Entscheidungsdatum
20.02.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W235 2151364-1/19E
W235 2151370-1/15E
W235 2151368-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. mj. XXXX, geb. XXXX und 3. mj. XXXX, geb. XXXX,
2. und 3. gesetzlich vertreten durch: XXXX, alle StA. Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2017, Zl. 1133611205-161474671 (ad 1.), Zl. 1133611401-161474825 (ad 2.) sowie Zl. 1133608210-161474850 (ad 3.) zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz werden zugelassen und die bekämpften Bescheide werden behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Iran. Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam mit dem - zwischenzeitig getrennt lebenden - Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweit- und Drittbeschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 27.10.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres hat ergeben, dass der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer von der französischen Botschaft in Teheran Schengen-Visa für 15 Tage im Zeitraum XXXX09.2016 bis XXXX10.2016 erteilt worden waren.
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 31.10.2016 auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Frankreich.
Mit Schreiben vom 29.11.2016 stimmte die französische Dublinbehörde der Aufnahme aller drei Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
1.3. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 06.12.2016 wurde der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Frankreich angenommen werde.
2. Nach Durchführung von Ermittlungsverfahren wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Frankreich zulässig ist.
3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin (gemeinsam mit ihrem Ehegatten und für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer) im Wege ihrer bevollmächtigten Vertretung fristgerecht am 23.03.2017 Beschwerde und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Vorgebracht wurde unter anderem, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte derzeit getrennt leben würden und vorhätten, sich in Österreich scheiden zu lassen, wobei ihnen mitgeteilt worden sei, dass dies im Zulassungsverfahren nicht möglich sei.
4. Der getrennt lebende Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin (bzw. Vater der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer) wurde am XXXX04.2017 auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt und ist gegenwärtig nach wie vor in Frankreich aufhältig.
5. Mit Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 11.05.2017 wurde bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführer am selben Tag gemeinsam nach Frankreich überstellt wurden.
6.1. Am 08.06.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein als Beschwerdeergänzung bezeichneter Schriftsatz der Beschwerdeführer, eingebracht im Wege ihrer nunmehr bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertretung, ein, in welchem verfahrenswesentlich vorgebracht wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin die Scheidung von ihrem Ehegatten beim Bezirksgericht XXXX beantragt habe. Die Beschwerdeführer seien im Mai 2017 gegen ihren Willen nach Frankreich überstellt worden und am 26.05.2017 "auf eigene Faust" wieder nach Österreich zurückgereist.
Diese Beschwerdeergänzung wurde am 13.06.2017 per E-Mail vom Bundesverwaltungsgericht an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Kenntnisnahme weitergeleitet.
Mit E-Mail vom 22.06.2017 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, (offenbar irrtümlich) diese Beschwerdeergänzung seinerseits an das Bundesverwaltungsgericht.
6.2. Mit Schreiben vom 12.06.2017 legten die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin eine aktuelle Bestätigung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vor, der zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführer neuerlich in die Grundversorgung aufgenommen wurden.
7.1. Mit Verfahrensanordnung vom 30.11.2017 erging von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anfrage, ob sich die Beschwerdeführer sowie der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (bzw. Vater der Zweit- und Drittbeschwerdeführer) noch bzw. wieder im Bundesgebiet befinden, ob die Überstellung nach Frankreich erfolgt ist und ob bzw. wann die Überstellungsfrist abgelaufen ist.
7.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beantwortete diese Verfahrensanordnung dahingehend, dass die Überstellung nach Frankreich innerhalb der Überstellungsfrist erfolgt sei. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei am XXXX04.2017, die Beschwerdeführer seien am 11.05.2017 nach Frankreich überstellt worden. Am 08.06.2017 sei eine Beschwerdeergänzung erfolgt. In diesem Schriftsatz sei auch die beabsichtigte Scheidung bekannt gegeben worden. Ferner werde mitgeteilt, dass dem Bundesamt keine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet bekannt sei.
7.3. In der Folge wies das Bundesverwaltungsgericht mit Verfahrensanordnung vom 13.12.2017 das Bundesamt darauf hin, dass der Beschwerdeergänzung vom 08.06.2017 sehr wohl zu entnehmen ist, dass die nunmehrigen Beschwerdeführer neuerlich in Österreich eingereist seien und, dass auch aus diesem Grund die Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 ergangen ist. Ferner wurde darauf verwiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin seit dem 03.07.2017 wieder über eine aufrechte Meldung in Österreich verfügt. Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Zustimmung Frankreichs zur Aufnahme der Beschwerdeführer vom 29.11.2016 stamme und durch die Durchführung der Überstellung der Beschwerdeführer am 11.05.2017 konsumiert sei sowie, da nach der erneuten Einreise der Beschwerdeführer in Österreich kein neuerliches Konsultationsverfahren mit Frankreich geführt worden sei, das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Überstellungsfrist in den vorliegenden Fällen abgelaufen sei.
