Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen die Regelung des ASVG über die Berechnung des Überweisungsbetrags anlässlich des Übertritts in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis; pauschalierende Heranziehung unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen für Männer und Frauen angesichts der durchschnittlichen faktischen Verhältnisse im Hinblick auf Unterschiede im Durchschnittseinkommen unselbständig erwerbstätiger Männer und Frauen nicht unsachlich; keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts; keine Verletzung des beschwerdeführenden Landes in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht; kein EigentumseingriffSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beteiligte Partei, eine Vertragsbedienstete des Landes Tirol, wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Land Tirol aufgenommen. Das Land Tirol stellte daraufhin als Dienstgeber bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) den Antrag, ihm für die beteiligte Partei gemäß §308 ASVG einen Überweisungsbetrag für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Beitragsmonat zu leisten. Diesem Antrag gab die PVA mit Bescheid vom 20. Oktober 2010 statt und erkannte dem Land Tirol einen Überweisungsbetrag iHv € 10.538,04 zu. Dabei zog sie als Berechnungsgrundlage die in §308 Abs6 ASVG normierten Prozentsätze der am Stichtag geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung heran.
1.1. Dagegen erhob das Land Tirol fristgerecht einen Einspruch an den Landeshauptmann von Tirol und brachte vor, dass bei der Berechnung des Überweisungsbetrages unsachlich zwischen Frauen und Männern differenziert worden sei, weil sich der Bescheid auf die "verfassungs- und europarechtswidrige" Bestimmung des §308 Abs6 ASVG gestützt habe. Diese Vorschrift knüpfe für die Berechnung des Überweisungsbetrages an unterschiedliche Prozentsätze an, je nachdem, ob eine Frau oder ein Mann in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Land übernommen würde. Da die Prozentsätze für Frauen niedriger seien, habe das zur Konsequenz, dass der Überweisungsbetrag bei weiblichen Angestellten immer niedriger als bei männlichen Angestellten in vergleichbaren Positionen und mit einem identen Einkommen bzw. Versicherungsverlauf sei. Dies widerspreche nicht nur tatsächlichen Gegebenheiten, sondern diskriminiere weibliche Dienstnehmer zumindest auch mittelbar.
1.2. Mit 1. Jänner 2014 ging die Zuständigkeit zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel auf das Bundesverwaltungsgericht über. Da die strittige Rechtsfrage zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand einer beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen, gleichgelagerten Beschwerde war, setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zunächst mit Beschluss vom 24. April 2014 aus.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof wies die bei ihm erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 24. Februar 2016, 2013/08/0125, ab. Begründend führte er aus, dass das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen weiblicher Angestellter immer noch weit unter jenem männlicher Angestellter liege, weshalb auch der Verfassungsgerichtshof in einem Beschluss vom 14. Juni 2013, B774/12, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des §308 Abs6 ASVG gehegt habe. Ferner liege eine direkte Diskriminierung weiblicher Dienstnehmer nicht vor, weil die Höhe des Überweisungsbetrages lediglich für den neuen Dienstgeber relevant sei, auf die Höhe des Ruhegenusses der jeweiligen Dienstnehmerin jedoch keinen Einfluss habe. Aber auch eine mittelbare Diskriminierung sei nicht gegeben, weil es dem Land Tirol bereits durch §4 Abs1 Tiroler Landes-Gleichbehandlungsgesetz untersagt sei, angesichts des höheren Überweisungsbetrages lediglich Männer einzustellen.
1.4. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 21. April 2016 setzte das Bundesverwaltungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren fort und wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom selben Tag und unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes als unbegründet ab.
