TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/19 W132 2115183-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2018
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Entscheidungsdatum

19.02.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §1 Abs3
VOG §10 Abs1
VOG §3

Spruch

W132 2115183-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, bevollmächtigt vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 sowie § 10 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 01.02.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am 14.09.2012 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung nunmehr:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gestellt und angegeben, als Kind während der Heimunterbringung einen Bruch der linken Hand erlitten zu haben, welcher schlecht behandelt worden sei.

1.1. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 02.01.2013 hat die belangte Behörde den Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1, § 6a und § 16 Abs. 10 VOG abgewiesen und begründend ausgeführt, dass die Voraussetzungen nicht vorlägen, weil die angeschuldigten Handlungen vor dem Stichtag 01.06.2009 erfolgten.

2. Die Beschwerdeführerin hat am 01.03.2013 bei der belangten Behörde unter Vorlage von Ausführungen zu den angeschuldigten Handlungen einen Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges gestellt. Von 23.08.1971 bis 26.07.1976 sei sie im Schloss Wilhelminenberg untergebracht gewesen, habe Erbrochenes essen und am WC schlafen müssen. Im Winter sei meistens die Heizung repariert worden. Sie sei mit dem Holzschlapfen und teilweise verknoteten, nassen Handtüchern geschlagen worden, was keine Spuren hinterlassen habe und besonders geschmerzt hätte. Die Kinder hätten nur Dienstag und Samstag frische Unterwäsche bekommen, welche aufgrund der Übergröße einen Zwickel bewirkt hätten, im Winter seien von der Beschwerdeführerin als ekelhaft empfundene "Pumpernellas" ausgeteilt worden. Privatkleidung sei nur am Ausgangssonntag erlaubt gewesen, die Kinder seien gestraft und geschlagen worden, wenn ein Teil im Kasten aufgefunden worden sei. Beim, lediglich alle ein bis zwei Wochen zugestandenen, Duschen hätten sich die Kinder vor der Erzieherin nackt im Kreis drehen müssen, welche schaute, ob die Kinder auch immer und überall eingeseift sind. Die Duschen hätten sich im schauerhaften Keller befunden. In der Krankenstation seien die Fenster vergittert gewesen, die Kinder seien oft eingesperrt worden und die Krankenschwestern hätten sich entfernt. Wenn mehrere Kinder anwesend gewesen seien, seien diese getrennt eingesperrt worden. Bei den ärztlichen Untersuchungen hätten sich die Kinder immer ausziehen müssen, auch wenn nur die Ohren betroffen gewesen seien. Wenn die Mädchen menstruierten, hätten sie lediglich drei Binden erhalten. Die Kinder hätten an jedem ersten und dritten Sonntag Ausgang gehabt, die anderen Sonntage wären sie in die Kirche gegangen, sie hätten ohne reden zu dürfen, wie im Gleichschritt gehen müssen. Der Portier und Hausarbeiter sei zwar sehr nett gewesen, habe sich aber oft in der Nähe der Kinder befunden, auch wenn diese geduscht haben. Den Kindern sei, außer an Ausgangssonntagen, wenn sie abgeholt worden sind, untersagt worden den Eingang über die Hauptstiege zu betreten. Die Kinder seien belohnt worden, indem sie die Verpackung der Butter oder der Sauermilch hätten ausschlecken oder die Blumen hätten gießen dürfen. Die Beschwerdeführerin hätte mit zwei Besen im Kreuz stundenlang am Gang auf- und abgehen müssen.

Von 28.11.1968 bis 23.08.1971 sei sie in Biedermannsdorf untergebracht gewesen, die Kinder hätten auf Holzscheiten knien müssen, seien mit dem Rohrstab auf die Fingerkuppen geschlagen worden, hätten Erbrochenes essen müssen, als WC-Papier sei lediglich Zeitungspapier zur Verfügung gestellt worden, die Kinder hätten Wäsche stopfen müssen, ansonsten sie bestraft worden wären, hätten jeden Tag den großen Schlafzimmerboden polieren müssen und Verstorbenen im Altenheim eine Kreuz auf die Stirne machen müssen.

Infolge der Heimaufenthalte habe die Beschwerdeführerin seelische und körperliche Gesundheitsschädigungen erlitten. Im Jahr 1973 habe sie sich die Hand gebrochen, welche nie wieder funktionstüchtig geworden sei. Die damals empfundenen Schmerzen seien jedem egal gewesen.