7.4. Mit Stellungnahme vom 29.12.2017 brachte das Bundesamt vor, dass nach Prüfung des Sachverhaltes davon ausgegangen werden dürfe, dass die Beschwerdeführer neuerlich und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist seien. Nach nunmehriger gesicherter Kenntnis des Aufenthalts sei am 29.12.2017 ein neuerliches Dublin Konsultationsverfahren mit Frankreich eingeleitet worden und sei mit der Zustimmung Frankreichs in Kürze zu rechnen. Nach erfolgter Zustimmung Frankreichs werde die Überstellung erfolgen. Eine Zuständigkeit Österreichs könne seitens des Bundesamtes aktuell nicht gesehen werden; vielmehr werde nach zu erwartender neuerlicher Zustimmung Frankreichs kein Raum für eine andere Sichtweise mehr bestehen. Der Sachverhalt betreffend das Scheidungsverfahren sei den französischen Behörden mitgeteilt worden.
Diese Stellungnahme war das auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestützte Wiederaufnahmegesuch beigelegt, dem allerdings das Datum der neuerlichen Einreise der Beschwerdeführer in Österreich (26.05.2017) nicht entnommen werden kann.
8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2018 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
9.1. Am 18.01.2018 fasste das Bundesverwaltungsgericht den hier dargelegten Verfahrensgang zusammen und übermittelte diese Zusammenfassung in Form einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an die Verfahrensparteien samt Einräumung einer dreiwöchige Frist zur Stellungnahme.
9.2. Mit Stellungnahme vom 08.02.2018 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters nach Wiederholung des wesentlichen Verfahrensganges unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-360/16 vom 25.01.2018 aus, dass der EuGH ausgesprochen habe, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Rückkehr ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaates Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein kann und es nicht möglich sei, ihn ohne Durchführung eines solchen Verfahrens erneut in den ersten Mitgliedstaat zu überstellen. Für das Wiederaufnahmeersuchen seien die Fristen des Art. 24 Dublin III-VO maßgeblich, sodass das Wiederaufnahmegesuch spätestens drei Monate nach Kenntnis von der Wiedereinreise gestellt werden müsse. Nach Ablauf dieser Frist sei der zweite Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig. In den gegenständlichen Verfahren betrage die Frist gemäß Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO drei Monate und sei spätestens am 13.09.2017 - nämlich drei Monate nach Kenntniserlangung der Wiedereinreise durch die belangte Behörde - abgelaufen. Daher sei die Zuständigkeit zur Führung der Asylverfahren auf Österreich übergegangen und den eingebrachten Beschwerden Folge zu geben. Ferner habe der EuGH klargestellt, dass die betreffende Person nach Verstreichen der Fristen des Art. 24 Dublin III-VO einen neuen Antrag stellen könne, für welchen der Mitgliedstaat zuständig sei, der nicht erneut um Wiederaufnahme ersucht habe und in dem sich die betreffende Person befinde. Die Beschwerdeführer würden daher neue Anträge auf internationalen Schutz in Österreich stellen.
9.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Iran und reisten gemeinsam mit dem - in der Zwischenzeit von der Familie getrennt lebenden - Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer in Besitz eines zum damaligen Zeitpunkt bereits abgelaufenen französischen Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 27.10.2016 Anträge auf internationalen Schutz.
Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens erteilte die französische Dublinbehörde mit Schreiben vom 29.11.2016 die ausdrückliche Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführer.
Am 19.04.2017 wurde der - von der Familie getrennt lebende - Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer nach Frankreich überstellt, wo er nach wie vor aufhältig ist.
Die Beschwerdeführer wurden am 11.05.2017 gemeinsam nach Frankreich überstellt. Am 26.05.2017 reisten die Beschwerdeführer selbstständig wieder zurück nach Österreich, wovon das Bundesamt am 13.06.2017 Kenntnis erlangt hat. Die Frist des Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO ist mit Ablauf des 13.09.2017 abgelaufen.
