TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/21 W266 2165666-1

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Veröffentlicht am 21.02.2018
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Entscheidungsdatum

21.02.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §1 Abs2
BBG §40 Abs1
BBG §41 Abs1
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W266 2165666-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ, vom 16.06.2017, OB XXXX , betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ (in der Folge: belangte Behörde), ausgestellten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 70%.

1.2. Am 4.1.2017 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis). Da der Behindertenpass der Beschwerdeführerin keine Zusatzeintragung betreffend die "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" aufwies, wertete die belangte Behörde diesen Antrag auch als einen Antrag auf die Vornahme der genannten Zusatzeintragung.

1.3. Mit dem im Spruch zitierten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein ärztliches Gutachten eingeholt worden wäre, welches dem Bescheid beigelegt sei und einen Bestandteil der Begründung bilde. Aufgrund dieses Gutachtens sei der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar und lägen somit die Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung nicht vor.

1.4. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin - unter Vorlage neuer Beweismittel - fristgerecht Beschwerde erhoben und bringt darin im Wesentlichen vor, dass das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten keine schlüssige und taugliche Grundlage für die getroffene Entscheidung darstellt. Es fänden sich keine näheren konkret auf die Beschwerdeführerin bezogenen Ausführungen, aus welchen Gründen der Sachverständige zu dieser Beurteilung gelangt sei. Es fehle jegliche Bezugnahme auch gutachterliche Aussage, wie sich insbesondere die festgestellten Gesundheitseinschränkungen nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken bzw. wie der Sachverständige angesichts der festgestellten Gesundheitsschädigungen zu seiner Schlussfolgerung gelangt sei, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

Bei der Beschwerdeführerin bestehe eine Nierenschwäche bei Zustand nach Verlust der rechten Niere 2002, eine Funktionsbehinderung der Atmung und der Stimme schweren Grades, Hypertonie, Abnützungen der Schultergelenke beidseits, Ekzemen im Bereich der Unterarme beidseits und im Gesicht, Depressionen sowie Vorfußheberschwäche links.

Aufgrund der Gesundheitsschädigungen der unteren Extremitäten sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage eine Wegstrecke von 200 - 300 m zurückzulegen oder Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel zu überwinden. Aufgrund der Gesundheitsschädigungen der oberen Extremitäten und der damit einhergehenden Bewegungs- und Funktionseinschränkung sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sich in öffentlichen Verkehrsmitteln anzuhalten, weshalb ein sicherer Transport nicht gewährleistet ist. Ferner sei die Beschwerdeführerin aufgrund der genannten Gesundheitsschädigungen erheblich in ihrer körperlichen Belastbarkeit eingeschränkt, weshalb es ihr ebenfalls nicht zumutbar sei öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Es sei der Beschwerdeführerin daher aufgrund der Gesamtheit der Gesundheitsschädigungen keinesfalls möglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

1.5. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.10.2017, eingeholt und wurde dieses mit Schreiben vom 14.11.2017 den Parteien zur allfälligen Stellungnahme, binnen zweier Wochen ab Zustellung, übermittelt. Die belangte Behörde hat davon keinen Gebrauch gemacht.

1.6. Mit Schreiben vom 28.11.2017 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zum eingeholten Gutachten ab und führte aus, dass bei der Beschwerdeführerin nicht nur ein subcrominales Impingement mit Degeneration der Supraspinatussehne und inkompletter Ruptur der Infraspinatussehne und der langen Bizepssehne in der linken Schulter, sondern auch eine komplette Ruptur von Supra- und Infraspinattssehne und Retraktion sowie Atrophie der beiden Muskeln in der rechten Schulter vorläge.

Die Beschwerdeführerin leide in beiden Schultern an einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik, die trotz physikalischer Therapie nicht gebessert werden konnte.

Wie aus dem Befundbericht von Dr. Leo Schörghuber vom 14.3.2017 ersichtlich sei, sei rechts nur eine Abduktion von 70°, die links von 90° möglich. Mit diesen Einschränkungen sei es der Beschwerdeführerin nicht möglich, sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel ausreichend sicher fest zu halten, damit ein sicherer Transport gewährleistet sei. Eine Halteschlaufe sei keinesfalls erreichbar. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es der Beschwerdeführerin mit diesen Einschränkungen möglich sei, alle notwendigen Haltegriffe zu erreichen.