2.1. Mit dem Schreiben vom 28.02.2013 hat die Beschwerdeführerin angegeben, sich von 1964 bis 1977 in der Obhut der Gemeinde Wien sowie kirchlicher Einrichtungen befunden zu haben. Vom Psychologischen Dienst der MA 11 sei im Jahr 1968 eine durchschnittliche Begabung festgestellt worden. Eine neuerliche Testung im Jahr 1970 habe einen nicht nachvollziehbaren Wert von IQ 83 mit dem Beisatz "grenzdebil" ergeben. Die Beschwerdeführerin vermute, dass daraus folgend aus Desinteresse an ihrer Person keinerlei Versuche unternommen worden seien, um der Verschlechterung auf den Grund zu gehen, sondern sei lediglich eine Überstellung zur Pflegestelle Wilhelminenberg mit Sonderschule erfolgt. Durch diese Fehleinstufung sei die schulische und berufliche Laufbahn der Beschwerdeführerin negativ beeinflusst worden. Weiters habe sich die Beschwerdeführerin im Jahr 1973 bei einem Sturz das linke Handgelenk gebrochen. Die medizinische Nachbehandlung sei derart mangelhaft erfolgt, dass die Beschwerdeführerin nach der Heimzeit wegen ständiger Schmerzen und Probleme selbst bei den einfachsten Bewegungen der Hand, noch ca. zehn Mal habe operiert werden müssen und sie die Hand bis jetzt nicht mehr normal gebrauchen könne. Im Heim sei die Beschwerdeführerin als hypochondrisch und wehleidig eingestuft worden.

Als die Beschwerdeführerin eine Lehrstelle angetreten habe, sei die Lehrlingsentschädigung in Höhe von ATS 1.390,--, bis auf ein Taschengeld in Höhe von ATS 365,--, einbehalten worden. Ihr sei vermittelt worden, dass diese Lehrlingsentschädigung als Starthilfe bei der Entlassung aus der staatlichen Obsorge angespart würde. Beim Verlassen des Heimes habe die Beschwerdeführerin jedoch nur ein Sparbuch mit einer Einlage in Höhe von ATS 2.200,-- erhalten. Die Heimkinder seien damals auch nie auf das Leben außerhalb des Heimes vorbereitet worden und hätte die Beschwerdeführerin dadurch große Probleme gehabt, ihr Leben zu meistern.

Es sei unbestritten, dass die Heimkinder von den Erziehern geschlagen, erniedrigt und drangsaliert worden seien.

Die Aussage der Betreuer in der "Stadt des Kindes", um vor dem 18. Lebensjahr das Heim verlassen zu können müsse man heiraten und Kinder gebären, sei für den weiteren Lebensweg nicht förderlich gewesen, da die Beschwerdeführerin diesen "Rat" befolgt, mit 16 Jahren geheiratet habe und mit 17 Jahren das erste Kind geboren habe.

Nachstehend angeführte Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

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Schreiben des Weißen Ring von Februar 2012 - Zuerkennung einer Entschädigung durch die Stadt Wien in Höhe von € 20.000 und in Form von Kostenübernahme für 20 Therapiestunden

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Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt vom 28.08.2012 betreffend Ausgleichszulage

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Kontoauszug betreffend Pensionsbezug

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Gehaltszettel August und September 1976

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Unfallmeldung vom 23.11.1973, Bruch der linken Hand im Zuge Eislaufunterricht

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Befund und Gutachten MA 11 - Jugendamt, Psychologischer Dienst, vom 20.11.1968

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Befund und Gutachten MA 11 - Jugendamt, Psychologischer Dienst, vom 21.12.1970

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Karteikarte MA 11 - Jugendamt

2.2. Auf Ersuchen der belangten Behörde hat der Weiße Ring den Clearingbericht, basierend auf Gesprächen am 20.10.2011 und am 22.12.2011, betreffend die Heimunterbringung der Beschwerdeführerin in den Jahren 1968-1970 und 1971-1976 vorgelegt.

2.3. Zur Überprüfung der Berufslaufbahn und der Einkommenssituation der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde die nachstehend angeführten Beweismittel eingeholt:

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Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung zum Stichtag 14.03.2013

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Unterlagen der Pensionsversicherungsanstalt zur Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit

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Psychotherapeutischer Befund XXXX vom 15.05.2013

2.4. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16.12.2013 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Unter Bekanntgabe der erteilten Vollmacht hat die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben und die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Psychiatrie beantragt.

2.5. Auf Ersuchen der belangten Behörde, hat die Wiener Gebietskrankenkasse Unterlagen betreffend Krankenstände und Krankheiten der Beschwerdeführerin ab dem Jahr 1977 übermittelt.

