TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/30 LVwG-2018/15/0027-6

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Entscheidungsdatum

30.01.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §9 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Frau AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.11.2017, Zl **** betreffend Übertretung nach der GewO 1994

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin spruchgemäß folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Sie haben es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der CC GmbH, Z, diese ist Gewerbeinhaber, zu verantworten, dass nach Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers (DD, geb. xx.xx.xxxx per 17.03.2017, seit 18.09.2017 das Gewerbe „Immobilientreuhänder (Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Bauträger), eingeschränkt auf Bauträger“ im Standort Z, Adresse 1/2 ohne dass ein befähigter, gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt wurde, ausgeübt worden ist, obwohl gemäß § 9 Abs. 2 GewO die Bestellung eines neuen Geschäftsführers binnen sechs Monaten zu erfolgen hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 9 Abs. 2 GewO 1994

Aus diesem Grund wurde über die Beschwerdeführerin auf Grundlage des
§ 367 Z 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00, Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden, verhängt. Außerdem wurde sie zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde verpflichtet.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel in welchem zusammenfassend ausgeführt wird, dass es nicht richtig sei, dass Herr DI DD aus der Firma CC GmbH per 17.03.2017 ausgeschieden sei. Vielmehr sei Herr DI DD seit November 2016 für die Firma CC GmbH befähigter gewerberechtlicher Geschäftsführer und habe diese Stellung nach wie vor inne. Herr DI DD sei lediglich aufgrund eines Unfalls längere Zeit im Krankenstand gewesen. Ausgeschieden aus der CC GmbH sei DI DD jedoch nicht.

Eingeholt wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria sowie eine Stellungnahme der Tiroler Gebietskrankenkasse.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der CC GmbH, welche Inhaberin des Gewerbes Immobilientreuhänder, eingeschränkt auf Bauträger, ist. Für diese Gesellschaft wurde per 13.12.2016 Herr DI DD als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt.

Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde ist Herr DI DD nicht per 17.03.2017 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Vielmehr hat Herr DI DD im Zeitraum vom 18.03.2017 bis zum 04.07.2017 Krankengeld bezogen.

III.     Beweiswürdigung:

Der Umstand, dass Herr DI DD nicht aus dem Unternehmen CC GmbH per 17.03.2017 ausgeschieden ist ergibt sich aus der Stellungnahme der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 12.01.2018 sowie aus der Bestätigung der Personalverrechnerin EE vom 10.10.2017. Aus diesen Erklärungen sowie aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich vielmehr, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 18.03.2017 bis zum 04.07.2017 Krankengeld bezogen hat.

Dem steht auch die Stellungnahme der belangten Behörde vom 17.01.2018 nicht entgegen, wonach eine amtswegige Abfrage bei der SVA per 13.06.2017 ergeben habe, dass Herr DI DD vom 06.12.2016 bis 17.03.2017 bei der CC GmbH angemeldet gewesen sei. Vielmehr wurde auch von der Tiroler Gebietskrankenkasse bestätigt, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt vom Unternehmen oder der Personalverrechnerin abgemeldet wurde und im fraglichen Zeitraum lediglich Krankengeld bezogen hat. Die belangte Behörde wird daher für vergleichbare Fälle darauf hingewiesen, dass bei Zweifeln darüber, in wie weit ein Beschäftigungsverhältnis weiter bestanden hat oder nicht, nicht nur auf die Eintragungen im Register des Hauptverbandes zurückgegriffen werden kann, sondern dazu fallbezogen weitere Erhebungen durchzuführen sind.

Auch soweit im GISA- Auszug als Endigungsgrund ausdrücklich angeführt wird, dass die Endigung auf Grund einer Anzeige des Gewerbetreibenden erfolgt sei, so ist dies schon nach der Stellungnahme der belangten Behörde vom 10.01.2018 schlichtweg falsch: diese Eintragung im GISA ist vielmehr von der belangten Behörde ohne entsprechende Rückmeldung durch die Gewerbeinhaberin durchgeführt worden.

Auf Grund des vom Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht daher ohne Zweifel fest, dass Herr DI DD tatsächlich nicht von der CC GmbH bei der Krankenkasse abgemeldet wurde und auch sonst nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.

IV.      Rechtslage:

„§ 9

GewO 1994

(1) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften (offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften) können Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer (§ 39) bestellt haben.

(2) Scheidet der Geschäftsführer aus, so darf das Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch während sechs Monaten, weiter ausgeübt werden. Die Behörde hat diese Frist zu verkürzen, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist oder in den vorangegangenen zwei Jahren vor dem Ausscheiden des Geschäftsführers das Gewerbe insgesamt länger als sechs Monate ohne Geschäftsführer ausgeübt wurde.

(…)

§ 45

VStG

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.

die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.

der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.

Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.

die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.

die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.

die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(…)

V.       Rechtliche Erwägungen:

§ 9 Abs 2 GewO 1994 spricht ausdrücklich davon, dass wenn der Geschäftsführer ausscheidet ein neuer Geschäftsführer zu bestellen ist. Von einem Ausscheiden kann schon nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung allerdings nur dann gesprochen werden, wenn jemand seine Funktion in einem Unternehmen dauerhaft nicht mehr ausübt. Soweit jemand allerdings aufgrund eines Unfalls zeitweise – hier für ca 4 Monate – Krankengeld bezieht und in diesem Zeitraum allenfalls seinen Tätigkeiten nicht nachkommen kann, so kann dies nicht als Ausscheiden bezeichnet werden.

Gemäß § 1 Abs 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Schon alleine aufgrund dieser Bestimmung besteht ein strenges Analogieverbot im Verwaltungsstrafrecht. Aus diesem Grund kann auch das in § 9 Abs 2 GewO 1994 angesprochene Ausscheiden nicht dahingehend umgedeutet werden, dass diese Bestimmung analog für jene Fälle anzuwenden ist, in denen jemand aufgrund eines Unfalles nur vorübergehend seine Funktion nicht wahrnehmen kann. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass vom Gesetzgeber offensichtlich mitberücksichtigt wurde, dass auch jeder andere handelsrechtliche Geschäftsführer beispielsweise zur Konsumation seines Erholungsurlaubes zeitweise im Unternehmen nicht anwesend ist; wie lang eine derartige Abwesenheit maximal dauern kann regelt das Gesetz indes nicht. Wenn daher eine analoge Bestimmung zu § 9 Abs 2 GewO für die Fälle für erforderlich erachten würde, in denen ein Geschäftsführer krankheits- oder unfallbedingt für längere Zeit seinen Aufgaben nicht nachkommen kann, so wäre dafür eine entsprechend klare gesetzliche Regelung erforderlich.

Von einem Ausscheiden iSd § 9 Abs 2 GewO 1994 kann daher schon nach dem klaren Wortlaut nur dann gesprochen werden, wenn jemand diese Funktion dauerhaft nicht mehr ausübt. Soweit allerdings nur eine zeitweise Verhinderung aufgrund eines Erholungsurlaubes oder eben eines Krankenstandes vorliegt, kann von einem Ausscheiden nicht die Rede sein.

Zumal Herr DI DD daher nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, hat die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen und war daher das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beantworten war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 9 Abs 2, dass eine krankheits- oder unfallsbedingte Abwesenheit von 4 Monaten nicht mit einem dauerhaften Ausscheiden gleichgesetzt werden kann.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag Dünser

(Richter)

Schlagworte

Krankenstand; kein Ausscheiden iSd GewO 1994 §9 Abs2;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.15.0027.6

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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