TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/3 98/01/0568

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Veröffentlicht am 03.05.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des V A in W, geboren am 27. November 1976, vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8/3A, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Oktober 1998, Zl. 204.690/0-III/07/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste am 17. März 1996 nach Österreich ein. Er ist jugoslawischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Am 22. März 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl; zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er im Wesentlichen an: Er habe sich bereits von Jänner 1993 bis September 1995 in Österreich aufgehalten. Über Aufforderung der österreichischen Behörden sei er in der Folge in den Kosovo zurückgekehrt. Nach seiner dortigen Ankunft sei er von der serbischen Polizei gesucht worden, weshalb ihm sein Großvater geraten habe, sich zur Schwester des Großvaters zu begeben. Dort sei der Beschwerdeführer insgesamt fünf Monate verblieben bis er nach Hause zurückgekehrt sei. Zwischenzeitig habe die Polizei seinen Großvater mehrmals nach dem Aufenthalt des Beschwerdeführers befragt und letztlich auch eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei welcher Einrichtungsgegenstände beschädigt und der Pass des Beschwerdeführers mit dem Hinweis beschlagnahmt worden sei, dass er sich diesen persönlich von der Polizei abholen müsse. Er habe sich daraufhin wieder zu der Schwester seines Großvaters begeben und am 16. März 1996 schließlich sein Heimatland verlassen, da Freunde von der Polizei geschlagen worden waren und er Ähnliches für sich selbst befürchtete.

Mit Bescheid vom 28. März 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, ab.

In seiner dagegen gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er habe seine Heimat auch aus wohlbegründeter Furcht davor, im Rahmen des Militärdienstes auf Grund seiner Nationalität verfolgt zu werden, verlassen. Es sei bekannt, dass Albaner bei der Ableistung ihres Militärdienstes regelmäßig Misshandlungen und Demütigungen seitens ihrer serbischen Vorgesetzten und Kollegen ausgesetzt seien. Im Falle seiner Abschiebung nach Jugoslawien müsse er auf Grund seiner Wehrdienstverweigerung mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechnen.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 30. Mai 1996 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), zurückgewiesen, weil der angefochtene Bescheid gemäß § 44 Abs. 2 AsylG mit dem Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten ist.

Auch der nunmehr zur Entscheidung zuständige unabhängige Bundesasylsenat wies die Berufung des Beschwerdeführers - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder anderweitige Verfahrensergänzung - gemäß § 7 AsylG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen hat.

Die belangte Behörde hat sich ausschließlich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner individuellen Verfolgung auf Grund seines früheren Auslandsaufenthaltes und seiner Wehrdienstverweigerung auseinander gesetzt. Feststellungen zu den im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Kosovo herrschenden Verhältnissen wurden von ihr nicht getroffen. Insbesondere ist die belangte Behörde auf die als notorisch anzusehende Eskalation der Situation im Kosovo ab 28. Februar 1998 nicht eingegangen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgeführt, dass derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen sind (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, 99/01/0057).

Dieser Verfahrensfehler erweist sich auch als wesentlich, weil der Beschwerdeführer nach seinem von der belangten Behörde insoweit als glaubwürdig erachteten Vorbringen aus der Nähe von Pec, somit einem Gebiet stammt, welches von den damaligen Kampfhandlungen jedenfalls nicht so weit entfernt lag, dass ein Übergreifen der Auseinandersetzungen und der damit verbundenen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung schon wegen der großen Entfernung sehr unwahrscheinlich gewesen wäre (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1999, 98/01/0329, 0330).

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Abhaltung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998010568.X00

Im RIS seit

26.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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