2.6. In der Folge wurden nachstehend angeführte Beweismittel in Vorlage gebracht:

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Psychotherapeutischer Befund XXXX vom 15.05.2013

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Neuropsychiatrischer Befundbericht Dris. XXXX vom 01.10.2013

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Neurologischer Befund Dris. XXXX vom 24.07.2013 und Überweisung für ein NLG

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Auszug aus dem Endbericht der Kommission Wilhelminenberg vom Juni 2013

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Überweisung für Schlaflabor vom Juli 2013

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Unfallmeldung vom 23.11.1973, Bruch der linken Hand im Zuge Eislaufunterricht

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Liste über Behandlungen der Beschwerdeführerin von 1962 bis 2013

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Röntgen der linken Hand

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Unfallchirurgischer Befundbericht Dris. XXXX vom 18.06.2008

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Operations- und Entlassungsbericht Privatklinik Döbling betreffend die Operation der linken Hand am 26.04.2006

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Befundbericht Diagnosezentrum Floridsdorf vom 07.08.2006

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Operationsbericht Privatklinik Döbling betreffend die Operation der linken Hand am 09.12.2006

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Unfallchirurgischer Befundbericht Dris. XXXX vom 03.01.2007

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Unfallchirurgischer Befundbericht Dris. XXXX vom 19.09.2007

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Röntgenbefund des linken Unterarmes vom 09.05.2007

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Unfallchirurgischer Befundbericht Dris. XXXX vom 29.10.2007

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Entlassungsbericht Privatklinik Döbling vom 25.01.2008

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Röntgenbefund des linken Unterarmes vom 01.04.2008

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Röntgenbefund des linken Unterarmes vom 05.05.2008

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Entlassungsbericht Privatklinik Döbling vom 14.12.2006

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Unfallchirurgischer Befundbericht Dris. XXXX vom 17.08.2006

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Unfallbericht SMS Ost betreffend Sturz auf das linke Handgelenk am 07.03.2006

2.7. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Unfallchirurgie, und Dr. XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, basierend auf den persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.03.2014 bzw. 25.04.2014, mit dem Ergebnis eingeholt, dass mangels geeigneter medizinischer Unterlagen die Kausalität der Funktionseinschränkung der linken Hand nicht beurteilt werden könne, das Wirbelsäulenleiden akausal beurteilt werde, Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit aufgrund der Probleme des Bewegungsapparates bestehe, die psychiatrischen Gesundheitsschädigungen (PTBS, chronische Depression, Selbstverletzung) mit Wahrscheinlichkeit als verbrechenskausal beurteilt würden und der berufliche Werdegang durch das verbrechenskausale Leiden maßgeblich beeinflusst worden sei, weil die Beschwerdeführerin als "Flucht" aus der Heimunterbringung eine frühe Ehe und Schwangerschaft gewählt habe, wodurch sie am Abschluss der Lehre gehindert worden sei und eine erfolgreiche berufliche Laufbahn zusätzlich durch das "Abstempeln" als grenzdebil und mangels schulischer Förderung verhindert worden sei.

2.8. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom Juli 2014 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht, und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. Zum beantragten Verdienstentgang wurde ausgeführt, dass dieser primär aus den körperlichen Einschränkungen resultiere und im Versicherungsverlauf maximal 20 Monate der Arbeitslosigkeit aufscheinen würden, welche bei der Berechnung eines allfälligen Verdienstentganges in Form eines Pensionsschadens fiktiv als Beitragsmonate zu berücksichtigen seien, sich daraus jedoch kein Verdienstentgang errechne, da die fiktive Pension über dem derzeitigen Anweisungsbetrag liegen müsste (I-Pension und Ausgleichszulage), was bei zusätzlichen 20 Versicherungsmonaten ausgeschlossen werden könne. Die Zeiten der Kindererziehung seien bei der Berechnung der Pensionshöhe bereits berücksichtigt worden und würden somit nicht zu einer weiteren Erhöhung der Bemessungsgrundlage führen. Daher könne die Berücksichtigung der kausalen psychischen Gesundheitsschädigungen zu keiner Ersatzleistung nach dem VOG führen.

Die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin hat dagegen Einwendungen erhoben. Im Wesentlichen wurde unter Wiederholung des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu den erlittenen Misshandlungen vorgebracht, dass Personen, welche im Kindesalter schwer misshandelt und missbraucht worden seien, als Erwachsene anfälliger für chronische anhaltende Schmerzerkrankungen, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, neurologische Störungen usw. seien. Diese Folgeschäden würden häufig erst viele Jahre nach den erlebten Misshandlungen auftreten. Daher seien auch das Wirbelsäulenleiden, der Beckenschiefstand mit Rundrückenbildung, das Asthma Bronchiale, der Bluthochdruck, die Epilepsie, die Gallenblasenentfernung, die Sectio, das Sulcus ulnaris Syndrom, die chronische Dorsolumbalgie usw. als verbrechenskausale Folgeschäden zu sehen.

