TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/20 W150 2151228-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2018
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Entscheidungsdatum

20.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W150 2151228-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1985, StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. Gerhard Mory, Wolf-Dietrich-Straße 19, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2017, Verfahrens Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 04.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der - noch am Tage der Antragstellung erfolgten - Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellte die Beschwerdeführerin zusammengefasst fest, dass sie ledig, zur Volksgruppe der Araber zugehörig sei und sich zum muslimischen Glauben bekenne. Die Beschwerdeführerin habe 12 Jahre lang die Grundschule in XXXX besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Anschließend habe sie fünf Jahre lang die Universität in XXXX besucht und habe nachfolgend den Beruf einer Krankenschwester ausgeübt. Befragt zu ihrem Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, dass sie aufgrund des Krieges Angst um ihr Leben habe. Die Gefahr sei bei ihr größer gewesen, da sie Angestellte im Gesundheitswesen gewesen sei. Ihr Arbeitsplatz sei ca. 80 km von ihrem Wohnort entfernt gewesen und es wäre in Syrien fast nicht möglich so eine weite Strecke ohne Gefährdung zurückzulegen. Vorgelegt wurden ein syrischer Reisepass, ein syrischer Personalausweis, ein Gewerkschaftsausweis - ausgestellt vom Gewerkschaftsbund XXXX für Krankenpfleger - sowie eine syrische Krankenversicherungskarte.

3. Am 25.10.2016 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Vorgelegt wurden diverse Teilnahme- bzw. Kursbestätigungen und Empfehlungsschreiben. Im Wesentlichen gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Mutter und ihre Geschwister sich noch in Syrien befänden. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass sie in den Jahren 2010 sowie 2011 immer wieder Probleme bei der Fahrt aus ihrem Heimatdorf nach XXXX - wo sich ihr Arbeitsplatz befunden habe - gehabt habe. Es seien ständig Leute auf dem Weg von Scharfschützen erschossen worden. Mehrere ihrer Kollegen seien dabei ums Leben gekommen. Sie hätte dann eine andere Route nach XXXX genommen, welche aber 13 bis 15 Stunden gedauert habe. Sie sei auch wegen ihrer Arbeit im staatlichen Krankenhaus unter Druck gesetzt worden, einer ihrer Kollegen sei entführt und gefoltert worden, da das Krankenhaus, in dem die Beschwerdeführerin ihren Dienst versah - zum Assad-Regime gehört habe. Die Freie syrische Armee (im Folgenden: FSA) habe mitbekommen, wer im Krankenhaus arbeite, da die Medien oft über dieses berichtet hätten. Die Beschwerdeführerin sei geflüchtet, da die Lage zu gefährlich geworden sei. Sie sei in Syrien niemals persönlich bedroht worden und es hätten nie Übergriffe gegen ihre Person stattgefunden. Die geschilderten Ereignisse hätten sich ab 2010/2011 bis zur Ausreise der Beschwerdeführerin abgespielt. Sie habe nicht direkt in XXXX wohnen können, da es schwierig gewesen sei eine Unterkunft zu finden, es sei dort sehr teuer gewesen, da alle dort wohnen hätten wollen. Sie sei von der FSA nie persönlich bedroht worden, aber es hätte alle 200 m Straßenkontrollen gegeben und dort wären die Ausweise kontrolliert worden, da Mitarbeiter von staatlichen Institutionen gesucht worden wären. Die Beschwerdeführerin habe immer den Personalausweis ihrer Schwester hergezeigt, da diese - im Gegensatz zur Beschwerdeführerin selbst - auf dem Foto ein Kopftuch getragen habe. Syrien verlassen habe sie im Oktober 2014 illegal Richtung Türkei. Die Beschwerdeführerin bereite sich gerade auf die Nostrifikationsprüfung vor um in Österreich als Krankenpflegerin bzw. - schwester zu arbeiten.