2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung des verfassungswidrigen §308 Abs6 ASVG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
2.1. Die beschwerdeführende Partei führt im Wesentlichen aus, dass die Bestimmung des §308 Abs6 ASVG gleichheitswidrig sei, weil ihr zufolge der einem Dienstgeber gebührende Überweisungsbetrag – unabhängig von tatsächlichen Gegebenheiten – stets niedriger sei, wenn eine Frau in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen werde. Zwar stamme die Regelung aus einer Zeit, in der Männer und Frauen am Arbeitsmarkt durchaus unterschiedlich entlohnt worden seien, weshalb eine pauschalierende Regelung seinerzeit gerechtfertigt gewesen sei. Dies treffe aber angesichts der seither erfolgten Änderungen im Bereich der Einkommensverhältnisse männlicher und weiblicher Angestellter nicht mehr zu.
2.2. Eben deshalb habe der Gesetzgeber mit einer Novelle zum ASVG, BGBl I 18/2016, auch vorgesehen, dass in Berufsbereichen, in denen derartige Einkommensunterschiede nicht mehr bestehen, der Überweisungsbetrag für Männer und Frauen zwingend unter Anwendung eines für beide Geschlechter gleichen Prozentsatzes zu berechnen und leisten sei. Für die Verfassungswidrigkeit des §308 Abs6 ASVG spreche darüber hinaus, dass die Vorschrift des §311 ASVG, die den umgekehrten Fall des Austrittes aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis normiere, anders als §308 Abs6 ASVG auf einen einheitlichen Prozentsatz für Männer und Frauen abstelle.
2.3. Ferner führe die Vorschrift des §308 Abs6 ASVG auch zu einer unzulässigen Diskriminierung weiblicher Dienstnehmer, da es für den Dienstgeber – angesichts des niedrigeren Überweisungsbetrages bei der Aufnahme von Frauen – aus finanzieller Sicht attraktiver sei, lediglich bzw. zum überwiegenden Teil Männer einzustellen. Damit würde §308 Abs6 ASVG aber auch der RL 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sowie der RL 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit und damit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht eindeutig widersprechen.
3. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, sah von der Erstattung einer Gegenschrift aber ab. Die Pensionsversicherungsanstalt hat sich am verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
II. Rechtslage
§308 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955 idF BGBl I 18/2016, lautet wie folgt:
"Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis
Überweisungsbetrag und Beitragserstattung
§308. (1) Wird ein Versicherter in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (Abs2) aufgenommen und rechnet der Dienstgeber nach den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriften
a) Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz, Ersatzmonate nach §229, §228 Abs1 Z1 und 4 bis 6, §227 Abs1 Z1, soweit sie leistungswirksam sind, Z2, 3 und 7 bis 9 dieses Bundesgesetzes,
b) Beitragsmonate nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, Ersatzmonate nach §116 Abs1 Z1 und 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes,
c) Beitragsmonate nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, Ersatzmonate nach §107 Abs1 Z1 und 2 des Bauern Sozialversicherungsgesetzes,
für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß bedingt oder unbedingt an, so hat der nach Abs5 zuständige Versicherungsträger auf Antrag dem Dienstgeber einen Überweisungsbetrag in der Höhe von je 22,8 % der Berechnungsgrundlage nach Abs6 für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Beitragsmonat und von je 3,25 % dieser Berechnungsgrundlage für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Ersatzmonat zu leisten. Zur Stellung des Antrages ist sowohl der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer berechtigt.
(1a) Wird eine versicherte Person nach dem 31. Dezember 2004 in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (Abs2) aufgenommen und hat der Dienstgeber nach den dienstrechtlichen Vorschriften dieses Bundesgesetz oder das APG anzuwenden, so hat der Versicherungsträger abweichend von Abs1 einen Überweisungsbetrag zu leisten
1. für alle bis zur Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis erworbenen Versicherungsmonate (Beitrags- und Ersatzmonate) sowie
2. für die in §11 Abs2 zweiter Satz genannten Zeiten, die die Pflichtversicherung auf Grund des dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis vorangegangenen Dienstverhältnisses verlängern.
Dies gilt auch für Bedienstete des Bundes, die nach dem 31. Dezember 1975 geboren sind und vor dem 1. Jänner 2005 in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommenen wurden, sowie für Bedienstete des Bundes, die nach §136b des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 aufgenommen wurden. In den Fällen des §8 Abs1a sind der erste und zweite Satz nicht anzuwenden.
