TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/19 W210 2166304-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2018
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Entscheidungsdatum

19.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2

Spruch

W210 2166304-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.01.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Spruchpunkt VI. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 26.05.2015 (damals als Minderjähriger) gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung am 27.05.2015 gab der (damals minderjährige) Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu als Fluchtgrund an, dass sein Vater aufgrund seiner Arbeit als Lenker für die Amerikaner ca. eineinhalb Jahren davor von den Taliban getötet worden sei. Er habe Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen. Die Taliban hätten nicht zugelassen, dass die Kinder eine Schule besuchten. Sie hätten auf Mauern geschrieben, dass Kindern, die eine Schule besuchen würden, die Hände abgehackte werden würden. Deshalb habe ihn seine Mutter nach Europa geschickt. Er wolle in Österreich die Schule besuchen.

3. Am 13.06.2015 wurde ein Röntgen zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers durchgeführt.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 14.12.2015 wurde der Magistrat der Stadt XXXX , Amt für Jugend und Familie, mit der Obsorge des Beschwerdeführers betraut.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.06.2016, XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen, verurteilt.

6. Mit Schreiben vom 02.02.2017 erteilte die gesetzliche Vertretung des (damals minderjährigen) Beschwerdeführers der Caritas XXXX die Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

7. Der (damals minderjährige) Beschwerdeführer wurde am 07.03.2017, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, dieser vertreten durch die Caritas XXXX , beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, dass er in Afghanistan kein ruhiges Leben habe führen und keine Schule habe besuchen können. Er sei nicht aus Spaß hier her gekommen und habe seine Mutter auch nicht aus Spaß alleine gelassen. Er wolle sich hier ein Leben aufbauen. Über Nachfrage der Behörde fügte er hinzu, dass sein Vater umgebracht worden sei und er nicht mehr in Afghanistan leben könne, wenn das Familienoberhaupt tot sei. Er habe Afghanistan verlassen, weil er keine Zukunft gesehen habe. Auch seine Mutter habe nicht gewollt, dass er dort weiterlebe.

8. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 07.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit mitgeteilt. Dem Beschwerdeführer wurde die Aufenthaltsberechtigungskarte "weiß" entzogen und eine Verfahrenskarte "grün" ausgefolgt.

9. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 17.06.2016 verloren habe. In Bezug auf das Fluchtvorbringen wurde begründend ausgeführt, es habe weder eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden können, noch seien im Verfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen ließen. Bei den Schilderungen des Beschwerdeführers sei es zu Divergenzen gekommen und habe sich der Beschwerdeführer bei seiner Befragung von Beginn an unwillig gezeigt, aus Eigenem zu schildern bzw. Fragen zu beantworten. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen sei daher nicht glaubhaft.

10. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 21.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, amtswegig der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

11. Mit weiterer Verfahrensanordnung des BFA vom 21.06.2017 wurde der Beschwerdeführer über seine Verpflichtung, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen, informiert.

12. Mit Schreiben vom 12.07.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und wendet ein, er habe im bisherigen Verfahren im Wesentlichen gleich lautend und auch persönlich glaubwürdig angegeben, aus seinem Heimatstaat aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der - zumindest unterstellten - politischen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines ermordeten Vaters geflohen zu sein. Der Beschwerde ist eine ACCORD-Anfragebeantwortung des Österreichischen Roten Kreuzes vom 10.01.2017 u.a. betreffend "Fälle von Bedrohung und Ermordung von Chauffeuren, die sich im Dienste der US-Truppen befanden, durch die Taliban in den Provinzen Kabul und Baghlan" beigelegt. Unter einem werden die Anträge gestellt, den Status eines Asylberechtigten, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, allenfalls die Angelegenheit an die belangten Behörde zur Vervollständigung des Verfahrens zurückzuverweisen, in eventu die Unzulässigkeit der Abschiebung in den Heimatstaat festzustellen, jedenfalls aber von einer Ausweisung des Beschwerdeführers Abstand zu nehmen.

13. Mit Datum vom 02.08.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

14. Mit Schreiben vom 25.10.2017 wurden der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, das BFA und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.01.2018 geladen.

15. Das BFA verzichtete mit Eingabe vom 30.10.2017 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

16. Mit Schreiben des gesetzlichen Vertreters vom 20.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Zuständigkeit des Amtes für Familie und Jugend mit Eintritt der Volljährigkeit des Beschwerdeführers am XXXX ende. Zugleich wurde der Beschwerdeführer für die weitere rechtliche Beratung in seinem Asylverfahren an den ihm amtswegig zur Seite gestellten Rechtsberater verwiesen.