4. Das BFA wies mit Bescheid vom 17.02.2017, Verfahrens Zl. 1093360205 - 151691195, - zugestellt am 23.02.2017 - den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass keine Bedrohung der Beschwerdeführerin durch die syrischen Behörden festgestellt werden habe können. Ebenso sei sie in Syrien nicht von Seiten Dritter bzw. aus politischen oder religiösen Gründen bedroht oder verfolgt worden. Die Beschwerdeführerin habe keine Beweismittel zu den von ihr konkret vorgebrachten Fluchtgründen vorgelegt. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge ihres Vorbringens keine konkrete, ihre Person betreffende Verfolgung geltend gemacht. Sie habe erklärt, dass sie aufgrund ihrer Arbeit als Krankenschwester in einem staatlichen Krankenhaus von der FSA unter Druck gesetzt, aber nie persönlich durch diese bedroht worden sei. Somit sei diese Tatsache auf die schlechte allgemeine Lage in Syrien zurückzuführen, die alle Staatsbürger unterschiedslos treffe. Die Probleme ihren Arbeitsweg betreffend hielt das BFA fest, dass diese sich bereits 2011 abgespielt hätten und somit nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlassen ihres Herkunftsstaates stehen könnten. Die Beschwerdeführerin habe Syrien aufgrund der generell schlechten Allgemeinlage verlassen und die Weiterreise von der Türkei über Griechenland nach Österreich sei aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Es hätten sich aus dem Ermittlungsverfahren keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes ergeben, der gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen könnte.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht am 21.03.2017 Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie im Gesundheitswesen als Krankenschwester tätig gewesen sei. Bei einer Abschiebung würden ihr unverhältnismäßige Eingriffe in ihre persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit drohen um sie zu zwingen für die staatliche Gesundheitsverwaltung in den Militär-Hospitälern tätig zu sein und dort als Krankenschwester zu arbeiten. Dies wolle die Beschwerdeführerin aus politischen Gründen nicht, sie lehne es ab für das Regime zu arbeiten. Bei einer Weigerung würden ihr jedoch massive Eingriffe in ihre körperliche und sexuelle Integrität drohen. Weiters seien auch freiheitsentziehende Maßnahmen zu befürchten. Bei der derzeitigen militärstrategischen Situation könne es sich das syrische Regime nichtleisten, auf das "Human Capital" der Beschwerdeführerin als erfahrene Krankenschwester zu verzichten. Es würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Versuchen kommen, die Beschwerdeführerin zu zwingen, in einem der zahlreichen Militärhospitäler tätig zu sein um dort die Verwundeten zu versorgen. Die Beschwerdeführerin sei zu einer derartigen Unterstützung des Krieges aus politischen Gründen nicht bereit. Weiters sei die Beschwerdeführerin vor ihrer Flucht in XXXX in einem staatlichen Krankenhaus tätig gewesen, der Umstand, dass sie sich diesen dienstlichen Pflichten durch die Flucht entzogen habe, würde ein politischer Bezug unterstellt werden. Als alleinstehende Frau wäre die Beschwerdeführerin bei einer Abschiebung besonders gefährdet. Frauen seien in Syrien willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Bei der Beschwerdeführerin lägen besondere, individuelle Umstände vor, die die Gefahrenlage erhöhen würden und zwar stamme sie aus der Gegend um XXXX , welche momentan nicht besiedelt werden könne. Sie könne dieses Gebiet auch nicht gefahrlos erreichen ohne sich frauenspezifischer Gewalteingriffe auszusetzen. In jeder anderen Region, wie z.B. in Damaskus sei die Beschwerdeführerin ohne jegliches soziales bzw. familiäres Netzwerk, sie wäre eine alleinstehend schutzlose Frau. Die Beschwerdeführerin gehöre der sozialen Gruppe der "in den Gesundheitsberufen arbeitende Frau" an. Deswegen habe sie in einem der in XXXX etablierten Spitäler arbeiten müssen und sei gezwungen gewesen sich täglich dem Risiko auszusetzen, bei einem der Angriffe auf das Spital getötet oder verwundet zu werden. Auch die notwendige Fahrten von ihrem Wohnort nach XXXX und zurück seien mit massiven Gefährdungen verbunden gewesen, welche asylrelevant seien. Die Beschwerdeführerin habe keine Möglichkeit gehabt, sich einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich als Krankenschwester in einem der Spitäler in XXXX zu entziehen. Diese Spitäler seien zu besonderen Angriffszielen der militärischen Akteure geworden, was auch besonders nach der Flucht der Beschwerdeführerin 2016 in massiver Weise der Fall gewesen sei. Wäre sie in XXXX geblieben und hätte sie ihre Tätigkeit als Krankenschwester im Spital weiter ausgeübt, wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einem der erwähnten Angriffe zum Opfer gefallen. Weiters würde die Beschwerdeführerin der "sozialen Gruppe der Frauen" angehören, was es wahrscheinlich mache, dass sie Opfer eines von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren begangenen Eingriffes in ihre körperliche Unversehrtheit und/oder sexuelle Integrität und Selbstbestimmung werde.

