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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32007R1234 GMO Agrarmärkte Art120a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 21. Dezember 2015, Zl. E 008/02/2015.014/004, betreffend Beschlagnahme nach dem Weingesetz 2009 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf; mitbeteiligte Partei: M B in J), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. November 2015 wurde ausgesprochen, dass die von Organen der Bundeskellereiinspektion am 27. Oktober 2015 im Betrieb des Mitbeteiligten vorläufig beschlagnahmten 1.400 Liter "Erzeugnis aus den Trauben ‚Concord und Ripatella' einschließlich der Lagerbehältnisse" gemäß § 50 Abs. 7 Weingesetz 2009 iVm § 39 Abs. 1 und 4 VStG beschlagnahmt würden.
2 Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 begehe eine Verwaltungsübertretung, wer einer Bestimmung "der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 - Nachfolgeverordnung EG (richtig: EU) Nr. 1308/2013" zuwiderhandle. Nach Art. 81 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 müssten die in der Union hergestellten Erzeugnisse von Keltertraubensorten stammen, die gemäß Abs. 2 dieses Artikels klassifiziert werden könnten. Die Traubensorten Concord und Ripatella seien keine Sorten der Gattung Vitis vinifera, weshalb die Gewinnung von Wein daraus nicht zulässig sei. Der Mitbeteiligte habe sohin gegen die Bestimmung des § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 verstoßen, weshalb die Beschlagnahme angeordnet werde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 21. Dezember 2015 wurde einer dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten stattgegeben und der Bescheid vom 9. November 2015 ersatzlos behoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe von Rechtsvorschriften aus, das Verwaltungsgericht hege ebenso wie der Bundeskellereiinspektor begründete Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vorbringens des Mitbeteiligten, wonach die rechtmäßig in Slowenien erworbenen Trauben zu Essig und Spirituosen verarbeitet würden. Es liege nahe, dass der Mitbeteiligte sich mit einer Schutzbehauptung der Beschlagnahme entziehen wolle.
5 Dennoch sei der Beschwerde aus folgenden Gründen Erfolg beschieden: Die Direktträger-Rebsorten Ripatella und Concord gehörten laut gutachterlicher Stellungnahme des Bundesamtes für Weinbau nicht der Art Vitis vinifera an oder stammten aus einer Kreuzung der Art Vitis vinifera mit anderen Arten der Gattung Vitis. Es handle sich um unionsrechtlich (und damit auch landesrechtlich) zur Auspflanzung nicht zuzulassende Rebsorten. Die Neuauspflanzung sei daher rechtlich unzulässig und habe eine Rodung der ausgepflanzten Weinstöcke zur Folge. Der Ankauf von Direktträgererzeugnissen aus dem EU-Ausland und die anschließende Lagerung in Fässern zur Weiterverarbeitung stelle "aber keine Zuwiderhandlung gegen die bei Neuauspflanzungen unmittelbar anwendbare Bestimmung des Art. 81 Abs. 1, 2 und 5" der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dar, sodass sich die Beschlagnahme nicht auf den Verdacht der Übertretung dieser unionsrechtlichen Bestimmung stützen könne. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Das Bundesgesetz über den Verkehr mit Wein und Obstwein, BGBl. I Nr. 111/2009 idF BGBl. I Nr. 189/2013 (Weingesetz 2009), lautet auszugsweise:
"Sicherstellung und Beschlagnahme
§ 50. (1) Der Bundeskellereiinspektor hat das Erzeugnis gemäß § 1 erforderlichenfalls einschließlich der Behälter ohne vorausgegangenes Verwaltungsverfahren zu beschlagnahmen oder sicherzustellen, wenn der Verdacht vorliegt, dass dieses Erzeugnis entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes, darauf beruhender Verordnungen oder den Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft für Erzeugnisse gemäß § 1 in Verkehr gebracht worden ist. ...
(7) Im Falle der vorläufigen Beschlagnahme nach Abs. 1 oder 5 hat die Bundeskellereiinspektion unverzüglich Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten, im Falle der Sicherstellung nach Abs. 1 oder 5 jedoch der Staatsanwaltschaft über die Sicherstellung zu berichten, je nachdem, ob der Verstoß eine gerichtlich strafbare Handlung oder eine Verwaltungsübertretung darstellt. Im Falle einer Verwaltungsübertretung erlischt die vorläufige Beschlagnahme, wenn nicht binnen vier Wochen ein Beschlagnahmebescheid erlassen wird.
...
Verwaltungsübertretungen
§ 61. ...
(4) Wer einer Bestimmung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007, der Verordnung (EG) Nr. 555/2008, der Verordnung (EG) Nr. 436/2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der Weinbaukartei, der obligatorischen Meldungen und der Sammlung von Informationen zur Überwachung des Marktes, der Begleitdokumente für die Beförderung von Weinbauerzeugnissen und der Ein- und Ausgangsbücher im Weinbau, ABl. Nr. L 128 vom 27.05.2009 S. 15, der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 oder der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfüllt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 270 EUR zu bestrafen.
...
Bezugnahme auf Rechtsvorschriften
§ 71. ...
(2) Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Rechtsvorschriften verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden."
