Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, in der Beschwerdesache der KH in Linz, geboren am 1. Jänner 1939, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. August 1998, Zl. 200.911/0-VI/18/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist irakische Staatsangehörige. Sie reiste am 31. Jänner 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte am 1. Februar 1994 einen Asylantrag, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Geheimdienst des Irak bei ihr ständig Hausdurchsuchungen durchführen wollte, weil ihr Sohn wegen dessen Wehrdienstverweigerung zur Verhaftung ausgeschrieben gewesen sei. Mit Bescheid vom 17. November 1994 wies der Bundesminister für Inneres diesen Asylantrag ab.
Mit dem hg. Erkenntnis vom 6. März 1996, Zl. 95/20/0130, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Er bestätigte die Rechtsansicht des Bundesministers für Inneres, der Hausdurchsuchungen und Verhöre, welche dem Zweck der Ausforschung des Sohnes der Beschwerdeführerin dienten, asylrechtlich für nicht relevant erachtet hatte. Maßnahmen des Staates, die nur der Ausforschung von Verwandten, Bekannten etc. dienen (Befragungen, Hausdurchsuchungen, kurzfristige Haft), ohne dass die Maßnahmen in Wahrheit auf die Verfolgung des Betroffenen aus asylrechtlich relevanten Gründen abzielten, seien kein Asylgrund. Den Angaben der Beschwerdeführerin sei kein Anhaltspunkt auf eine individuell gegen sie selbst gerichtete konkrete Verfolgung durch den Heimatstaat zu entnehmen.
Am 10. November 1997 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten Asylantrag, den sie damit begründete, dass sich der asylrechtlich relevante Sachverhalt dadurch, dass ihrem Sohn in Österreich Asyl gewährt worden sei, wesentlich verändert habe, weil sie im Irak wegen der dort praktizierten Sippenhaftung einer Verfolgung ausgesetzt wäre, die sogar ihre Tötung zur Folge haben könne.
Bei ihrer Befragung durch das Bundesasylamt am 2. Dezember 1997 gab die Beschwerdeführerin hiezu Folgendes an:
"Ende 1994 habe ich erfahren, dass mein Haus im Irak konfisziert und zu einem Parteilokal gemacht worden ist. Weiters wurde mein Neffe namens Firas im Juli 1995 zum Tode verurteilt und gehängt.
Mein Bruder wurde im Frühjahr 1995 für 15 Tage inhaftiert und wg. unserer (meines Sohnes und meiner) Ausreise verhört.
Ich bekomme von einem Verwandten, der beruflich zwischen dem Irak und Jordanien pendelt, unregelmäßig Nachrichten, die unsere Familie betreffen. Die oa. Angaben habe ich vor ca. 2 Jahren erhalten.
Die meisten meiner Verwandten haben polit. Probleme und gelten als polit. 'unzuverlässig'.
Derzeit leben noch meine 4 Schwestern und mein Bruder im Irak. Sämtl. meiner Geschwister wohnen in Mosul in deren eigenen Häusern.
...
Mir wird vorgehalten, dass in der schriftl.
Asylantragsbegründung angeführt ist, dass sich der asylrechtl. Sachverhalt wesentlich verändert hat, weil mein Sohn Asyl erhalten hat und den weltweiten Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes es nicht entgangen wäre, dass mein Sohn Asyl erhalten hat. Da diese Entscheidung für mich zur Folge hat, dass ich wegen der praktizierten Sippenhaftung einer Verfolgung ausgesetzt bin und in der Folge sogar mit der Tötung rechnen müsste.
A.: Das habe ich nicht zum Rechtsanwalt gesagt und ich kann mir auch nicht erklären, wie derartige Behauptungen in den schriftl. Antrag aufgenommen werden konnten. Ich war bereits vor der Asylgewährung für meinen Sohn einer Verfolgung im Irak ausgesetzt.
F.: Sind Sie einer individuell gegen Sie gerichteten Verfolgung seit der rechtskräftigen negativen Entscheidung durch das BMI im Nov. 1994 ausgesetzt gewesen?
A.: Ob ich einer solchen Verfolgung ausgesetzt bin kann ich nicht angeben, da ich nichts Derartiges erfahren habe. Ich habe nur jene mir bekannten Verfolgungen meiner Verwandten angeführt, die ich von diesen erfahren habe.
Wie bereits vorgebracht wurde mein Haus konfiziert.
F.: Ist das Haus leergestanden?
A.: Ja, es war unbewohnt.
F.: Wie begründen Sie Ihre nunmehrige Asylantragstellung?
A.: Wenn mein Sohn und ich in den Irak zurückkehren, erwartet
uns die Todesstrafe, da ich illegal ausgereist bin."