Obwohl das Bundesamt am 13.06.2017 Kenntnis von der Wiedereinreise der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet erlangt hat, erfolgte kein Ersuchen um Wiederaufnahme binnen dreimonatiger Frist an Frankreich, sodass eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Frankreich nicht mehr zulässig ist.
2. Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den jeweiligen Verwaltungsakten und zwar insbesondere aus den Unterlagen betreffend das Konsultationsverfahren, aus den Abschiebeberichten vom XXXX04.2017 und vom 11.05.2017 sowie aus dem E-Mail des Bundesverwaltungsgerichtes an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2017, mit welchem die Beschwerdeergänzung vom 08.06.2017 übermittelt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
3.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.
Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) [...]
Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Art. 24 Wiederaufnahmegesuch, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde
(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ohne Aufenthaltstitel aufhält und bei dem kein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, der Auffassung, dass ein anderer Mitgliedstaat gemäß Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.
(2) Beschließt ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, in Abweichung von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger eine Abfrage der Eurodac-System gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013, so ist das Gesuch um Wiederaufnahme einer Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b oder c dieser Verordnung oder einer Person im Sinne ihres Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe d, deren Antrag auf internationalen Schutz nicht durch eine endgültige Entscheidung abgelehnt wurde, so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von
Artikel 17 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu unterbreiten.
Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der ersuchende Mitgliedstaat festgestellt hat, dass ein anderer Mitgliedstaat für die betreffende Person zuständig sein könnte, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.
(3) Wird das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist unterbreitet, so gibt der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die betreffende Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, dieser Person Gelegenheit, einen neuen Antrag zu stellen.
(4) Hält sich eine Person im Sinne von Art. 18 Absatz 1 Buchstabe d dieser Verordnung, deren Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat durch eine rechtskräftige Entscheidung abgelehnt wurde, ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats auf, so kann der letzte Mitgliedstaat den früheren Mitgliedstaat entweder um Wiederaufnahme der betreffenden Person ersuchen oder ein Rückkehrverfahren gemäß der Richtlinie 2008/115/EG durchführen.
Beschließt der letzte Mitgliedstaat, den früheren Mitgliedstaat um Wiederaufnahme der betreffenden Person zu ersuchen, so finden die Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG keine Anwendung.
(5) Für das Gesuch um Wiederaufnahme der Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der Person enthalten muss, anhand derer die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist.
Die Kommission erstellt und überprüft regelmäßig im Wege von Durchführungsrechtsakten die beiden Verzeichnisse, in denen sachdienliche Beweiselemente und Indizien nach Maßgabe der in Artikel 22 Absatz 3 Buchstaben a und b festgelegten Kriterien angegeben werden, und erlässt einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
3.3. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.01.2018 in der Rechtssache Bundesrepublik Deutschland gegen Aziz Hasan, C-360/16, wie folgt erkannt:
"1. [...]
2. Art. 24 der Verordnung Nr. 603/2013 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der ein Drittstaatsangehöriger nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem ersten Mitgliedstaat in diesen Mitgliedstaat überstellt wurde, nachdem ein erneuter, bei einem zweiten Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen worden war, und dann ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, dieser Drittstaatsangehöriger Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein kann und dass es nicht möglich ist, ihn ohne Durchführung eines solchen Verfahrens erneut in den ersten Mitgliedstaat zu überstellen.
3. Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, der ihn zuvor in einen anderen Mitgliedstaat überstellt hatte, das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fristen an den anderen Mitgliedstaat gerichtet werden muss und dass diese Fristen nicht zu laufen beginnen können, bevor der ersuchende Mitgliedstaat von der Rückkehr der betreffenden Person in sein Hoheitsgebiet Kenntnis erlangt hat.
4. [...]
5. Art. 24 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass das gegen eine Entscheidung, mit der ein erster in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren noch anhängig ist, der Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz in diesem Mitgliedstaat im Sinne dieser Bestimmung nicht gleichzustellen ist.
6. [...]"
3.4. Unter Berücksichtigung des oben angeführten Urteils des Europäischen Gerichtshofes ist zunächst festzuhalten, dass sich aus diesem eindeutig ergibt, dass gemäß Ziffer 5 des Urteils das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht mit der Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz gleichzustellen ist. Auch der Umstand, dass gegen die erstinstanzliche Entscheidung noch ein Beschwerdeverfahren offen ist, kann die Anwendung von Art. 24 Dublin III-VO nicht ausschließen, da die (hier: zurückweisende) Entscheidung mangels aufschiebender Wirkung der Beschwerde die mit der Dublin III-VO verbundenen Wirkungen entfaltetet, sodass das im Anschluss an die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist (vgl. Rn 50).