(2) Als pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis ist jedes Dienstverhältnis anzusehen, in dem der Dienstnehmer entweder von der Vollversicherung nach §5 Abs1 Z3, 4 oder 6 ausgenommen und auch nicht nach §7 Z2 lita in die Pensionsversicherung einbezogen ist oder in dem er nach §7 Z1 lita bis d nur in der Kranken- und Unfallversicherung teilversichert ist.
(3) Ist ein Überweisungsbetrag nach Abs1 zu leisten, so hat der zuständige Versicherungsträger dem (der) Versicherten auf Antrag folgende Beiträge, aufgewertet mit dem für das Jahr ihrer Entrichtung geltenden Aufwertungsfaktor, zu erstatten:
1. Beiträge zur Höherversicherung nach diesem Bundesgesetz oder dem GSVG oder dem BSVG, die für Zeiten entrichtet wurden, die vor dem Stichtag nach Abs7 liegen, soweit sie nicht nur nach den §§70 und 249 als entrichtet gelten;
2. Beiträge nach §227 Abs3 dieses Bundesgesetzes oder nach §116 GSVG oder nach §107 BSVG, die für Zeiten entrichtet wurden, die vor dem Stichtag nach Abs7 liegen.
Diese Beiträge sind dem (der) Versicherten auf Antrag auch dann zu erstatten, wenn ein Überweisungsbetrag nach Abs1 nicht zu leisten ist, weil der Dienstgeber keinen Versicherungsmonat anrechnet. §107a gilt entsprechend.
(3a) Ist ein Überweisungsbetrag nach Abs1a zu leisten, so hat der zuständige Versicherungsträger Abs3 Z1 so anzuwenden, dass die aufgewerteten Beiträge zur Höherversicherung zusammen mit dem Überweisungsbetrag an den Dienstgeber zu leisten sind.
(4) Wurde ein in einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis stehender Dienstnehmer gegen Entfall des Entgeltes beurlaubt und wurde mit dem Ende der Beurlaubung nicht gleichzeitig das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis beendet oder ist mit dem Ende der Beurlaubung ein Übertritt oder eine Versetzung in den Ruhestand erfolgt, so steht hinsichtlich der Leistung eines Überweisungsbetrages nach Abs1 oder 1a für die während der Beurlaubung erworbenen Beitragsmonate die Beendigung der Beurlaubung einer Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis im Sinne des Abs1 oder 1a gleich. Gleiches gilt für einen wegen Mitgliedschaft in einem Landesverwaltungsgericht in den zeitlichen Ruhestand versetzten Richter, wenn
1. das befristete Dienstverhältnis als Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes zu einem Land (zur Gemeinde Wien) endet, sein Bundesdienstverhältnis aber weiter andauert, oder
2. das Bundesdienstverhältnis durch Tod endet.
(5) Zuständig für die Feststellung und Leistung des Überweisungsbetrages nach Abs1 und für die Erstattung der Beiträge nach Abs3 ist der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz oder nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, in dessen Versicherung in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nach Abs7 ausschließlich, mehr oder die meisten Versicherungsmonate erworben wurden. Liegen Versicherungsmonate im gleichen Ausmaß vor, so ist der letzte Versicherungsmonat entscheidend; das gleiche gilt, wenn in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine Versicherungsmonate vorliegen. Wurde überhaupt kein Versicherungsmonat erworben, hat jener Versicherungsträger zu entscheiden, bei dem der Antrag eingebracht wurde.
(6) Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages nach Abs1 und für die Erstattung der Beiträge nach Abs3 sind die nachstehend angeführten Hundertsätze der am Stichtag (Abs7) geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (Berechnungsgrundlage):
Angestellte Arbeiter
Träger der männl. weibl. männl. weibl.