Den Ausführungen der belangten Behörde zum Verdienstentgang in Bezug auf die kausalen psychiatrischen Leiden werde widersprochen, weil die Beschwerdeführerin bei schadensfreiem Verlauf eine aussichtsreiche Ausbildung absolvieren und eine höher dotierte Laufbahne einschlagen hätte können. Sohin sei fiktiv von einer höheren Bemessungsgrundlage für die Pension auszugehen. Auch hänge die Höhe der Ausgleichszulage vom Einkommen des Ehepartners ab.

Bei schadensfreiem Verlauf wären die Krankenstandszeiten und die Arbeitslosigkeit nicht entstanden und wäre die Beschwerdeführerin nicht gezwungen gewesen Invaliditätspension zu beziehen, sondern hätte bis zum regulären Pensionsantritt im Erwerbsleben bleiben und regelmäßig eine höhere Entlohnung erwirtschaften können.

2.9. Auf Ersuchen der belangten Behörde, die Behandlungsunterlagen betreffend den Speichenbruch am 22.01.1973 zu übermitteln, hat das Wilhelminenspital der Stadt Wien mitgeteilt, dass keine Unterlagen mehr vorlägen, weil Krankengeschichten nur 30 Jahre und Ambulanzakte nur 10 Jahre aufbewahrt würden.

Mit dem Schreiben vom 02.10.2014 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Beischaffung der Krankenunterlagen zum Speichenbruch nicht möglich gewesen sei und das diesbezügliche Vorbringen daher nicht habe objektiviert werden können, weshalb eine Berücksichtigung nicht erfolgen könne.

2.10. Am 11.11.2014 hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin das Protokoll der kontradiktorischen Zeugeneinvernahme am 07.10.2014 betreffend die angeschuldigten Vorfälle während des Heimaufenthaltes Wilhelminenberg vorgelegt.

2.11. Mit dem Schreiben vom 25.11.2014 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Aufforderung vom 02.10.2014 in Erinnerung gerufen.

2.12. Am 15.12.2014 hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin zur Urgenz der belangten Behörde vom 25.11.2014 mit Hinweis auf den Clearingbericht des Weißen Ringes, den Privatbeteiligtenbeschluss der Beschwerdeführerin im Strafverfahren, den Bericht der Kommission Wilhelminenberg und den Gerichtsakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, insbesondere das Protokoll der kontradiktorischen Zeugeneinvernahme am 07.10.2014 ausgeführt, dass die Schilderungen der Beschwerdeführerin bereits mehrfach objektiviert worden seien. Die Beschwerdeführerin sei der Sonderschule zugewiesen worden, habe infolge der Misshandlungen die Pflichtschule nicht abschließen können und seien ihr lediglich drei mögliche Lehrberufe zur Auswahl gestellt worden. Die Beschwerdeführerin hätte sich schließlich entschlossen, die Lehre als Verkäuferin zu beginnen, wobei sie diese Lehre nie habe abschließen können. Die einzige Möglichkeit dem Heim zu entkommen, hätte darin bestanden eine Ehe und frühe Schwangerschaft zu wählen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin ihre Lehre fortgesetzt, habe diese infolge der Misshandlungen jedoch nicht abschließen können. In der Folge hatte die Beschwerdeführerin berufliche Schwierigkeiten und Probleme eine geeignete Anstellung zu finden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie als Sonderschul- bzw. Heimkind "abgestempelt" worden sei. Aus dem Versicherungsdatenauszug gehe hervor, dass sie nur kurzzeitigen Tätigkeiten nachgegangen sei. Zudem sei sie auch durch zahlreiche Krankenstände wegen verbrechenskausaler Leiden daran gehindert gewesen, beruflich Fuß zu fassen. Zu den Gesundheitsschädigungen wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Ohne die auf die Misshandlungen im Heim zurückzuführenden Gesundheitsschädigungen wäre der Beschwerdeführerin ein Lehrabschluss und eine kontinuierliche Beschäftigung möglich gewesen.

Nachstehend angeführte Beweismittel in Vorlage gebracht:

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Schulleistungen 1967-1974

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Versicherungsdatenauszug

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Krankenstandsbescheinigungen der Wr. GKK für die Zeit 09.09.2008 bis 14.04.2009 und 16.07.2007 bis 27.06.2008

2.13. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.03.2015 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht, und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. Im Wesentlichen zusammengefasst wurde ausgeführt, dass davon ausgegangen werde, dass die Beschwerdeführerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Opfer einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG geworden sei. Die der Pensionszuerkennung zugrunde gelegten physischen Leiden (linke Hand, degenerative Wirbelsäulenveränderungen) seien jedoch nicht auf das Verbrechen zurückzuführen. Das festgestellte psychiatrische Leiden sei zwar verbrechenskausal, daraus resultiere jedoch nicht die Arbeitsunfähigkeit. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens belege auch nicht, dass das psychiatrische Leiden in größerem Ausmaß Einfluss auf den beruflichen Werdegang gehabt hätte. Auch der Versicherungsverlauf und die vorgelegten Schulzeugnisse würden einen kausalen Verdienstentgang nicht wahrscheinlich erscheinen lassen.