Mit Bescheid vom 3. Dezember 1997 wies das Bundesasylamt den
zweiten Asylantrag vom 10. November 1997 gemäß § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 des Asylgesetzes 1991 mit der Begründung ab, dass keine neuen asylrelevanten Gründe vorgebracht worden seien. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid am 22. Dezember 1997 Berufung, in der sie auf ihr neues Sachverhaltsvorbringen verwies und zusätzlich vorbrachte, dass sie bei ihrer Rückkehr in den Irak damit rechnen müsse, unter Umständen unter Anwendung von Folter verhört zu werden, wenn sie die Frage, warum sie keinen Reisepass besitze, nicht befriedigend beantworten könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 68 AVG in Verbindung mit § 44 Abs. 5 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Sie führte begründend aus, dass auch der zweite Asylantrag der Beschwerdeführerin keine Maßnahmen der Behörden ihres Heimatstaates nenne, welche in Wahrheit auf die Verfolgung ihrer selbst aus asylrechtlich relevanten Gründen abziele. Die von ihr geschilderten Schicksale von Familienangehörigen könnten lediglich als zusätzliche Illustration für die eigene Verfolgungssituation im Rahmen der Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden, nicht jedoch als ausschließlicher Asylgrund. Dem nunmehrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin sei keine asylrelevante Bedrohung ihrer eigenen Person zu entnehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 und 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG würden vorliegen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage (vgl. insoweit aber § 44 Abs. 5 AsylG) oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 80 zu § 68 AVG sowie das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1998, Zl. 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen.
Es kann jedoch nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. März 1993, Zl. 92/12/0149, und die dort zitierte Judikatur). Die belangte Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0173).
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem ersten, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren in der erstinstanzlichen Befragung ausdrücklich angegeben, weder misshandelt noch gefoltert worden zu sein. Die zur Ausforschung ihres wegen Wehrdienstverweigerung gesuchten Sohnes von irakischen Behörden gegen sie ergriffenen Maßnahmen waren bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens. Auch die illegale Ausreise aus dem Irak sowie das Fehlen eines Reisepasses im Fall der Wiedereinreise hätten bereits im vorhergehenden Verfahren thematisiert werden können.
Der bloße Umstand, dass dem Sohn der Beschwerdeführerin in Österreich Asyl gewährt worden ist, kann - selbst unter der Annahme, dass dies den irakischen Behörden bekannt würde - das Bedrohungspotential gegen die Beschwerdeführerin selbst nicht in asylrechtlich relevanter Weise erhöhen, sofern nicht zusätzliche Umstände hinzutreten, die - über die den Anlass für die Verfolgung des Sohnes der Beschwerdeführerin bildende Wehrdienstverweigerung hinaus - die Gefahr einer Verfolgung durch den Irak mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit vergrößern. Dass solche zusätzlichen Gefährdungen durch den Rechtsakt der Asylgewährung geschaffen worden wären, wurde gar nicht vorgebracht.
Auch den weiteren, vor der erstinstanzlichen Behörde deponierten Aussagen der Beschwerdeführerin über die Konfiszierung ihres leer stehenden Hauses im Irak und über die Verurteilung und Hinrichtung ihres Neffen Firas im Juli 1995 - für die kein Grund vorgebracht wurde - kann eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aus asylrelevanten Gründen nicht entnommen werden. Die Konfiskation des leerstehenden Hauses der Beschwerdeführerin durch den Irak wurde von der Beschwerdeführerin nicht mit einer gegen sie gerichteten Verfolgung aus asylrelevanten Gründen, sondern mit dem Leerstehen diese Hauses in Zusammenhang gebracht. Die Inhaftierung des Bruders der Beschwerdeführerin im Frühjahr 1995 und sein wegen der Ausreise der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes nach Österreich vorgenommenes Verhör, kann - ebenso wie die den Gegenstand des ersten Asylverfahrens der Beschwerdeführerin bildenden eigenen Vernehmungen - keine asylrelevante Verfolgung begründen.
Die erstinstanzliche Behörde hat den zweiten Asylantrag der Beschwerdeführerin nach der damals geltenden Bestimmung des § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 des Asylgesetz 1991 abgewiesen. Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) war das vorliegende, am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Die belangte Behörde hätte den zweiten Asylantrag daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 44 Abs. 5 AsylG zurückzuweisen gehabt. Dadurch, dass die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Dezember 1997 "gemäß § 68 AVG iVm § 44 Abs. 5 AsylG abgewiesen" hat, ist diese jedoch nicht in einem Recht verletzt worden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Mai 2000
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200578.X00Im RIS seit
20.11.2000