9 Die (bis 31. Dezember 2013 geltende) Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (im Folgenden:
Verordnung (EU) Nr. 1234/2007) lautete auszugsweise:
"Artikel 120a
Klassifizierung von Keltertraubensorten
(1) Die in Anhang XIb aufgeführten und in der Gemeinschaft hergestellten Erzeugnisse stammen von Keltertraubensorten, die gemäß Absatz 2 klassifiziert werden können.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen von Absatz 3 erstellen die Mitgliedstaaten eine Klassifizierung der Keltertraubensorten, die in ihrem Hoheitsgebiet zum Zwecke der Weinherstellung angepflanzt, wiederangepflanzt oder veredelt werden dürfen.
Von den Mitgliedstaaten dürfen nur solche Keltertraubensorten in die Klassifizierung aufgenommen werden, die die folgenden Bedingungen erfüllen:
a) Die betreffende Keltertraubensorte gehört der Art Vitis vinifera an oder stammt aus einer Kreuzung der Art Vitis vinifera mit anderen Arten der Gattung Vitis;
...
ANHANG XIb
KATEGORIEN VON WEINBAUERZEUGNISSEN
1. Wein
..."
10 Die (ab 1. Jänner 2014 geltende) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 1308/2013) lautet auszugsweise wie folgt:
"Artikel 81
Keltertraubensorten
(1) Die in Anhang VII Teil II aufgeführten und in der Union hergestellten Erzeugnisse müssen von Keltertraubensorten stammen, die gemäß Absatz 2 dieses Artikels klassifiziert werden können.
(2) Vorbehaltlich der Bestimmungen von Absatz 3 erstellen die Mitgliedstaaten eine Klassifizierung der Keltertraubensorten, die in ihrem Hoheitsgebiet zum Zwecke der Weinherstellung angepflanzt, wiederangepflanzt oder veredelt werden dürfen.
Von den Mitgliedstaaten dürfen nur solche Keltertraubensorten in die Klassifizierung aufgenommen werden, die die folgenden Bedingungen erfüllen:
a) Die betreffende Keltertraubensorte gehört der Art Vitis vinifera an oder stammt aus einer Kreuzung der Art Vitis vinifera mit anderen Arten der Gattung Vitis;
...
ANHANG VII
...
TEIL II
Kategorien von Weinbauerzeugnissen
1) Wein
..."
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit "dem Ankauf von Direktträgersorten aus dem EU-Ausland" vor. Die Rechtslage sei auch keineswegs klargestellt. Die Auslegung des Unionsrechts durch das Verwaltungsgericht widerspreche Art. 81 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013. Ein Ankauf von rechtswidrigen Erzeugnissen - hier von Direktträgertrauben zur Erzeugung von Wein - aus dem EU-Ausland und die anschließende Lagerung in Fässern zur Weiterverarbeitung könne keinesfalls rechtmäßig sein.
12 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 13 Das Verwaltungsgericht begründet seine ersatzlose Behebung
des behördlichen Beschlagnahmebescheides ausschließlich damit, dass der "Ankauf von Direktträgererzeugnissen aus dem EU-Ausland und die anschließende Lagerung in Fässern zur Weiterverarbeitung" keine Zuwiderhandlung gegen die "bei Neuauspflanzungen unmittelbar anwendbare Bestimmung des Art. 81 Abs. 1, 2 und 5" der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 darstelle, sodass sich die Beschlagnahme nicht auf den Verdacht der Übertretung dieser unionsrechtlichen Bestimmung stützen könne.
14 Art. 81 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sieht allerdings - insofern gleich der Bestimmung des Art. 120a Abs. 1 der in § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 genannten Verordnung (EU) Nr. 1234/2007 - vor, dass die in Anhang VII Teil II genannten "und in der Union hergestellten Erzeugnisse" von im Sinne des Abs. 2 dieses Artikels klassifizierbaren Keltertraubensorten stammen müssen. Demgemäß liegt ein Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung (u.a.) dann vor, wenn in der Union Wein (als eines der in Anhang VII Teil II genannten Erzeugnisse) hergestellt wird, der nicht von im Sinne des Art. 81 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 klassifizierbaren Keltertraubensorten stammt.
15 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes stellt demnach die Herstellung von Wein aus nicht klassifizierbaren Keltertraubensorten ein Zuwiderhandeln gegen unionsrechtliche Bestimmungen dar, sodass im Grunde des § 61 Abs. 4 Weingesetz 2009 eine Verwaltungsübertretung vorliegt. Demgemäß kommt bei Vorliegen des Verdachts der Herstellung von Wein aus nicht klassifizierbaren Keltertraubensorten - bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - auch eine Beschlagnahme nach § 39 Abs. 1 VStG in Betracht. Dass die in Rede stehenden Erzeugnisse aber nicht der Herstellung von Wein dienen sollten, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Es geht vielmehr selbst davon aus, dass die vom Mitbeteiligten gegen die behördliche Annahme, die beschlagnahmten Erzeugnisse dienten der Gewinnung von Wein, ins Treffen geführte Behauptung, die erworbenen Trauben würden zu Essig und Spirituosen verarbeitet, als Schutzbehauptung zu werten sei.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 31. Jänner 2018
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016100010.L00Im RIS seit
02.03.2018Zuletzt aktualisiert am
05.03.2018