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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des EÖ in B, vertreten durch EÖ, dieser vertreten durch Dr. Fritz Krissl, Rechtsanwalt in 5500 Bischofshofen, Bahnhofstraße 9, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 26. April 1999, Zl. 0/92-11618/5-1999, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. April 1999 wies die Salzburger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) iVm § 10a leg. cit. ab. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der am 13. März 1983 in der Türkei geborene Beschwerdeführer "durch Kindesannahmevertrag des Bezirksgerichtes Werfen" vom 15. Jänner 1999 von den Eheleuten E. und Z.Ö. an Kindesstatt angenommen worden sei. Er sei bei seiner Großmutter in der Türkei aufgewachsen, habe dort die Schule besucht und sei seit 30. Dezember 1998 mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz bei seinen Wahleltern in Bischofshofen polizeilich gemeldet. Diesen Wahleltern sei mit Bescheid vom 15. Mai 1998 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden; der Beschwerdeführer erfülle somit das Erfordernis des § 12 Z. 4 StbG.
Gemäß § 10a leg. cit. seien unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Deutschkenntnisse Voraussetzung jeglicher Verleihung. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache habe. Zu diesem Zweck seien ihm im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. April 1999 acht einfache Fragen in der Art eines informellen Gespräches gestellt worden, die sich inhaltlich im Wesentlichen an Dingen orientierten, mit denen der mj. Beschwerdeführer in seinem persönlichen Leben zu tun habe. Er habe keine dieser Fragen verstanden und habe sie mit keinem einzigen Wort beantworten können. Es sei ihm auch nicht möglich gewesen, aus seinem - vom Adoptivvater erstellten - Lebenslauf vorzulesen. Eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer sei in keiner Weise möglich gewesen, er habe sich mit keinem Wort verständlich machen können.
Da der Beschwerdeführer sohin unter Berücksichtigung seiner Lebensumstände über keine entsprechenden Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinn des § 10a StbG verfüge - wobei lediglich auf die Möglichkeit einer Verständlichmachung vor der belangten Behörde abgestellt worden sei -, sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "wegen Gesetzwidrigkeit" aufzuheben und auszusprechen, dass dem Beschwerdeführer gemäß Antrag vom 18. Februar 1999 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass das vom Beschwerdeführer gestellte Begehren (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG) insoweit verfehlt ist, als es auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Verwaltungsgerichtshof abzielt. Diesem kommt nämlich im Rahmen der Bescheidbeschwerde nur die Befugnis zur Aufhebung von als rechtswidrig erkannten Bescheiden zu (§ 42 Abs. 1 VwGG).
In der Sache selbst ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 12 Z. 4 (hier und im Folgenden sind Paragraphenbezeichnungen stets als solche des StbG zu verstehen) erfüllt. Die belangte Behörde hat dessen ungeachtet in Anwendung des § 10a seinen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen, weil er nicht über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Hiezu stellte sie fest, dass eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer (in deutscher Sprache) in keiner Weise möglich gewesen sei; er habe sich mit keinem Wort verständlich machen können. Diese Feststellungen werden in der Beschwerde ausdrücklich als richtig bestätigt. Im Ergebnis kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer - ungeachtet der von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigungen über in der Türkei absolvierte Deutschkurse - über keine Deutschkenntnisse verfügt. Damit stellt sich im gegenständlichen Fall allein die Frage, ob derartige Kenntnisse (in welchem Umfang auch immer) für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 12 Z. 4 Voraussetzung sind, ob also § 10a auch im Rahmen dieses Verleihungstatbestandes beachtet werden muss.
§ 10a wurde mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, in das Staatsbürgerschaftsgesetz eingefügt und hat folgenden Wortlaut:
"§10 a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache."
Die zitierte Bestimmung umfasst nach ihrem Wortlaut somit "jegliche Verleihung".