3.5. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25.01.2018 ausgesprochen, dass Art. 24 Dublin III-VO dahin auszulegen ist, dass in einer Situation, in der ein Drittstaatsangehöriger nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem ersten Mitgliedstaat in diesen Mitgliedstaat überstellt wurde, nachdem ein erneuter, in einem zweiten Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen worden war und der Drittstaatsangehörige in der Folge ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, dieser Drittstaatsangehörige Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein kann und dass es nicht möglich ist, ihn ohne Durchführung eines solchen Verfahrens erneut in den ersten Mitgliedstaat zu überstellen (vgl. Rn 55).
Ferner führt der EuGH aus, dass ohne Abfrage des Eurodac-Systems Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO anwendbar ist und die darin genannte Frist [drei Monate] erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der ersuchende Mitgliedstaat Kenntnis davon hat, dass sich der betreffende Drittstaatsangehörige in seinem Hoheitsgebiet befindet und die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates begründet ist (vgl. Rn 69). Da der Unionsgesetzgeber - so der EuGH weiters - in Art. 24 Dublin III-VO nicht zwischen Fällen, in denen das Wiederaufnahmeverfahren zum ersten Mal eingeleitet wird, und in Fällen, in denen es erneut durchgeführt werden muss, nachdem die betreffende Person im Anschluss an eine Überstellung ohne Aufenthaltstitel in den ersuchenden Mitgliedstaat zurückgekehrt ist, unterscheidet, müssen die in Art. 24 aufgestellten Fristen auch im letztgenannten Fall eingehalten werden (vgl. Rn 61). In diesem Zusammenhang verweist der EuGH darauf, dass die Wiederaufnahmeverfahren obligatorisch im Einklang mit den u.a. in Kapitel VI der Dublin III-VO aufgestellten Regeln und insbesondere unter Beachtung einer Reihe zwingender Fristen durchgeführt werden müssen (vgl. Rn 60).
Bei Zugrundelegung dieses Urteils des EuGH auf die gegenständliche Fallkonstellation ist den Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 08.02.2018 im Wesentlichen Recht zu geben, dass die Frist zur Stellung des Wiederaufnahmegesuchs an Frankreich mit 13.09.2017 abgelaufen ist, da das Bundesamt am 13.06.2017 Kenntnis von der Wiedereinreise der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet erlangt hat.
Allerdings ist die gegenständliche Fallkonstellation nicht genau gleich gelagert wie die im Ausgangsverfahren zum Urteil des EuGH vom 25.01.2018. Der EuGH nimmt in dem genannten Urteil nämlich darauf Bezug, dass (wie im dortigen Ausgangsverfahren) im ersten Mitgliedstaat ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (vgl. "... in der ein Drittstaatsangehöriger nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in einem ersten Mitgliedstaat ..."). Auch Art. 24 Dublin III-VO bezieht sich auf eine "Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d" und wird im EuGH Urteil ausgeführt, dass aus Art. 23 Abs. 1 und 24 Abs. 1 Dublin hervorgeht, dass dieses Verfahren auf die in Art. 18 Abs. 1 lit. b bis d Dublin III-VO genannten Personen anwendbar ist (vgl. Rn 43).
3.6. In den vorliegenden Fällen haben die Beschwerdeführer allerdings in Frankreich keine Anträge auf internationalen Schutz gestellt - und sind daher auch keine Personen im Sinne des Art. 18 Abs. 1 lit. b bis d Dublin III-VO -, sondern gründet sich die Zuständigkeit Frankreichs darauf, dass den Beschwerdeführern von der französischen Botschaft in Teheran Visa ausgestellt wurden, aufgrund derer sie in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnten (Art. 12 Dublin III-VO).
Für das Bundesverwaltungsgericht stellt sich nunmehr die Frage, ob Art. 24 Dublin III-VO sowie dessen Auslegung durch das genannte EuGH Urteil auch für Fälle wie die vorliegenden heranzuziehen ist, wenn ein Drittstaatsangehöriger in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, sich im Zuge dieses Verfahrens herausstellt, dass aufgrund der in der Dublin III-VO festgelegten Kriterien ein anderer Mitgliedstaat zur Führung des Asylverfahrens zuständig ist, der Drittstaatsangehörige folglich in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird und dann ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet des unzuständigen Mitgliedstaats zurückgekehrt ist.
Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass es keinen Unterschied macht, ob der Drittstaatsangehörige zuvor im zuständigen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat oder nicht. Maßgeblich ist, dass sich aus den Kriterien der Dublin III-VO eindeutig bestimmen lässt, welcher Staat für die Führung des Asylverfahrens zuständig ist und in der Folge der zuständige Mitgliedstaat - ausdrücklich oder durch Verfristung - dem Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch zugestimmt hat, der Drittstaatsangehörige in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wurde und danach ohne Aufenthaltstitel wieder in den unzuständigen Mitgliedstaat einreist.
Umgelegt auf die vorliegenden Fälle hat sich aus dem Kriterienkatalog der Dublin III-VO ergeben, dass Frankreich aufgrund der Ausstellung von Visa eindeutig für die Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführer zuständig ist. Frankreich hat seine Zuständigkeit auch ausdrücklich mit Schreiben vom 29.11.2016 anerkannt. Die Beschwerdeführer wurden in der Folge (innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO) nach Frankreich überstellt und reisten danach ohne Aufenthaltstitel wieder in das österreichische Bundesgebiet ein, wovon das Bundesamt am 13.06.2017 Kenntnis erlangt hat.
Da es für die gegenständlich maßgebliche Frage wie mit Drittstaatsangehörigen, die nach rechtmäßiger Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltstitel wieder in den unzuständigen Mitgliedstaat einreisen, verfahren werden soll, keinen Unterschied macht, aufgrund welcher Bestimmung der Dublin III-VO der zuständige Mitgliedstaat festgestellt wurde bzw. es keinen Unterschied macht, ob der Drittstaatsangehörige zuvor im zuständigen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat oder nicht, gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu der Ansicht, dass Art. 24 Dublin III-VO sowie dessen Auslegung durch das Urteil des EuGH vom 25.01.2018 auch auf die vorliegenden Verfahren anzuwenden ist. Hierfür spricht auch die Formulierung in Rn 70 des EuGH Urteils, in welchem auf die Antragstellung im zuständigen Mitgliedstaat nicht mehr verwiesen, sondern wie folgt ausgeführt wird: "... in der ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgekehrt ist, der ihn zuvor in einen anderen Mitgliedstaat überstellt hatte, das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fristen an den anderen Mitgliedstaat gerichtet werden muss und dass diese Fristen nicht zu laufen beginnen können, bevor der ersuchende Mitgliedstaat von der Rückkehr der betreffenden Person in sein Hoheitsgebiet Kenntnis erlangt hat."
Fallgegenständlich bedeutet diese Auslegung, dass das Bundesamt, das am 13.06.2017 Kenntnis von der Wiedereinreise der Beschwerdeführer, die zuvor nach Frankreich überstellt worden waren, in das österreichische Bundesgebiet erlangt hat, bis längstens 13.09.2017 (da eine Abfrage an das Eurodac-System nicht erfolgt ist) ein Wiederaufnahmegesuch an Frankreich zu richten gehabt hätte. Da das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erfolgt ist, ist eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Frankreich nicht mehr zulässig und ist ihnen gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO Gelegenheit zur Stellung eines neuen Antrags auf internationalen Schutz in Österreich zu geben.
3.7. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal es sich im gegenständlichen Fall um die Beantwortung einer Rechtsfrage und nicht um eine Tatsachenfrage handelt. Darüber hinaus wurde der Sachverhalt, von dem das Bundesverwaltungsgericht ausgeht, den Parteien zur Stellungnahme übermittelt und ihnen die Gelegenheit geboten, ihre Rechtsansicht zu diesem Sachverhalt darzulegen, wovon die Beschwerdeführer, jedoch nicht das Bundesamt, Gebrauch gemacht haben. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
3.3. Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Bedeutung dem Urteil des Europäische Gerichtshofes vom 25.01.2018 in der Rechtssache Bundesrepublik Deutschland gegen Aziz Hasan, C-360/16, zur Auslegung des Art. 24 Dublin III-VO zukommt, insbesondere dahingehend, ob Art. 24 Dublin III-VO (sowie das genannte Urteil) auch auf Fälle, die nicht ausschließlich eine Wiederaufnahme im Sinne des Art. 18 Dublin III-VO zum Inhalt haben, zur Anwendung gelangt. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes liegt somit eine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Fristablauf, Revision zulässig, Überstellung, Wiederaufnahmsantrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W235.2151364.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018