TE Vfgh Erkenntnis 2007/10/8 B592/05 ua

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Veröffentlicht am 08.10.2007
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, den beschwerdeführenden Gesellschaften zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 5.112,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Sachverhalt zu B592/05:

1.1. Die mitbeteiligte K GmbH beantragte die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung von 4 Doppelwohnhäusern und 4 Reihenhäusern mit insgesamt 17 Wohneinheiten samt KFZ-Abstellplätzen auf den Grundstücken Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5, 417/7 und den Bauflächen 318 und 319 KG 60362 Trofaiach - im Folgenden als 416 u.a. bezeichnet. Mit Bescheid vom 26. August 2004 erteilte der Bürgermeister die Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaften Berufung. Zur Begründung brachten die beschwerdeführenden Gesellschaften vor, dass ihr Betrieb auf Grund der Beschaffenheit der dort gelagerten Stoffe (Abfall, Altöl und Tanklager für Heizöl) auch der Richtlinie 96/82/EG

(Seveso II-Richtlinie) unterliege. Sowohl nach der Seveso II-Richtlinie als auch gemäß §22 Abs12 Stmk. ROG müsse zwischen dem Unternehmen und einer sich neu ansiedelnden Wohnbevölkerung ein angemessener Schutzabstand gewahrt bleiben. Dieser Schutzabstand sei jedenfalls von einer Verbauung freizuhalten. Das Ermittlungsverfahren sei unvollständig geblieben, da nicht geklärt worden sei, ob und welche Abfälle in der Betriebsanlage "gefährliche Stoffe" im Sinne der Seveso II-Richtlinie seien. Außerdem sei nicht begründet worden, weshalb das behandelte Szenario "Brand im Tanklager" für den Schutzabstand bestimmend sei, obwohl auf Grund der Lagerung von Abfällen im Hinblick auf eine eventuelle Freisetzung und Ausbreitung toxischer Gase auch weitere Gefährdungen zu befürchten seien.

1.2. Mit Bescheid des Gemeinderates vom 1. Oktober 2004 wurde die Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid für die Errichtung der Wohnanlage abgewiesen.

1.3. Auf Grund der gegen diesen Bescheid von den beschwerdeführenden Gesellschaften erhobenen Vorstellung wurde mit dem zu B592/05 angefochtenen Bescheid der Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 1. Oktober 2004 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass durch die Vorschreibung nicht ausreichend konkretisierter Auflagen die Wahrung eines angemessenen Abstandes zwischen dem Seveso II-Betrieb einerseits und den Baugrundstücken andererseits nicht gewährleistet sei, sodass diesbezüglich Rechte der beschwerdeführenden Gesellschaften verletzt werden.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

2. Sachverhalt zu B156/06:

2.1. Im fortgesetzten Verfahren wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 23. Mai 2005 die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaften gegen den Baubewilligungsbescheid als unbegründet ab, konkretisierte jedoch die Auflagen im Baubewilligungsbescheid.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Gesellschaften Vorstellung, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der der Entscheidung zugrunde liegende Flächenwidmungsplan rechtswidrig sei.

2.2. Mit dem zu B156/06 gemäß Art144 B-VG angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

II. Aus Anlass dieser - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans 4.00, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde Trofaiach vom 21. Februar 2002, 25. April 2002 und 13. Juni 2002, genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 2002, kundgemacht durch Auflage zur öffentlichen Einsicht in der Zeit vom 19. Juli bis 2. August 2002, in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom 10. August 2004, mit dem für die im Folgenden genannten Grundstücke die Festlegung als Aufschließungsgebiet für WA aufgehoben und die Liegenschaft in volles, sofort konsumierbares Bauland, und zwar Allgemeines Wohngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,2 bis 0,8 umgewandelt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. bis 25. August 2004, soweit er die Flächenwidmung für die Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach in einem Gesamtausmaß von 9.614 m² festlegt, und der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplans "Reihenhausanlage Freiensteinerstraße" vom 15. Jänner 2004, Projekt Nr. 03/20080-B, Plan Nr. "L 1", für die von der Kohlbacher GmbH erworbenen Grundstücke Nr. 416, 417/1, 417/4, 417/5 und 417/7 sowie die Bauflächen Nr. 318 und 319 der KG 60362 Trofaiach, Beschluss des Gemeinderates vom 10. August 2004, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. bis 25. August 2004, ein. Mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2007, V24,25/07, hob er die geprüften Verordnungen als gesetzwidrig auf.

III. Die Beschwerden sind begründet.

Die belangte Behörde hat gesetzwidrige Verordnungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaften nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind zwei Streitgenossenzuschläge in der Höhe von je € 180,-, Umsatzsteuer in der Höhe von € 792,- sowie zwei Eingabengebühren gemäß §17a VfGG in der Höhe von je € 180,-

enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B592.2005

Dokumentnummer

JFT_09928992_05B00592_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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