17. Mit Eingabe vom 05.01.2018 wurden dem Bundesverwaltungsgericht über Aufforderung die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen

XXXX vom 17.08.2017, XXXX , und 16.11.2017, XXXX , (Protokollvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung) betreffend den Beschwerdeführer übermittelt.

18. Das Bundeverwaltungsgericht führte am 05.01.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu, eines Justizwachebeamten und der vom Beschwerdeführer für die mündliche Verhandlung bevollmächtigten Rechtsvertreterin des (mittlerweile volljährigen) Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer das gegenständliche Verfahren mit dem Verfahren des Bruders des Beschwerdeführers (mj. XXXX , Beschwerdeführer zu W210 2162341-1), zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurde. Der Beschwerdeführer und sein mj. Bruder wurden ausführlich zu ihren Beweggründen hinsichtlich der Ausreise aus Afghanistan befragt.

Die erkennende Richterin brachte ein Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, zuletzt aktualisiert am 21.12.2017, UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 samt Anmerkungen vom September 2016, UNHCR Richtlinien zum internationalen Schutz bezüglich Asylanträgen von Kindern vom 22.12.2009, die Notiz Afghanistan Alltag in Kabul, eine ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend Berichte über Drohungen bzw. Angriffe auf Familienangehörige von Personen die mit der ISAF oder anderen ausländischen Organisationen zusammenarbeiten (a-9107) vom 25.03.2015 sowie einen Auszug aus den Dossier der Staatendokumentation "Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur" Seite 5-60 und Seite 81 ff. in das Verfahren ein. Der Beschwerdeführervertreterin wurde eine Kopie der Länderberichte ausgehändigt.

Die Beschwerdeführervertreterin legte ein Konvolut mit Auszügen aus unterschiedlichen Berichten zur Sicherheitslage in der Stadt Kabul, zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer sowie aus einem Gutachten von Dr. Rasuly vom 23.10.2015, zitiert aus BVwG 28.06.2017, W255 2149881-1, vor. Dieses Konvolut wurde als Beilage./5 zum Akt genommen. Weiters wurden das Schreiben des Amtes für Jugend und Familie vom 20.11.2017, eine Vollmacht vom 05.01.2018 sowie die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.08.2017, XXXX , und 16.11.2017, XXXX , (Protokollvermerke und gekürzte Urteilsausfertigungen) als Beilagen ./1 bis ./4 des VP zum Akt genommen. Zudem verwies die Beschwerdeführerin auf eine in einem anderen Fall zur Frage der Anwendung von § 5 Z 10 JGG im Asylverfahren anhängige Revision.

19. Mit Eingabe vom 31.01.2018 erfolgten eine Vollmachtsbekanntgabe und eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, nunmehr vertreten durch seinen zugewiesenen Rechtsberater, in welcher ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer an einer Depression leide und in ärztlicher Behandlung sei. In einem wurde eine Medikamentenübersicht der Justizanstalt XXXX vom 22.01.2018 betreffend den Beschwerdeführer vorgelegt.

20. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.02.2018 wurde der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 30.01.2018 aufgefordert, Befunde und Diagnose zu der von ihm angeführten Depression samt Darlegung der ärztlichen Behandlung vorzulegen und anzugeben, zu welchem Zweck und aufgrund welcher Diagnose das in der Medikamentenübersicht vom 22.01.2018 angeführte Medikament eingenommen werde.

21. Mit Eingabe vom 06.02.2018 erfolgte eine Dokumentenvorlage der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers. Mit dem vorgelegten E-Mail wurde der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers durch die zuständige Mitarbeitern der XXXX Jugendgerichtshilfe mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer keine offizielle Diagnose habe.

22. Am 07.02.2018 teilte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers dem Bundesverwaltungsgericht telefonisch mit, dass es sich bei der Verschreibung in der Medikamentenübersicht vom 22.01.2018 um die einzige Verschreibung handle, die der Beschwerdeführer ihr übermittelt habe. Es liege keine weitere Verschreibung für den Beschwerdeführer vor. Auch habe sie keine Befunde vom vormaligen gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers erhalten. Weiters habe ihr der Beschwerdeführer am 23.01.2018 mitgeteilt, dass er keine Medikamente mehr nehme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde zu den Anträgen auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers und dessen Bruder (Beschwerdeführer zu W210 2162341-1), insbesondere durch Einsicht in die Protokolle der Einvernahmen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.01.2018 und den ins Verfahren eingebrachten Berichten:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig, am XXXX geboren und somit mittlerweile volljährig. Er ist ledig und kinderlos. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er kann sowohl Paschtu als auch Dari lesen und schreiben.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Kabul, Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und aufgewachsen. Er lebte dort bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie - das sind jedenfalls seine Mutter, drei seiner vier Brüder und seine drei Schwestern - in einem eigenen Einfamilienhaus. Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimatprovinz sieben Jahre die Schule und arbeitete mehrere Monate als Automechaniker. Im Zuge seiner Ausreise nach Europa arbeitete er zudem kurzzeitig im Iran und in der Türkei.

