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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, in der Beschwerdesache des MU in Graz, geboren am 2. Dezember 1973, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Oktober 1999, Zl. 202.630/0-V/15/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 28. Oktober 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. März 1998, mit dem der Asylantrag abgewiesen worden war, gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist.
In der Begründung dieser Entscheidung verwies die belangte Behörde auf das im Bescheid des Bundesasylamtes richtig und vollständig wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in Nigeria Journalist gewesen sei, im November 1995 bereits einmal wegen eines Artikels verhaftet und drei Monate lang inhaftiert worden sei und im Oktober 1997 Nigeria verlassen habe, weil er am 6. Oktober 1997 in einem Artikel Jugendliche aufgefordert habe, gegen die Militärregierung zu kämpfen, wenn Abacha sein Amt nicht freiwillig zur Verfügung stellen würde.
Im Berufungsverfahren seien dem Beschwerdeführer näher beschriebene Veränderungen der politischen Lage in Nigeria seit dem Tod des Militärmachthabers General Sani Abacha im Juni 1998 zur Kenntnis gebracht worden, wozu der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. April 1999 Stellung genommen habe. In der Berufungsverhandlung vom 7. Oktober 1999 habe der Beschwerdeführer seinen Antrag aufrecht erhalten, auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und nochmals zur Veränderung der politischen Lage in Nigeria Stellung genommen.
Die belangte Behörde traf umfangreiche Feststellungen über die politische Entwicklung in Nigeria nach dem Tod des seit 1993 amtierenden nigerianischen Militärmachthabers General Sani Abacha am 8. Juni 1998, dessen Nachfolger General Abdusalam Abubakar versprochen habe, die Demokratisierung des Landes voranzutreiben und die Macht an einen zivilen Präsidenten übergeben zu wollen. Nach einer Lageeinschätzung der österreichischen Botschaft in Lagos vom März 1999 seien seit dem Tod von General Sani Abacha sämtliche politische Gefangene auf freien Fuß gesetzt worden. Der Demokratisierungsprozess habe vorerst mit den Präsidentschaftswahlen vom 27. Februar 1999 seinen Höhepunkt erreicht. Am 3. März 1999 sei General Obasanjo zum Sieger der Wahl erklärt worden. Eine Verfolgung auf Grund politischer bzw. ethnischer Zugehörigkeit durch staatliche Autoritäten könne unter den gegenwärtigen Verhältnissen so gut wie ausgeschlossen werden. Der neue Präsident Obasanjo habe eine Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in seinem Land eingesetzt. Die nigerianische Presse sei eine der freiesten und vielfältigsten in Afrika. Sämtliche Journalisten, die in den vergangenen Jahren verhaftet worden seien, seien frei gelassen worden.
Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung Gelegenheit gegeben, seine Fluchtgründe nochmals darzulegen.
Die belangte Behörde erachtete die vom Beschwerdeführer geschilderte Verfolgungsgefahr für nicht glaubhaft und gelangte auf Grund des ihr vorliegenden umfangreichen Informationsmaterials zum dem Schluss, dass die ermittelten Veränderungen der politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria bereits ein hohes Maß an Stabilität erreicht und im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte zu einem solchen Maß an Rechtsstaatlichkeit geführt haben, dass der Beschwerdeführer auf Grund dessen eine Verletzung seiner geschützten asylrelevanten Rechte nicht mehr zu befürchten habe. In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde den Sachverhalt im Wesentlichen dahingehend, die Gründe, die den Beschwerdeführer zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen hätten, lägen infolge der grundlegenden politischen Veränderungen in Nigeria nicht (mehr) vor und der Beschwerdeführer befinde sich nicht auf Grund wohlbegründeter Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung außerhalb seines Heimatstaates.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Wenn die belangte Behörde darauf abstellte, dass auf Grund der seit der Flucht des Beschwerdeführers in Nigeria geänderten politischen Verhältnisse für diesen - auch im Falle des Zutreffens seiner (damaligen) Fluchtgründe - keine aktuelle Verfolgungsgefahr (mehr) bestünde, hat sie im Ergebnis Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv angewendet. Diese Bestimmung besagt, dass eine Person, auf die die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt A Z 2 zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen fällt, "wenn sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt."
Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen können, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht länger bestehe.
Es reicht zwar eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne dieser Bestimmung mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gänzlich veränderte Machtverhältnisse in Nigeria zur Kenntnis gebracht und diesem Gelegenheit zur Stellungnahme dahingehend eingeräumt, ob seine damaligen Fluchtgründe angesichts dieser geänderten politischen Verhältnisse nach wie vor gegeben erscheinen.
Dazu hat der Beschwerdeführer jedoch lediglich im Wesentlichen darauf verwiesen, dass General Obasanjo Mitglied der Ogboni Sekte und der Kaunda Gesellschaft sei. Solange General Obasanjo herrsche, wäre das Militär an der Macht. Es gäbe keine zwingenden Hinweise, dass sein Fall und Vergehen gegenüber dem Militärregime nicht mehr geahndet würde. Der Beschwerdeführer legte aber keine weiteren Gründe dar, warum er ungeachtet der festgestellten tief greifenden politischen Veränderungen dennoch in Nigeria aus asylrelevanten Gründen verfolgt (werden) würde. Er verwies in der mündlichen Berufungsverhandlung lediglich darauf, dass man Obasanjo beobachten müsse und er sich frage, was Obasanjo unternommen habe, um ihm, der seine Arbeit verloren habe und dessen Büro zerstört worden sei, eine Rückkehr zu ermöglichen.
Auch in der vorliegenden Beschwerde werden keine derartigen Gründe vorgebracht. Die Beschwerde beschränkt sich vielmehr darauf, in allgemein gehaltener Form Ermittlungsfehler der belangten Behörde zu behaupten, allerdings ohne konkret darzulegen, zu welchen (anderen), für eine (weitere) Verfolgung des Beschwerdeführers sprechenden Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensfehler gelangt wäre. Soweit der Beschwerdeführer weiterhin auf seine damaligen Fluchtgründe verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass es im Falle von im vorangeführten Sinn wesentlichen Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, gerade nicht (mehr) auf die seinerzeitigen politischen Verhältnisse ankommt, sofern nicht auf Grund der konkreten Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ungeachtet dieser Veränderungen dennoch eine bis in die Gegenwart reichende objektiv begründete Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung anzunehmen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475). Dies kann weder aus seiner Stellungnahme im Verwaltungsverfahren noch aus dem Inhalt der vorliegenden Beschwerde oder den Verwaltungsakten entnommen werden.
Dass der in Nigeria eingetretene Machtwechsel nicht ausreichen würde, um die Gefahr einer neuerlichen Verfolgung aus diesem Grund im Falle einer nunmehrigen Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland auszuschließen, lässt sich mit allgemeiner Skepsis gegenüber der Nachhaltigkeit demokratischer Entwicklungen im Heimatland des Beschwerdeführers ebenso wenig begründen wie mit dem Hinweis auf gewaltsame Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverstöße, die ihre Ursache in politischen Konflikten haben, zu denen die behauptete frühere Tätigkeit des Beschwerdeführer als Journalist in keinem nachvollziehbar dargelegten Zusammenhang steht (vgl. das ebenfalls einen Asylwerber aus Nigeria betreffende hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, Zl.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999200561.X00Im RIS seit
04.05.2001