6. Am 22.03.2016, eingelangt am 27.03.2016, legte das BFA die gegenständliche Beschwerde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie die weitere durch das BFA erfolgte Befragung, der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Beschwerdeführerin, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und ist zum dort angegebenen Datum geboren. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens, gehört der arabischen Volksgruppe an und stammt aus einem kleinen Dorf Nähe XXXX , Syrien. Vor ihrer Ausreise lebte die Beschwerdeführerin in dem genannten Dorf.

Die Beschwerdeführerin hat in Syrien 12 Jahre lang die Grundschule in XXXX besucht, diese mit Matura abgeschlossen und hat nachfolgend fünf Jahre lang an den Universitäten von XXXX studiert. Sie hat die Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin war vor ihrer Flucht in XXXX in einem staatlichen Krankenhaus als Krankenschwester tätig. Somit kann sie dem Risikoprofil - im Sinne der UNHCR Richtlinien-, von "Angehörigen bestimmter Berufsgruppen - Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen" zugeordnet werden. Es sind keine Ausschlussklauseln anwendbar.

Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage im Herkunftsland der Beschwerdeführerin (Syrien):

Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 3.3.2017). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 3.3.2017). Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2017)

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).

Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).

Anm.: Von Seiten der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird hier oder im Folgenden keinerlei Aussage über den Status oder die Anerkennung der selbsternannten Autonomieregion im Norden Syriens getroffen.

[Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, S 6ff]

Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017).

Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017).

Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; außerdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).

Aleppo

Nach der Waffenruhe eskalierte die Gewalt, und die Stadt Aleppo erlebte die heftigsten Bombardierungen durch das Regime und die russische Luftwaffe seit Beginn des Bürgerkrieges, während die Armee zugleich eine Bodenoffensive startete. Die USA brachen daraufhin Anfang Oktober des Jahres 2016 die direkten Gespräche mit Russland über eine weitere Waffenruhe in Syrien ab. Unter anderem konnten sich die beiden Länder nicht darauf einigen, welche der syrischen Rebellengruppen als terroristisch und welche als gemäßigt einzustufen sind (Welt 3.10.2016). Ende Oktober fand eine einseitig von Russland eingehaltene, humanitäre Waffenruhe in Aleppo statt. Anfangs sollte die Waffenruhe acht Stunden dauern und am 20.10.2016 beginnen (Al Jazeera 18.10.2016). Sie wurde dann jedoch bis 22.10.2016 verlängert. Danach erlebte Aleppo erneut schwere Kämpfe. Die Vereinten Nationen hofften während dieser Zeit Verletzte evakuieren und Hilfsgüter liefern zu können. Jedoch war beides aufgrund fehlender Sicherheitsgarantien nicht möglich (Al Jazeera 23.10.2016; vgl. BBC News 22.10.2016). Im Dezember 2016 nahmen syrische Regierungssoldaten nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive den Osten Aleppos ein, welcher seit 2012 von bewaffneten Gruppen gehalten wurde (Standard 21.12.2016). Es fanden Evakuierungen von Kämpfern sowie von Zivilisten statt, die jedoch durch erneute Gefechte zwischenzeitlich unterbrochen wurden. Zugleich wurden Zivilisten aus den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens evakuiert (Standard 19.12.2016).