Das StbG kennt nur einen einheitlichen Verleihungsbegriff; es fasst die einzelnen Verleihungstatbestände in seinen §§ 10 bis 24 zusammen und spricht in diesem Zusammenhang schlichtweg von "Verleihung" (vgl. § 6 Z. 2). Lediglich die Erstreckung der Verleihung wird gesondert typisiert (vgl. auch § 19 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 5), gleichwohl jedoch als "Verleihung" (siehe die Überschrift zu § 10 iVm § 6 Z. 2) verstanden. In der Tat handelt es sich dabei um Verleihungstatbestände, die nur insoweit eine Besonderheit aufweisen, als eine der Verleihungsvoraussetzungen in der zeitgleichen Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine bestimmte andere Person besteht (vgl. Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 246).
Strukturell können die Verleihung nach Ermessen der Behörde, die Verleihung auf Grund eines Rechtsanspruches und die schon erwähnte Erstreckung der Verleihung unterschieden werden. Die "Ermessenstatbestände" finden sich in § 10, die "Anspruchsfälle" in den §§ 11a bis 14 und die Erstreckung der Verleihung in den §§ 16 und 17. Den Ermessenstatbeständen zuzuzählen ist § 11, welche Norm regelt, von welchen Erwägungen sich die Behörde bei Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens leiten zu lassen hat.
§ 10a ist mithin in das Regelungsgefüge der Ermessenstatbestände eingebettet. Systematische Erwägungen könnten daher das Ergebnis nahe legen, dass sich diese Norm entgegen dem allgemein gefassten Wortlaut auch allein darauf (und nicht auch auf die Anspruchsfälle, im Besonderen nicht auf § 12 Z. 4) beziehe. In diese Richtung könnten auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 10a (1283 BlgNR 20. GP, 8 f.) verstanden werden. Dort wird ausgeführt:
"Der neu eingefügte § 10a soll den Intentionen des Integrationspaketes Rechnung tragen und vermitteln, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Schlusspunkt einer erfolgreichen Integration in Österreich darstellt. Ein wesentliches - aber nicht ausschließliches - Indiz hiefür sind sicherlich Sprachkenntnisse. Diese Sprachkenntnisse werden nicht in Form einer Prüfung unter Beweis zu stellen sein. Die Sprachkenntnisse sind jedoch von der Behörde nach den Lebensumständen des Betroffenen zu beleuchten. Die Deutschkenntnisse eines leitenden Angestellten werden sich in der Regel von jenen einer Fremden unterscheiden, die im Familienverband lebt und den Haushalt führt. Solche - den Lebensumständen angepasste - Sprachkenntnisse sind für jegliche Verleihung, also auch für die privilegierten Verleihungen des § 10 Abs. 4 und 6 erforderlich. Verfügen solche Fremde nicht über ausreichende Deutschkenntnisse , so kommt eine Verleihung auch in diesen Fällen nicht in Betracht."
Die Betonung der privilegierten Verleihungen des § 10 Abs. 4 Z. 2 und Abs. 6 ohne Erwähnung der Anspruchsfälle könnte isoliert betrachtet so gedeutet werden, dass das Erfordernis von Kenntnissen der deutschen Sprache auf die Ermessenstatbestände eingeschränkt sein soll. Dem steht allerdings die klar geäußerte Zielvorstellung im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (aaO., 6) entgegen, wo es im Anschluss an die grundsätzliche Darstellung einer Änderung im Rahmen der Anspruchsfälle (konkret § 12) heißt:
"Jegliche Verleihung (Erstreckung der Verleihung) soll jedoch - auch dies als Anknüpfung an eine erfolgte Integration - von den persönlichen Umständen des Staatsbürgerschaftswerbers entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängig sein."
Damit wird zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass § 10a für alle Verleihungsfälle (auch für die ausdrücklich genannte Verleihung durch Erstreckung) Anwendung finden soll. Die Betonung der privilegierten Verleihungen nach § 10 Abs. 4 Z. 2 und Abs. 6 in den speziellen Erläuterungen zu § 10a (bzw. die Nichterwähnung der Anspruchsfälle in diesem Zusammenhang) verliert vor diesem Hintergrund an Gewicht.