Im Alter von fünfzehn Jahren verließ der Beschwerdeführer Afghanistan und reiste illegal nach Europa. Am 26.05.2015 stellte der (damals minderjährige) Beschwerdeführer gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich bescholten:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.06.2016 zu XXXX wurde er rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß §142 Abs. 2 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2, 84 Abs 4. StGB in zwei Fällen und des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2StGB in zwei weiteren Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.08.2017 zu XXXX wurde er rechtskräftig wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB sowie §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sechs Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 16.11.2017 zu XXXX wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 2a 2. Fall SMG als Beitragstöter gemäß § 12 3. Fall StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu XXXX und XXXX wurde abgesehen, die Probezeit zu XXXX aber auf 5 Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Freunde, macht keinen Sport und ging vor seiner Inhaftierung keiner Beschäftigung nach. Er vollzieht derzeit eine viermonatige Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX . Im Zuge seines Strafvollzugs besuchte er einen Deutschkurs.

Der Beschwerdeführer nimmt keine Medikamente, befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung und leidet an keiner akut lebensbedrohenden Krankheit.

Der jüngere Bruder des Beschwerdeführers (mj. XXXX , Beschwerdeführer zu W210 2162341-1) verließ Afghanistan aufgrund derselben Fluchtgeschichte bereits im Jahr 2014 und reiste ebenfalls in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 19.11.2014, somit sechs Monate vor dem Beschwerdeführer, einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid des BFA vom 12.05.2017, Zl. XXXX , wurde diesem Bruder des Beschwerdeführers aufgrund dessen Minderjährigkeit rechtskräftig der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich weder im gemeinsamen Haushalt mit seinem subsidiär schutzberechtigten Bruder (mj. XXXX , Beschwerdeführer zu W210 2162341-1) noch besteht eine intensive Bindung zu diesem.

Der Beschwerdeführer hatte weder durch seine Zugehörigkeit zur paschtunischen Volksgruppe noch durch jene zur sunnitischen Glaubensrichtung Probleme in Afghanistan.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden. So kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass sich der vom Beschwerdeführer als fluchtauslösendes Ereignis vorgebrachte Vorfall, bei welchem die Taliban eines Abends den Vater des Beschwerdeführers aufgrund dessen behaupteter Tätigkeit als Fahrer für die US-Truppen getötet hätten, tatsächlich ereignet hat.

Die Mutter und die fünf weiteren in Afghanistan verbliebenen Geschwister des Beschwerdeführers waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers noch am Leben und wurden nicht unmittelbar vor der Ausreise des Bruders des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren getötet (mj. XXXX , Beschwerdeführer zu W210 2162341-1).

Zudem kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer jemals einer sonstigen konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Kabul, ist aus infrastruktureller Sicht über den internationalen Flughafen Kabul und das Straßennetz direkt erreichbar.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Zum politischen System, der Sicherheitslage in Afghanistan und der im vorliegenden Fall gegenständlichen Provinz, zur Versorgungslage sowie zur Erreichbarkeit der Heimatprovinz des Beschwerdeführers:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

Mit Stand September 2016 schätzt die Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Die Lage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers: Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.05.2017):

Am 31.05.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt, als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 06.06.2017; vgl. auch: al-Jazeera 31.05.2017; The Guardian 31.05.2017; BBC 31.05.2017; UN News Centre 31.05.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.05.2017).

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte, nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.05.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 02.06.2017; vgl. auch: Fars News 07.06.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 07.06.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 02.06.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 02.06.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 02.06.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten - den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 03.06.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 03.06.2017; vgl. auch: The Guardian 03.06.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 03.06.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 03.06.2017; vgl. auch: The Guardian 03.06.2017).

Sicherheitsbehörden in Afghanistan

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9.2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

Grundversorgung/Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11.2016).

Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9.2016).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9.2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9.2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9.2016).

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

Medikamente

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

Rückkehr

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt (Khaama Press 17.1.2017).

Verkehrsinfrastruktur Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013).

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

1.2.2. Zur Frage der Religionsfreiheit in Afghanistan:

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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