Schließlich liege bei der Beschwerdeführerin auch ein Zustand nach NSTEMI der Hinterwand am 27.6.2017 bei koronarer Eingefäßerkrankung mit Verschluss der RCA, Wiedereröffnung mit PCI und DES am 27.6.2017 vor.

In Zusammenhang mit der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Nierenerkrankung sei diese in ihrer körperlichen Belastung insgesamt wesentlich eingeschränkt, weswegen ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei.

Gemeinsam mit der Stellungnahme wurden zwei weitere Befunde übermittelt.

1.5. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten, die im Akt erliegenden Befunde sowie Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie und eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister, steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

1.2. Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin, am XXXX geboren und wohnhaft in XXXX , XXXX .

1.3. Aufgrund ihres Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erfolgte am 2.5.2017 eine ärztliche Begutachtung der Beschwerdeführerin. Das darauf basierende Gutachten des Sachverständigen für Allgemeinmedizin wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid gesendet.

1.4 Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.10.2017, eingeholt und wurde dieses mit Schreiben vom 14.11.2017 den Parteien zur allfälligen Stellungnahme, binnen zweier Wochen ab Zustellung, übermittelt. Die belangte Behörde hat davon keinen Gebrauch gemacht. Die Beschwerdeführerin nahm dazu mit Schreiben vom 28.11.2017 Stellung und legte noch weitere Befunde vor.

1.5. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Allgemeiner Status:

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: gut

Größe: 170 cm

Gewicht 52 kg

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 40-0-40, F 10-0-10, KJA 3 cm, Reklination 14 cm.

Normale Brustkyphose, BWS-drehung 20-0-20, Schober Zeichen 10/15 cm,

FKBA 5 cm, Seitneigung bis Patella.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 30-0-80, F80-0-40, R 60-0-50, passiv Vorwärtsheben bis über 150 Grad möglich, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 60-0-60, Faustschluß beidseits möglich.

Nackengriff mit Trickbewegung durchführbar, Kreuzgriff in S 0-0-135, bandfest, reizfrei

Sprunggelenke rechts 15-0-45 zu links 10-0-35 (angeblich Achillessehnenriss, keine Narbe erkennbar, keine Verdickung der Sehne)

Gangbild/Mobilität:Gang in Straßenschuhen (Pumos) ohne Gehbehelfe flott möglich.

Zehenspitzen- und Fersenstand möglich, links Fersenstand gering erschwert.

Funktionseinschränkungen:

1) Nierenschwäche bei Zustand nach Verlust der rechten Niere 2002

2) Funktionsbehinderung der Atmung und der Stimme Schweren Grades

3) Mäßige Hypertonie

4) Schultergürtel - Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig bei Abnützungserscheinungen des Schultergelenkes beidseits

5) Ekzeme Unterarme und Gesicht beidseits

6) Depressive Störung mittleren Grades

Die anerkannte Gesundheitsschädigung hat keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zufolge.

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten. Alle notwendigen Haltegriffe können erbracht werden. Ferner liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor oder von psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen oder Fähigkeiten. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor, auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Die einzig befunddokumentierte orthopädisch relevante Einschränkung betrifft beide Schultergelenke. Beide Arme können in Gebrauchsstellung gebracht werden. Ein relevantes sensomotorisches Defizit findet sich nicht.

Die Beschwerdeführerin kann eine Strecke von mehr als 300 Meter zu Fuß ohne Unterbrechung ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Ferner ist das Überwinden von Barrieren im Ausmaß von Stufensteigen unter Verwendung eines Handlaufs bis zu 1 Stockwerk möglich. Das Erreichen eines Sitzplatzes und das Stehen in einem fahrenden Verkehrsmittel sind, bei eingeschränkter Funktion an den oberen Extremitäten und guter Belastbarkeit der unteren Extremitäten, möglich. Es besteht keine massive hochgradige Atemnot, welche schon bei geringster Belastung vorliegen würde. Weiters besteht keine Indikation für eine Langzeit-Sauerstofftherapie.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin am Antragsformular, auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

2.2. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes bzw. den Funktionsstörungen beruhen die Feststellungen auf dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Sachverständigen für Allgemeinmedizin und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen für Orthopädie, welche auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin basieren. Diese sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle, von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

2.3. Zudem beschäftigt sich der vom Bundesverwaltungsgericht bestellte medizinische Sachverständige auch eingehend mit den im Akt aufliegenden Befunden, die wie folgt zusammenfasst werden:

* MRT linke Schulter 19.5.2017 Institut Frühwald: Impigmentsyndrom mit degeneration SSP, ISP, LBS, Ac.arthrose. Rechte Schulter Ruptur SSP und ISP, Omarthrose.