2.14. Mit dem Schriftsatz vom 10.04.2015 wurden von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass einerseits der Beschwerdeführerin nur der Besuch der Sonderschule offen gestanden habe und die belangte Behörde andrerseits die beträchtliche Anzahl an versäumten Schultagen, welche durch die Misshandlungen verursacht worden seien, übersehe. Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass das psychiatrische Leiden keinen größeren Einfluss auf den beruflichen Werdegang gehabt hätte, weil in den von der Krankenkasse eingeholten Unterlagen keine einschlägigen Krankenstände aufscheinen würden, sei unzulässig. Der Beschwerdeführerin sei von den Erzieherinnen nämlich verboten worden über ihre Erlebnisse im Heim zu sprechen, ansonsten sie ins psychiatrische Zentrum des Otto-Wagner-Spitals gesperrt werde. Sie habe sich darob in einer psychischen Zwangslage befunden und sich aus Angst vor "Steinhof" als Kind niemandem anvertraut. In der Folge sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen die Geschehnisse, welche den intimsten Persönlichkeitsbereich betreffen würden, zu verarbeiten. Sie habe die Erlebnisse verdrängt, um sich selber zu schützen Erst im Zuge der medialen Berichterstattung sei ihr das Erlebte bewusst geworden, welches sie bis dahin gänzlich verdrängt habe. Vor diesem Hintergrund sei nicht zu erwarten, dass in ärztlichen Befunden psychiatrische Leiden als Krankheitsursache festgehalten werden. Darüber hinaus würden körperliche Leiden, wie bereits ausgeführt, oftmals seelisch ausgelöst, seien also als psychosomatisch anzusehen.

2.15. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 sowie § 10 Abs. 1 VOG mit der Begründung abgewiesen, dass kein verbrechenskausaler Verdienstentgang habe festgestellt werden können.

3. Gegen diesen Bescheid hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurden im Wesentlichen der Verfahrensgang dargelegt und das bisherige Vorbringen bzw. die erhobenen Einwendungen wiederholt. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde fälschlich vom Kalkül der erheblichen Wahrscheinlichkeit ausgehe, jedoch eine geringe Wahrscheinlichkeit genüge. Im Übrigen habe die Sachverständige Dr. XXXX festgestellt, dass aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigung ein normaler Beschäftigungsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich gewesen wäre. Die belangte Behörde habe sich sachwidrig über diese gutachterliche Bewertung hinweggesetzt. Auch sei die Beschwerdeführerin bereits im Alter von dreieinhalb Jahren, sohin lange vor der Einschulung, erstmals in einem Kinderheim der Stadt Wien untergebracht gewesen und habe Traumatisches erlebt. Unberücksichtigt sei auch der Umstand geblieben, dass die Höhe der Leistungen aus der Pensionsversicherung mit dem im aktiven Erwerbsleben erzielten Einkommen verknüpft werde. Hätte die Beschwerdeführerin die Lehre nicht aus verbrechenskausalen Gründen die Lehre abgebrochen, hätte sie während ihres aktiven Erwerbslebens ein höheres Einkommen erzielt, was sich schließlich in der Höhe der Leistungen aus der Pensionsversicherung niedergeschlagen hätte. Der von der Beschwerdeführerin erlittene Verdienstentgang ergebe sich somit aus dem infolge der kausalen psychischen Schädigungen erzielten niedrigen Einkommen während ihres aktiven Erwerbsleben einerseits und der daraus resultierenden niedrigeren Bemessungsgrundlage für die Leistungen aus der Pensionsversicherung andererseits. Rechtsirrig habe die belangte Behörde auch die strafrechtliche Qualifikation der durch die Erzieherinnen gesetzten Handlungen vorgenommen, weil auch Untätigkeit bzw. Unterlassung Straftatbestände erfülle. Es sei zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen, die Beschwerdeführerin habe auch vorgebracht, dass sich die Erzieherinnen beharrlich geweigert hätten, Hilfe zu leisten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde sohin zu der Ansicht gelangen müssen, dass die Fehlbehandlung des Knochenbruches der Beschwerdeführerin durch die Erzieherinnen ein strafrechtlich relevantes, vorsätzliches Verhalten darstellen, wodurch - entgegen der unrichtigen Rechtsansicht der Behörde - die Voraussetzungen des § 1 VOG erfüllt seien. Zudem hätte das Landesgericht für Strafsachen Wien im Ermittlungsverfahren in der Causa Wilhelminenberg zu GZ XXXX festgestellt, dass aufgrund der Ermittlungen Verdachtsmomente gegen die Erzieherinnen betreffend vorsätzlicher Taten gegen die körperliche Integrität (insbesondere Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB bzw. des Vergehens des Quälens junger oder wehrloser Personen nach § 92 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 und 2 StGB) bestünden.