Nach der Eroberung Aleppos wurden große Teile der regulären Armee aus Aleppo abgezogen was zur Verschlechterung der Sicherheitslage führte, da so den Milizen freie Hand gelassen wurde. Kriminalität von Seiten der Milizen wurde so zum Problem für die Bevölkerung Aleppos. Im Juni 2017 unternahm die syrische Regierung den Versuch großflächig gegen die Milizen in Aleppo vorzugehen. Vorhergehende Verhaftungswellen in Aleppo konnten die Kriminalität von Milizen nicht unter Kontrolle bringen (IRIN 22.6.2017). Die Milizen sind unter anderem auch für eine steigende Zahl an Entführungen und damit Lösegelderpressungen und zudem für Morde, auch durch Fahrerflucht, verantwortlich. Auch die Sicherheitskräfte beuten die Bewohner Aleppos aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen aus. Vor allem in Ostaleppo sind die Bewohner Opfer von Razzien, und außerdem Festnahmen von Wehrdienstverweigerern, die dann zum Einsatz geschickt werden. Ein weiterer Faktor in Aleppo ist die Baath-Partei. Nach der Eroberung Ost-Aleppos wurde der örtliche Zweig der Baath-Partei aufgelöst. Mittlerweile wurde dieser mitsamt eines bewaffneten Zweiges neu gebildet (SD 24.11.2017).

[Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, S 10ff]

Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit (HRW 12.1.2017). Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016). Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 3.3.2017). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter (UNHRC 11.8.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. AI 22.2.2017). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt (Economist 20.12.2017). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 3.3.2017).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (als solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen (FH 1.2017). Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 3.3.2017). Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 3.3.2017).

[Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, S 31f]

Allgemeine Menschenrechtslage

Das Syrian Observatory for Human Rights dokumentierte 331.765 Todesfälle seit dem Beginn der Revolution im Jahr 2011 bis zum 15. Juli 2017, schätzt jedoch dass etwa 475.000 Personen getötet wurden (SOHR 16.7.2017).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Gleichzeitig zeigt die Regierung außerdem wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien. Sie schikaniert und inhaftiert Mitglieder der Communist Union Party, der Communist Action Party, der Arab Social Union und islamistischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Die syrische Regierung, regierungstreue Einheiten und Sicherheitskräfte führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in der Haft umkommen bzw. getötet werden. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte (UKFCO 21.4.2016, AI 22.2.2017 und USDOS 3.3.2017).

Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen (AI 22.2.2017; vgl. SD 18.10.2017). Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Platz, Hygiene und Zugang zu medizinischer Versorgung. (USDOS 3.3.2017).

Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet (USDOS 27.6.2017; vgl. UNOCHA 31.7.2017).

Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen (AI 22.2.2017). Bezüglich der von Rebellen kontrollierten Bevölkerungszentren setzte die Regierung auf die Strategie, diese vor die Wahl zu stellen, aufzugeben oder zu (ver)hungern, indem sie Hilfslieferungen einschränkte und tausende Zivilisten aus zurückeroberten Gebieten vertrieb (FH 1.2017). Auch Rebellengruppen belagern Gebiete (USDOS 3.3.2017). [Weitere Informationen zu belagerten Gebieten finden sich in Abschnitt "14.

Bewegungsfreiheit"].

Auch aufständische Gruppen begingen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Festnahmen, Folter und Exekutionen von wahrgenommenen politischen Andersdenkenden und Rivalen, wobei das Verhalten jedoch zwischen den unterschiedlichen Rebellengruppen variiert (FH 1.2017).

Der IS ist für systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, welche auch auf Zivilisten abzielen. Auch Jabhat Fatah ash-Sham [ehemals Jabhat al-Nusra] und einige andere extremistische Gruppen begehen Menschenrechtsverletzungen (UKFCO 21.4.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

Sexuelle Versklavung und Zwangsheiraten sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen werden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, werden sexuell versklavt (USDOS 27.6.2017). Frauen erleben in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtungen durch Steinigung. Frauen und Männer werden bestraft, wenn sie sich nicht den Vorstellungen des IS entsprechend kleiden (USDOS 3.3.2017).

