern zu wohnen. Sie sei in der Folge in der Ortschaft Rajka in der Nähe der ungarisch-österreichischen Grenze aufhältig gewesen. Die ungarischen Behörden hätten ihr gesagt, sie könne sich bis zu einem Jahr in Ungarn aufhalten. Sie habe keinen Bescheid oder ein anderes behördliches Schreiben erhalten, welches ihren Aufenthalt in Ungarn geregelt hätte. Sie habe am 17. April 1999 Ungarn verlassen und sei unter Anleitung eines ungarischen Schleppers nach Österreich gelangt. Sie habe Ungarn trotz ihres gestellten Asylantrages verlassen, weil ihr Gatte in Österreich arbeite.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. April 1999 wurde der Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1998, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung überprüfte die belangte Behörde, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich mit ihren vier Kindern einen Asylantrag gestellt habe und keine Entscheidung von ungarischer Seite getroffen worden sei. Im Wege der österreichischen Botschaft in Ungarn wurde der belangten Behörde ein Bescheid des ungarischen Amtes für Flüchtlings- und Migrationswesen vom 20. Jänner 1999 in ungarischer Sprache samt einer deutschen Arbeitsübersetzung übermittelt. Mit diesem Bescheid - dessen Inhalt von der belangten Behörde wörtlich im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wurde - wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Anerkennung als Asylantin abgelehnt, sie wurde jedoch als "Aufgenommene" anerkannt. Es wurde der Beschwerdeführerin die Privatunterkunft unter ihrer bereits bewohnten Privatadresse in Rajka genehmigt. Die Wirksamkeit dieses Bescheides erstrecke sich auch auf die vier namentlich genannten minderjährigen Kinder.
Das Dokument beinhaltet weiters, dass der Bescheid der Beschwerdeführerin in albanischer Sprache (ihrer Muttersprache) durch Dolmetscher verkündet worden sei, sie habe ein Exemplar davon übernommen. Die Übernahme dieses Bescheides wurde von der Beschwerdeführerin durch ihre Unterschrift bestätigt. Anschließend an die Zustellverfügung findet sich der ebenfalls von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Satz "Ich reiche keinen Überprüfungsantrag ein" (dies bezieht sich auf die im genannten Bescheid enthaltene Rechtsmittelbelehrung, dass die gerichtliche Überprüfung dieses Bescheides innerhalb von fünf Tagen ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des Bescheides beantragt werden könne).
Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin dieses Dokument aus dem Grund nicht vor, weil die Beschwerdeführerin - entgegen ihren niederschriftlichen Aussagen und ihrer Berufungsschrift - von ihm Kenntnis gehabt habe, was durch die "eigenhändig unterfertigte Übernahmsbestätigung vom 28. Jänner 1999 eindeutig bewiesen" werde.
Gestützt auf dieses Dokument des Amtes für Flüchtlings- und Migrationswesen vom 20. Jänner 1999, insbesondere auf die in der Bescheidbegründung enthaltenen Passage "Die Überprüfung ihrer Rechtsstellung als 'Aufgenommener' wird im Monat Februar 2000 von ungarischer Seite erfolgen", wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ab. Sie führte aus, dass die Beschwerdeführerin über ihre Fluchtgründe befragt worden sei und eine Ausweisung bzw. eine Zurückweisung in ihre Heimat die ungarische Rechtslage verletzen würde. Die Beschwerdeführerin könne deshalb in Ungarn Schutz vor Verfolgung finden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).
Gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz AsylG besteht Schutz im sicheren Drittstaat für Fremde, wenn ein Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 Fremdengesetz bedroht sind, in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen hat.