Die belangte Behörde habe auch ihre Ermittlungspflicht verletzt, indem Erhebungen zu den körperlichen Gesundheitsschäden als Folgeschäden und zur verbrechenskausalen psychologische Hemmung, lange Zeit nicht in der Lage gewesen zu sein, das ihr Widerfahrene zu realisieren und über diese Erlebnisse zu sprechen, unterblieben seien. In der Folge hätte geprüft werden müssen, inwieweit in der Krankengeschichte der Beschwerdeführerin dadurch keine diesbezüglichen Einträge enthalten sind, und ob ein Kausalzusammenhang der erlebten Traumata mit den schulischen Leistungen der Beschwerdeführerin bestünde. Aus Sicht der Beschwerdeführerin habe sich die belangte Behörde, wenn überhaupt, nur teilweise und in nicht nachvollziehbarer Weise, mit für die Beschwerdeführerin günstigen Sachverhaltensmomenten auseinandergesetzt. Eingaben und Beweisanträge der Beschwerdeführerin seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch seien die im eingeholten Pflegschaftsakt des Magistrats der Stadt Wien aufliegenden Gutachten von Dr. XXXX und Dr. W. XXXX nicht berücksichtigt worden. Es sei erforderlich, ein medizinisches Sachverständigengutachten im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen den körperlichen Leiden und den erlittenen Misshandlungen bzw. Traumatisierungen einzuholen und eine Gutachtenserörterung mit Dr. XXXX und Dr. XXXX durchzuführen.

Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

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Gutachten Dris. W. XXXX vom 21.12.1970

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Gutachten Dris. XXXX vom 20.11.1968

3.1. Mit dem Schriftsatz vom 09.11.2015 wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin ein Schreiben der Universität Wien samt Zwischenbericht zum Projekt "Wiener Heimstudie" vom 30.09.2015 vorgelegt. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass durch diesen Bericht die Beeinflussung des schulischen bzw. beruflichen Werdeganges der Heimkinder eindrucksvoll dokumentiert werde, nämlich dass rund der Hälfte aller Personen eine geregelte Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen sei. Zudem ergebe sich aus dem Zwischenbericht, dass die klare Mehrheit (90 %) zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Erwachsenenlebens an einer psychischen Erkrankung gelitten habe, wobei knapp die Hälfte derzeit weiterhin von einer psychischen Erkrankung betroffen sei.

3.2. Mit dem Schriftsatz vom 07.11.2017 brachte die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin einen Fristsetzungsantrag ein.

Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.12.2017, Zl. Fr 2017/11/0016-2 wurde der Fristsetzungsantrag dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 Abs. 4 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten das Erkenntnis/den Beschluss zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Erkenntnisses/Beschlusses an die antragstellende Partei, dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

3.3. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2017 wurden die Beschwerdeführerin, deren bevollmächtigte Vertretung und die belangte Behörde zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.02.2018 geladen.

3.4. Mit dem Schriftsatz vom 15.01.2018 hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin bei einem fiktiven schadensfreien Verlauf eine Führungstätigkeit im Management, insbesondere als Filialleitung im Einzelhandel, hätte ausüben und monatlich € 2.800,00 netto ins Verdienen bringen können. Als Beweis möge ein berufskundliches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Seit Juli 2017 beziehe die Beschwerdeführerin eine monatliche Rente nach dem Heimopferrentengesetz in Höhe von € 300,00.

3.5. Am 01.02.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin und deren bevollmächtigte Vertretung teilnahmen. Die belangte Behörde hat nicht an der Verhandlung teilgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX geboren, war von 17.11.1964 bis 11.08.1967 im Zentralkinderheim der Stadt Wien (ZKH), von 26. 09.1968 bis 28.11.1968 im Julius Tandler Heim, von 28.11.1968 bis 23.08.1971 im Heim Biedermannsdorf, von 23.08.1971 bis 26.07.1976 im Heim Wilhelminenberg und von 26.07.1976 bis 18.10.1977 im Heim "Stadt des Kindes" untergebracht. Im Zeitraum von 1964 bis 1967 war die Beschwerdeführerin nicht nur im ZKH sondern auch bei Pflegefamilien untergebracht und hat ab 30.08.1967 bis Oktober 1968 bei Ihrer Mutter und Ihrem Stiefvater gelebt.