Pensionsversicherung der Angestellten 55 40 -- --
Pensionsversicherung der Arbeiter -- -- 45 30
knappschaftlichen Pensionsversicherung 55 40 45 30
(7) Stichtag für die Feststellung des nach Abs5 zuständigen Versicherungsträgers, der nach Abs1 bzw. Abs3 zu berücksichtigenden Versicherungsmonate und der Berechnungsgrundlage nach Abs6 ist der Tag der Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis (§11 Abs5), wenn sie an einem Monatsersten erfolgt, sonst der der Aufnahme folgende Monatserste.
(8) Bei Anwendung der Abs1 und 5 sind Versicherungsmonate nach diesem Bundesgesetz, die auch in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz und (oder) in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz als Versicherungsmonate gelten, nur einfach zu zählen und nur einer der in Betracht kommenden Versicherungen, und zwar in folgender Reihenfolge, zuzuordnen; Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
1.1. §308 Abs6 ASVG regelt nicht die Rechtsstellung der versicherten (männlichen oder weiblichen) Personen, sondern bestimmt, in welchem Ausmaß der Dienstgeber eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses an jenem Beitragsaufkommen beteiligt werden soll, welches (im Umlageverfahren der gesetzlichen Pensionsversicherung) für Zeiträume von Beschäftigungszeiten geleistet wurde, die der Dienstgeber im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis für die Bemessung des Ruhegenusses berücksichtigt, wobei ein Überweisungsbetrag auch für Ersatzzeiten geleistet wird, für die Beiträge nicht entrichtet wurden. Die gesamte Argumentation in der Beschwerde, die eine Verfassungswidrigkeit des §308 ASVG wegen einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts darzutun versucht, geht daher ins Leere, weil weder die Rechtsstellung von weiblichen oder männlichen Dienstnehmern von dieser Bestimmung noch das Ausmaß von deren Pensionsansprüchen berührt wird (vgl. dazu ausführlich VwGH 24.2.2016, 2013/08/0125). Im Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art140 B-VG sind die in der Beschwerde genannten Normen des europäischen Sekundärrechts überdies kein Prüfungsmaßstab. Die Frage, ob §308 Abs6 ASVG allenfalls gegen europäisches Sekundärrecht verstößt, wäre – gegebenenfalls – ebenso von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden, wie die davor liegende Frage, ob es erforderlich ist, zur Klärung dieser Fragen ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.
1.2. Mit Rücksicht darauf, dass der Pensionsversicherungsträger bis zum Eintritt der versicherten Person in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis das Versicherungsrisiko getragen hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt die Erläuterungen zur RV 599 BlgNR 7. GP, 95), steht dem Gesetzgeber in der Frage, ob und in welcher Höhe im Zusammenhang mit der Anrechnung von Versicherungszeiten für den öffentlich-rechtlichen Ruhegenussanspruch an die betreffende Gebietskörperschaft (hier: das Land) ein solcher Überweisungsbetrag geleistet wird, ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Entgegen der Beschwerdeauffassung besteht daher für diesen Fall keine "besondere Verpflichtung des Gesetzgebers", eine bestimmte "soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht zu erfassen". Es kann aus der behaupteten Verpflichtung auch weder eine "diffizilere Betrachtung spezifischer Berufsgruppen" oder gar "eine berufsspezifische, durchschnittliche Stundenlohnberechnung" abgeleitet werden, wie die Beschwerde vermeint.