Der gegenständliche Fall weist die Besonderheit auf, dass die Beschwerdeführerin einen Asylantrag in Ungarn gestellt hat, dieser inhaltlich geprüft wurde und eine behördliche Entscheidung darüber getroffen wurde, die der Beschwerdeführerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde aufrechten Schutz als Aufgenommene gewährte. Es braucht daher (gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz AsylG) im konkreten Fall nicht - hypothetisch - untersucht zu werden, ob der Beschwerdeführerin für den Fall der Stellung eines Asylantrages ein den österreichischen Rechtsvorschriften entsprechendes Verfahren offen stünde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den im Berufungsverfahren hervorgekommenen Bescheid der ungarischen Behörde samt Übernahmsbestätigung und Rechtsmittelverzicht hätte vorhalten müssen. Denn die Beschwerdeführerin tritt in der Beschwerde der Feststellung der belangten Behörde, dass dieser Bescheid von ihr persönlich übernommen worden sei und sie die Übernahme durch ihre eigenhändige Unterschrift bestätigt habe, nur vage entgegen. Mit den Ausführungen, es sei ihr "nicht erinnerlich", dass ihr ein solcher Bescheid zugestellt worden wäre, sie könne "daher nicht ausschließen", dass eine Verwechslung, eine Falschzustellung oder ähnliches vorliege, und es sei ihr "möglicherweise ... auch nicht bewusst" gewesen, dass es sich bei der Zustellung um einen Bescheid handle, kann sie der Annahme der durch ihre eigenhändige Unterschrift bestätigten Übernahme nicht den Boden entziehen. Im Übrigen sei bemerkt, dass das Schriftbild der Unterschriften der Beschwerdeführerin auf diesem ungarischen Dokument anderen von der Beschwerdeführerin im österreichischen Asylverfahren geleisteten Unterschriften (zB. neun Unterschriften anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme und der Übergabe eines Vorhaltes betreffend Ungarn am 20. April 1999) gleicht.
Die belangte Behörde ging daher zu Recht von der Zustellung des Bescheides der ungarischen Flüchtlingsbehörden an die Beschwerdeführerin durch persönliche Übernahme aus.
Aber auch inhaltlich ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Denn das Argument, es stünden ihr nicht hinreichende Mittel zur Verfügung, um sich in Ungarn nicht in einem Flüchtlingsaufnahmelager oder Aufnahmelager der Grenzbehörden aufhalten zu müssen, widerspricht ihrem eigenen Vorbringen im Verwaltungsverfahren, dass ihr in Österreich arbeitender Ehegatte für sie und ihre Kinder in Ungarn eine Unterkunft angemietet habe. Auch der Bescheid der ungarischen Flüchtlingsbehörde genehmigte der Beschwerdeführerin den Aufenthalt in dieser angemieteten Privatunterkunft. Die nunmehrige bloße, durch kein konkretes Sachvorbringen unterlegte Behauptung, es fehlten ihr die hinreichenden Mittel, ist nicht nachvollziehbar.
Auch das - ebenfalls nicht näher ausgeführte - Argument, es sei im Hinblick auf § 13 Abs. 3 lit. c ungarisches Asylgesetz davon auszugehen, dass ihr "der allenfalls gewährte Schutz jedenfalls bei Rückschiebung nicht mehr zukommen wird, da ich schwerwiegend gegen das ungarische Grenzkontrollgesetz verstoßen habe", weil sie nunmehr die ungarische Grenze nach Österreich illegal überschritten habe, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, da es sich bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt.
Das von der Beschwerdeführerin zuletzt aufgezeigte Argument, es entspreche das ungarische Asylverfahrensrecht nicht den Anforderungen des § 4 AsylG, weil die Berufungsfrist nur fünf Tage betrage, ist im gegenständlichen Fall irrelevant. Denn die Beschwerdeführerin hat weder behauptet, dass sie den ihr zugestellten Bescheid der ungarischen Flüchtlingsbehörde überhaupt durch Stellung eines Überprüfungsantrages an das Gericht hätte bekämpfen wollen, noch dass die fünftägige Frist nicht ausreichend gewesen wäre, um einen solchen Überprüfungsantrag zu stellen; sie hat im Gegenteil nach der Übernahme des Bescheides erklärt, sie reiche keinen Überprüfungsantrag ein, und dies durch ihre Unterschrift bestätigt. Dass sie eine solche Erklärung nicht abgegeben habe oder deren Inhalt nicht verstanden habe, legt sie nicht ausreichend dar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010016.X00Im RIS seit
20.11.2000