In Biedermannsdorf hat die Beschwerdeführerin häufig gewaltsame Strafen erlitten, wie zB "Holzscheitl knien", Schläge mit der Hand und einem Rohrstab sowie den Zwang, Erbrochenes essen zu müssen. Während der Unterbringung im Heim Wilhelminenberg war sie regelmäßig massiven gewaltvollen Übergriffen ausgesetzt. Die dortigen Erzieherinnen haben u.a. den damaligen Nachnamen verhöhnt, die Beschwerdeführerin zum Essen von Erbrochenem gezwungen, regelmäßig mit Händen, Holzschlapfen und nassen Handtüchern geschlagen, und mit dem Kopf ins kalte Wasser getaucht und in dieser Position gehalten. Sie trug durch die Schläge teilweise blaue Flecken und Platzwunden davon. Als Strafen fungierten weiters Übernachtungen auf der Toilette, das Verharren in der "Schranzhocke" und das Stehen im Dunkeln zwischen Türen. Eine Erzieherin, von der die Beschwerdeführerin neben den erwähnten Strafen auch gelegentlich mit Schlüsselbund, Schere und Holzschlapfen beworfen wurde, ist ihr am brutalsten in Erinnerung. Die hygienischen Bedingungen erlebte sie als unzureichend, weil sie nur einmal in der Woche duschen gehen konnte und zu wenig Toilettenpapier sowie Damenbinden hatte. Zudem nahm die Beschwerdeführerin Demütigungen in ihrer privaten bzw. sexuellen Sphäre wahr (mangelnde Privatsphäre bei der Körperhygiene, nicht adäquate Unterbekleidung, Entkleiden bei ärztlichen Untersuchungen, unabhängig von den vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden).

Im Alter von sechs Jahren wurde die Beschwerdeführerin von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht.

Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen insofern vor, als die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist und mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sie Opfer einer mit einer zum Entscheidungszeitpunkt mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung geworden ist und eine schwere Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten hat.

Ein Ausschlussgrund gemäß § 8 VOG liegt nicht vor.

Als Folge der erlittenen Misshandlungen wird eine Posttraumatische Belastungsstörung mit chronischer Depression und Selbstverletzung (sich selbst zwanghaft ständig kratzend, bis blutige Wunden bestehen) festgestellt.

Am 22.11.1973 brach sich die Beschwerdeführerin den Speichenknochen am linken Handgelenk. Die Hand wurde für zwei Wochen eingegipst und damit ruhig gestellt. Es kam jedoch zu keinem ordentlichen Heilungsverlauf des Handgelenks. Die Beschwerdeführerin war wiederholt von Schmerzen geplagt und es waren nach ihrer Heimzeit noch über zehn Operationen notwendig. Nach einem neuerlichen Sturz im Jahr 2006 wurde das Ulnaris-Köpfchen entfernt und dann eine zweifache Fixierung angebracht. Nach dem Sturz 2006 sind noch drei Operationen an der linken Hand erfolgt.

In der Zeit nach der Heimunterbringung erreichten die Funktionseinschränkungen der linken Hand kein so schweres Ausmaß, welches die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin maßgebend eingeschränkt hätte.

Der Zuerkennung der Invaliditätspension wurden als Hauptleiden Zustand nach zahlreichen Operationen am linken Handgelenk wegen schmerzhafter Abnützung, chronische Dorsolumbalgie bei Fehlhaltung und Beckenschiefstand mit Rundrückenbildung ohne neurologische Ausfälle, zugrunde gelegt.

Als weitere körperliche Leiden wurden von der Beschwerdeführerin Asthma Bronchiale, Bluthochdruck, Epilepsie, Gallenblasenentfernung, Sectio, Sulcus ulnaris Syndrom, chronische Dorsolumbalgie usw. vorgebracht.

Das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der linken Hand, welche die Arbeitsfähigkeit maßgebend einschränkt sowie die übrigen körperlichen Leiden, sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die festgestellten Verbrechen zurückzuführen.

Die Beschwerdeführerin hat die Sonderschule besucht, ist in der dritten Hauptschule ausgetreten, begann eine Lehre als Verkäuferin, hat mit 17 Jahren ihr erstes Kind, eine Tochter, zur Welt gebracht und während der Karenz weiterhin die Berufsschule besucht. Mit 18 Jahren hat sie einen Sohn geboren, welcher am 24.08.1979 im Alter von drei Monaten verstarb. Danach hat die Beschwerdeführerin die Lehre abgebrochen. Sie hat ihre Ausbildung nicht fortgeführt bzw. nachgeholt, weil sie durch den Tod des Sohnes und einer schweren Erkrankung der Tochter, welche beinahe verstorben wäre, nervlich am Ende war. Desweiteren war sie, mangels finanzieller Unterstützung durch einen Partner, darauf angewiesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. 1980 wurde die Beschwerdeführerin geschieden. Die Tochter wuchs bei der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin auf, weil ihr als Heimkind das Sorgerecht nicht zuerkannt wurde.