IS-Kämpfer sind für Exekutionen von gefangengenommenen Zivilpersonen, Regierungssoldaten, Angehörigen rivalisierender bewaffneter Gruppen sowie Medienschaffenden und verantwortlich. In den vom IS kontrollierten Gebieten hat der IS seine strikte Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern befinden sich Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch, Schmuggel oder Diebstahl zur Last gelegt wird, sowie Menschen, die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

[Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, S 48ff]

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung hat sich in Syrien durch den andauernden Konflikt dramatisch verschlechtert. Gründe dafür sind die Beschädigung von Gesundheitseinrichtungen, Stromausfälle, der Mangel an Medikamenten, medizinischen Utensilien, qualifiziertem Personal, Spezialisten oder Krankenwägen (UNHCR 2016; vgl. The Lancet 14.3.2017; vgl. WHO 15.3.2017). Aufgrund der hohen Kriegskosten wurde das Gesundheitsbudget wiederholt gekürzt (NYT 8.8.2017).

Bewusste Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen haben das Gesundheitssystem erheblich beeinträchtigt (WB 10.7.2017). Regierungskräfte und die mit ihnen verbündete russische Luftwaffe flogen mehrere offenbar gezielte Angriffe auf Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen und humanitäre Hilfskonvois. Dabei wurden Zivilpersonen und Angehörige des medizinischen Personals getötet oder verletzt (AI 22.2.2017). Auch manche oppositionelle bewaffnete Gruppen und der sogenannte IS greifen medizinisches Personal und Einrichtungen in von der Regierung kontrollierten Gebieten an (UNHRC 11.8.2016; vgl. TR 16.3.2017). Unter den Millionen Menschen, die außer Landes geflohen sind, sind geschätzte 27.000 Mediziner - mehr als die Hälfte der Ärzte, die vor dem Konflikt in Syrien tätig waren. Die Hälfte der Krankenhäuser und Gesundheitszentren sind zerstört, in vielen Fällen absichtlich (NYT 8.8.2017; vgl. WHO 15.3.2017).

Diejenigen Gesundheitseinrichtungen, die noch in Betrieb sind, sind mit einer überwältigenden Nachfrage und akutem Mangel an Medikamenten und medizinischem Zubehör konfrontiert (AAR Japan 6.2017; vgl. WHO 15.3.2017). Eine ausreichende Versorgung kann nur in einigen vom Regime gehaltenen Gebieten sichergestellt werden, doch auch hier kann es zu gravierenden Einschränkungen kommen. In Gebieten, die nicht vom Regime kontrolliert werden, ist die medizinische Versorgung meist katastrophal (AA 21.8.2017).

Ansteckende Krankheiten wie Polio treten wieder auf, und Schätzungen zufolge sterben mehr Syrer am fehlenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, als durch die Kämpfe selbst (WB 10.7.2017).

Personen, die selbst Medikamente oder medizinisches Zubehör besorgen müssen, wenden sich oft an private Apotheken oder den Schwarzmarkt. Seit Beginn des Krieges ist jedoch das Durchschnittsgehalt eines Syrers auf etwa 70 US-Dollar pro Monat gesunken. Eine einzige Chemotherapiebehandlung kann ein Jahresgehalt kosten. Vor dem Krieg wären die meisten Personen nach Damaskus gegangen, um sich behandeln zu lassen. Jetzt steht die Angst vor dem Fortschreiten einer Krankheit der Angst gegenüber eine von der Regierung betriebene Einrichtung zu besuchen, wenn man aus einem von der Opposition kontrollierten Gebiet kommt. Unbestätigten Berichten zufolge gibt es Patienten, die auf dem Weg zu Regierungs-Krankenhäusern festgenommen wurden oder an jedem Checkpoint Bestechungsgelder bezahlen mussten (NYT 8.8.2017).

[Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018, S 77f]

Aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. Aktualisierte Fassung; UNHCR-Berichte: Relevante Herkunftslandinformation zur Unterstützung bei der Anwendung der UNHCR Richtlinien für Syrien, Februar 2017:

"Risikoprofile

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofilen wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

...

* Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

..."

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin basieren auf ihren vorgelegten Unterlagen, einschließlich Lichtbildausweisen, und ihren Angaben.

Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen hat ergibt sich aus ihren glaubwürdigen Angaben. Auch aus der Tatsache, wie sich diese aus einem Schreiben der Schule für Gesunden und Krankenpflege am Bildungszentrum der SALK ergibt, dass sich die Beschwerdeführerin bereits im Nostrifizierungsverfahren um ihre Ausbildung als Krankenschwester in Syrien auch in Österreich anerkennen zu lassen befindet und die in dem Schreiben sowie weiteren E-Mails enthaltenen Informationen, dass "kein Zweifel daran besteht, dass die Beschwerdeführerin eine fundierte Ausbildung in der Pflege durchlaufen und bereits umfassend in der Praxis gearbeitet hat" untermauern die getätigten Aussagen der Beschwerdeführerin.

Dass die Beschwerdeführerin in einem staatlichen Krankenhaus in XXXX als Krankenschwester tätig war, ergibt sich aus ihren gleichbleibenden nachvollziehbaren Angaben sowohl in der Erstbefragung als auch in der Befragung vor dem BFA sowie auch aus der Vorlage eines Gewerkschaftsausweises des Gewerkschaftsbundes für Krankenpfleger in XXXX .

Aus den Länderfeststellungen, welche dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.01.2018 entnommen und somit sehr aktuell sind, ergibt sich, dass bewusste Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen das Gesundheitssystem erheblich beeinträchtigt haben. Dabei wurden Zivilpersonen und auch Angehörige des medizinischen Personals getötet oder verletzt. Auch manche oppositionelle bewaffnete Gruppen und der sogenannte IS greifen medizinisches Personal und Einrichtungen in von der Regierung kontrollierten Gebieten an.

Die Zuordnung unter eines der aktuellen Risikoprofile des UNHCR ergibt sich aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. Aktualisierte Fassung; UNHCR-Berichte: Relevante Herkunftslandinformation zur Unterstützung bei der Anwendung der UNHCR Richtlinien für Syrien, Februar 2017). Die Beschwerdeführerin war - wie bereits angeführt - als Krankenschwester in einem staatlichen Krankenhaus tätig und fällt somit in die Gruppe der Personen die Angehörige bestimmter Berufsgruppen - im gegenständlichen Fall der Gruppe der "Ärzte und anderer im Gesundheitswesen tätigen Personen" - und somit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den Länderberichten. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für die Beschwerdeführerin aus nachstehendem Grund eine asylrelevante Verfolgungsgefahr:

Die Beschwerdeführer ist ausgebildete Krankenschwester und hat ihren Dienst in einem staatlichen Krankenhaus in XXXX geleistet.

Auf Grundlage der Feststellungen muss die Beschwerdeführerin damit rechnen, aufgrund ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einem staatlichen Krankenhaus einem erhöhten Risiko ausgesetzt getötet bzw. verletzt zu werden, da sich aus diesen ergibt, dass durch bewusste Angriffe aus Gesundheitseinrichtungen Zivilpersonen und Angehörige des medizinischen Personals verletzt bzw. getötet worden sind.

Damit fällt die Beschwerdeführerin (auch) in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich der "Angehörigen bestimmter

Berufsgruppen - ... Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige

Personen ..." (zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 16.01.2008, 2006/19/1082 m.w.N.).

Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. etwa VwGH 25.03.205; ra 2014/18/0168; 29.06.2015, Ra 2014/18/0070).

Da auch keiner in den Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen; die ist gemäß § Abs. 5 AsylG 2005 mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt zu verbinden.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 04.11.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen - ergänzt um aktuellere Feststellungen - unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die bei den Erwägungen (Spruchteil A) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Glaubhaftmachung, soziale Gruppe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W150.2151228.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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