1.3. Es liegt auch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der für den Fall des Übergangs in ein versicherungsfreies Dienstverhältnis einen Überweisungsbetrag vorsieht, ob dieser Überweisungsbetrag nach den tatsächlich geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen oder ob er nach einem Durchschnittseinkommen des jeweils in Rede stehenden konkreten Versicherten bemessen werden soll oder ob er ihn pauschaliert gewährt, sei es für alle Dienstnehmer in gleicher Höhe unter Heranziehung eines gemeinsamen Durchschnittswertes, sei es für Gruppen von Dienstnehmern unter Heranziehung von Durchschnittswerten in entsprechend unterschiedlicher Höhe. Die vom Gesetzgeber gewählte Regelung muss nur in sich sachlich sein (vgl. VfSlg 15.435/1999 zur Erstattung von Beiträgen nach §308 Abs3 ASVG idF BGBl 31/1973), dh., dass sich im Falle der pauschalierenden Heranziehung unterschiedlicher, als Durchschnittswerte von Arbeitseinkünften ermittelter Bemessungsgrundlagen für bestimmte Gruppen von Versicherten diese aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableiten lassen müssen. Dieses Erfordernis der Entsprechung der rechtlichen mit den tatsächlichen Verhältnissen kann im Hinblick auf wechselnde wirtschaftliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und auf den erwähnten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers jedoch nicht in einem streng mathematisch-rechnerischen Sinne verstanden werden; eine solche Differenzierung bei den Bemessungsgrundlagen muss daher nur im Großen und Ganzen den Unterschieden in den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
1.4. Der Gesetzgeber hat von den erwähnten möglichen Regelungsmodellen in der Zeit nach 1945 in zeitlicher Abfolge zwei vorgesehen: Im Stammgesetz des ASVG (insoweit gemäß §543 Abs2 lita ASVG rückwirkend in Kraft gesetzt mit 1. Jänner 1952) betrug der Überweisungsbetrag für jeden angerechneten Versicherungsmonat einen Prozentsatz der (fiktiven) individuellen Pensionsbemessungsgrundlage nach §238 ASVG. Seit der 29. Novelle zum ASVG, BGBl 31/1973, wurde die Berechnung des Überweisungsbetrages mit dem Ziel einer Verwaltungsvereinfachung geändert und (vgl. die Erläuterungen zur 29. Novelle zum ASVG, RV 404 BlgNR 13. GP, 120) das auch heute noch geltende Pauschalsystem geschaffen, das anstelle der aus Versicherungszeiten mehrerer Versicherungsjahre errechneten Bemessungsgrundlage nunmehr gesetzlich festgelegte, je unterschiedliche Bemessungsgrundlagen für Arbeiter und Angestellte und innerhalb dieser Gruppen für Männer und Frauen vorsieht, die nach einem unterschiedlichen Prozentsatz der Höchstbeitragsgrundlage berechnet werden und die ursprünglich auf "den durchschnittlichen Beitragsgrundlagen der Grundzählungen für die Jahre 1969, 1970 und 1971" (vgl. die Erläuterungen zur 29. Novelle zum ASVG, RV 404 BlgNR 13. GP, 122) beruhten. Seither haben sich die Bemessungsgrundlagen für den Überweisungsbetrag entsprechend der Anpassung der Höchstbeitragsgrundlagen an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung jeweils entsprechend verändert.
1.4.1. Die Pauschalsätze des §308 Abs6 ASVG knüpfen im Gegensatz zu einer Heranziehung des konkreten Arbeitsverdienstes (das ist die Beitragsgrundlage im Sinne der §§44 und 49 ASVG) oder einer anderen dienstnehmerbezogenen Bemessungsgrundlage nicht an das konkrete Dienstverhältnis an, sondern orientieren sich an den Unterschieden im Durchschnittseinkommen der unselbständig erwerbstätigen Männer und Frauen (und der dementsprechend unterschiedlichen Höhe der Beitragsleistung), wobei in diesen Durchschnittseinkommen jeweils alle versicherten Personen der betreffenden Gruppe berücksichtigt sind, gleichgültig, aus welcher Berufsgruppe sie kommen.
1.4.2. An der Zulässigkeit einer solchen Anknüpfung an durchschnittliche faktische Verhältnisse (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vgl. VfSlg 9908/1983) ändert auch der Umstand nichts, dass es unter den nach dem ASVG versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen (die im konkreten Fall beim selben Dienstgeber bestanden haben) solche gibt, bei denen das Entgelt im Rahmen von Gehaltsschemata bemessen wird, welche – wie jenes, dem die Dienstnehmerin im vorliegenden Fall nach den Behauptungen der beschwerdeführenden Partei unterlegen ist – beim Entgelt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede kennen.