Auch im Ausschussbericht (1320 BlgNR 20. GP, 1) wird unmittelbar nach der Darstellung einer Änderung des § 12 ausgeführt, dass jegliche Verleihung (Erstreckung der Verleihung) - auch dies als Anknüpfung an eine erfolgte Integration - von den persönlichen Umständen des Staatsbürgerschaftswerbers entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängig sein soll. Insgesamt lassen die Gesetzesmaterialien im Ergebnis daher keinen Zweifel daran, dass nach den Absichten des Gesetzgebers § 10a auch bei Verleihungen nach den §§ 11a bis 14 sowie 16 und 17 zu berücksichtigen sein soll. Im Hinblick darauf vermögen die zuvor geäußerten systematischen Bedenken gegenüber dem umfassenden, den erkennbaren gesetzgeberischen Zielvorstellungen gerecht werdenden Wortlaut der in Frage stehenden Bestimmung nicht durchzuschlagen. Dass die einzelnen Verleihungstatbestände, die einen Rechtsanspruch auf Verleihung vorsehen, nicht gesondert auf § 10a Bezug nehmen, sondern neben den jeweils spezifischen Voraussetzungen bloß regelmäßig - aber nicht durchgehend (vgl. § 14) - auf allgemeine Verleihungserfordernisse des § 10 abstellen, spricht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gegen die eben entwickelte Lösung; gerade wenn alle Verleihungen von § 10a umfasst werden, kann es als normökonomisch angesehen werden, das Erfordernis entsprechender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht gesondert bei jedem Verleihungstatbestand anzuführen.
Wie gezeigt, bezieht sich § 10a nicht nur auf die Verleihungstatbestände des § 10, sondern auch auf diejenigen der §§ 11a bis 14 sowie auf die Erstreckung der Verleihung nach den §§ 16 und 17. Bezüglich der Erstreckungsfälle ließe sich zwar in Anbetracht der gesonderten Erwähnung dieses Phänomens in § 6 Z. 2 (aber auch etwa in den §§ 19 und 20) einwenden, dass es dem Gesetzgeber mit Umschreibung der von § 10a erfassten Fälle durch "jegliche Verleihung" nicht gelungen sei, seine in den Materialien Ausdruck findende Zielvorstellung, wonach auch die Erstreckung der Verleihung nur bei entsprechenden Deutschkenntnissen erfolgen könne, umzusetzen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes verbietet sich jedoch eine solche Sicht der Dinge, weil die Erstreckung der Verleihung letztlich doch nur als Unterfall der Verleihung und nicht als selbstständige Kategorie (siehe dazu oben) verstanden werden kann. Steht aber auch die Erstreckung der Verleihung unter dem Vorbehalt des § 10a, so geht das weitere Beschwerdeargument, Einbürgerungswerber nach § 12 Z. 4 seien - folge man der Ansicht der belangten Behörde - gegenüber solchen nach § 17 ohne Rechtfertigung benachteiligt, ins Leere. Soweit die Beschwerde schließlich mit der "ratio legis" argumentiert, ist ihr zu erwidern, dass jedenfalls der Novellengesetzgeber Sprachkenntnisse in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt hat. Im Übrigen wäre nicht einsichtig, wieso etwa in den Fällen des § 12 Z. 1 (Verleihung kraft Rechtsanspruches nach 30-jährigem bzw. 15-jährigem ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet) derartige Kenntnisse nicht gefordert werden sollten. Ein Interpretationsergebnis dergestalt, dass sich § 10a nur auf einzelne Fälle des § 12 bezieht, ist aber mit Sicherheit nicht erzielbar.
Zusammenfassend ist die eingangs gestellte Frage somit im Sinn der Auffassung der belangten Behörde zu beantworten; § 10a umfasst auch die Anspruchsfälle, konkret auch § 12 Z. 4. Dass damit der Grundsatz der Familieneinheit eingeschränkt wird, ist im Rahmen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 keine Besonderheit (vgl. Thienel, aaO., 126).
Nach dem Gesagten kann der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010272.X00Im RIS seit
20.11.2000