* Bericht Dr. Schörghuber 372017

* Dauerdiagnosen Dr. Dultinger 7/2017: KHK, Eingefäßerkrankung, SSP riss rechts, Nierenarterienstense, St.p. Nephrektomie.

2.4. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass bei ihr nicht nur ein subcrominales Impingement mit Degeneration der Supraspinatussehne und inkompletter Ruptur der Infraspinatussehne und der langen Bizepssehne in der linken Schulter, sondern auch eine komplette Ruptur von Supra- und Infraspinattssehne und Retraktion sowie Atrophie der beiden Muskeln in der rechten Schulter vorläge. Wie aus der vom orthopädischen Sachverständigen vorgenommenen und oben zitierten Zusammenfassung der Befunde ersichtlich, hat der orthopädische Sachverständige diese Funktionseinschränkung weder übersehen noch sich nicht damit beschäftigt, dennoch kommt er zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, die Arme in Gebrauchsstellung zu bringen. Auch der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige hat die Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten nicht übersehen, sondern führt dazu aus, dass das Erreichen eines Sitzplatzes und das Stehen in einem fahrenden Verkehrsmittel trotz der Einschränkungen bei guter Belastbarkeit der unteren Extremitäten möglich ist.

2.5. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass eine wesentliche Einschränkung ihrer körperlichen Belastbarkeit vorliegt, ist zu erwidern, dass der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, kurze Wegstrecken bis zumindest 400 Meter bei derzeitiger selbständiger Mobilität ohne Hilfsmittel zurückzulegen. Auch der vom Bundesverwaltungsgericht bestellte orthopädische Sachverständige führt aus, dass keine wesentliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt. In Zusammenschau mit dem von beiden Sachverständigen beobachteten Gangbild der Beschwerdeführerin bestehen seitens des erkennenden Gerichts keine Zweifel an den dementsprechenden Aussagen der Sachverständigen.

2.6. Die vorgelegten und im Gutachten berücksichtigten Befunde stehen gemeinsam mit dem Ergebnis der am 19.10.2017 durchgeführten persönlichen Untersuchung im Einklang mit den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen und werden dessen Ergebnisse auch durch das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten bestätigt.

2.7. Die gegenständlichen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.4. Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

3.5. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

3.6. Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

3.7. Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

3.8. Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

* erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

* erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

* erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

* eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

* eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

3.9. Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.10. In den Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):

Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242 und 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

3.11. Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u. a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014).

Daraus folgt:

3.12. Das gegenständliche Sachverständigengutachten entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter 2.2.ff näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

3.13. Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

* erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

* erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

* erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

* eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

* eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

3.14. Die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.11.2017 vorgelegten Befunde unterliegen gemäß § 46 BBG dem Neuerungsverbot und können daher nicht berücksichtigt werden.

3.15. Bei der Beschwerdeführerin liegen keine der genannten oder diesen entsprechende Einschränkungen oder Erkrankungen vor und ist das Erreichen, ein gesichertes Ein- und Aussteigen und ein gesicherter Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich.

3.16. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass ihr das Erreichen von Halteschlaufen nicht möglich sei und somit keine Möglichkeit bestünde sich sicher anzuhalten, ist zu erwidern, dass der orthopädische Sachverständige ausführte, dass die Arme in Gebrauchsstellung gebracht werden können. Sohin ist zumindest das Anhalten an Haltestangen- und Griffen, wie sie in den öffentlichen Verkehrsmitteln Verwendung finden, möglich und zumutbar.

3.17. Unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ist der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

3.18. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.19. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.20. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.21. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

3.22. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.23. Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

3.24. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

3.25. In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

3.26. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - bereits von der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Sachverständigen für Allgemeinmedizin und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten eines orthopädischen Sachverständigen. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

3.27. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.28. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.29. Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W266.2165666.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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