Im Jahr 1982 hat die Beschwerdeführerin einen Sohn geboren, sich jedoch nach eineinhalb Jahren von dessen Vater getrennt. Ihr wurde auch das Sorgerecht für ihren Sohn nicht zuerkannt.

Am 17.07.1991 hat die Beschwerdeführerin wieder geheiratet.

Die Beschwerdeführerin war in unterschiedlichen Branchen tätig, u.a. als Reinigungskraft, als Kellnerin und im Verkauf. Die Beschwerdeführerin war bis zur Pensionierung (ab 01.02.2009) 33 Monate arbeitslos.

Der häufige Wechsel der Dienstverhältnisse wurde primär durch zahlreiche Krankenstände verursacht. Die Krankenstände wurden durch körperliche Gesundheitsschädigungen verursacht.

Es kann weder festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin die Lehre aus verbrechenskausalen Gründen abgebrochen hat, noch ist die der Zuerkennung der Invaliditätspension zugrunde gelegte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die erlittenen Verbrechen zurückzuführen. Der Berufsverlauf der Beschwerdeführerin wurde durch die verbrechenskausalen Leiden auch nicht maßgebend negativ beeinflusst.

Der Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges ist am 01.03.2013 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die vorgelegten und eingeholten Unterlagen (Akten der Jugendwohlfahrt, Verfahren betreffend die Entschädigungsleistung der Stadt Wien und die Zuerkennung der Invaliditätspension, medizinische Befunde, Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung und Meldung der Wiener Gebietskrankenkasse) sowie auf das im Verfahren erstattete Vorbringen.

Die Feststellungen zum Lebenslauf sowie zum Ausbildungs- und Beschäftigungsverlauf wurden nicht bestritten.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX sind hinsichtlich des erhobenen Befundes sowie der Beurteilung des orthopädischen und psychiatrischen Beschwerdebildes der Beschwerdeführerin vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen. Die vorgelegten medizinischen Beweismittel stehen dazu nicht im Widerspruch.

Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung in Zweifel zu ziehen.

Das Vorbringen, die körperlichen Funktionseinschränkungen (chronische Dorsolumbalgie bei Fehlhaltung und Beckenschiefstand mit Rundrückenbildung ohne neurologische Ausfälle zugrunde, Asthma bronchiale, Bluthochdruck und Epilepsie), seien als somatische Folgeerscheinungen auf die erlittenen Misshandlungen zurückzuführen, wurde ohne Vorlage von Beweismitteln, lediglich pauschal erstattet.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit des psychiatrischen Leidens für den Berufsverlauf der Beschwerdeführerin stellt eine Rechtsfrage dar, siehe dazu die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen persönlich glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Sie hat den Senat davon überzeugt, von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht worden zu sein. Sie hat die Vorfälle nachvollziehbar dargelegt und war sichtlich erschüttert, als der Senat sie ersucht hat, davon zu berichten.

Die Beschreibung der Umstände, welche zum Abbruch der Lehre geführt haben und die Beschwerdeführerin in der Folge die Ausbildung nicht fortsetzten ließen, war nachvollziehbar und plausibel. Auch dass sie aus Angst, gegen ihren Willen in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen zu werden, lange nicht über die erlittenen Misshandlungen sprechen wollte, hat die Beschwerdeführerin anschaulich und widerspruchfrei ausgeführt. Sie hat authentisch geschildert, dass sie sich während der Ausbildung und im Berufsleben dadurch benachteiligt fühlte, dass sie sich als Heimkind und Sonderschülerin abgestempelt fühlte.

Es ist auch festzuhalten, dass die belangte Behörde zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und auch sonst kein Vorbringen erstattet hat, welches geeignet wäre, diese Angaben der Beschwerdeführerin allenfalls in Zweifel zu ziehen.

Das Beschwerdevorbringen, der Ausbildungs- und Beschäftigungsverlauf der Beschwerdeführerin hätte sich bei fiktivem schadensfreien Verlauf, maßgebend günstiger gestaltet, wird durch den objektivierten Lebenslauf der Beschwerdeführerin entkräftet. Es liegen keine Beweismittel vor, welche zu den getroffenen Feststellungen im Widerspruch stehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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