1.5. In der Beschwerde wird behauptet, dass gegenüber der Berechnungsgrundlage der 29. Novelle zum ASVG "im Bereich der Einkommensverhältnisse männlicher und weiblicher Angestellter erhebliche Veränderungen in der Einkommensrelation […] eingetreten" seien, welche die in §308 Abs6 ASVG festgelegte, unterschiedliche pauschale Berechnungsweise des Überweisungsbetrages als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen ließen. Abgesehen davon, dass die Beschwerde selbst nicht mit konkreten Zahlen den Beweis für diese Behauptung anzutreten vermag, ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass sich in den maßgeblichen Durchschnittseinkünften dauerhaft eine solche Angleichung zwischen Männern und Frauen ergeben hätte, welche die gesetzliche Regelung auch unter Berücksichtigung zulässiger Unschärfen nunmehr als unsachlich erscheinen ließe.
1.5.1. Die Bemessungsgrundlage für Frauen gemäß §308 Abs6 ASVG beträgt 72,7% jener für Männer. Nach den letzten sozialstatistischen Auswertungen der Lohnsteuerdaten der Statistik Austria hat (unter Einbeziehung von Teilzeitarbeit) im Jahre 2014 das Bruttojahreseinkommen der Frauen (median) insgesamt 61,1% des Bruttojahreseinkommens der Männer betragen (ohne Teilzeitarbeit 82%), bei Angestellten 51,1% und bei Vertragsbediensteten 77,6% (vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html – abgerufen am 11. Oktober 2016). Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, dass die unterschiedliche Pauschalierung in §308 Abs6 ASVG durch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in einer Weise überholt wäre, dass sie nunmehr unsachlich geworden wäre. Die vom Gesetzgeber gewählte Berechnungsmethode wirkt auch nicht auf die faktischen Verhältnisse zurück, sodass auch insoweit von einer Diskriminierung nicht die Rede sein kann.
1.5.2. An dieser Beurteilung vermag schließlich auch der Hinweis der Beschwerde auf die Änderung des §311 ASVG durch die Novelle BGBl I 18/2016 nichts zu ändern: Der beschwerdeführenden Partei ist nämlich entgegenzuhalten, dass die hier maßgebliche Regelung der Übertragung von Beschäftigungszeiten beim Übertritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis mit dem umgekehrten Vorgang des Ausscheidens aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Ruhegenuss im Sinne des §311 ASVG nicht ohne Weiteres vergleichbar ist:
1.5.2.1. Der Übertritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis durch Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Beamter oder durch Einräumung einer dem Beamtendienstverhältnis entsprechenden Rechtsstellung erfolgt nämlich – bei zulässiger Durchschnittsbetrachtung – zu einem Zeitpunkt, zu dem in der gesetzlichen Pensionsversicherung nur Anwartschaften in einem verhältnismäßig geringen Ausmaß erworben worden sind.
1.5.2.2. Der umgekehrte Vorgang, nämlich das Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis, sofern es ohne Anspruch auf Ruhegenuss geschieht, erfolgt in der Regel zeitlich wesentlich später in der Berufslaufbahn und ist im Allgemeinen mit der Übertragung beträchtlich höherer und relativ zeitnah zu realisierender Pensionsansprüche in die Zahlungslast der gesetzlichen Pensionsversicherung verbunden.
1.5.2.3. §308 Abs6 ASVG ist daher allein dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem SRÄG 2010, BGBl I 62/2010 und mit der Novelle BGBl I 18/2016 das Regelungssystem betreffend die Überweisungsbeträge in den Fällen des §311 ASVG geändert hat, nicht verfassungswidrig geworden.
2. Der beschwerdeführenden Partei wird durch das angefochtene Erkenntnis weder eine Leistungsverpflichtung auferlegt noch sonst in ein vermögenswertes Recht oder in eine gleichzuhaltende Anwartschaft eingegriffen. Einen solchen Eingriff sieht §308 ASVG auch gar nicht vor. Soweit in der Beschwerde auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG geltend gemacht wird, ist dieses Grundrecht durch das angefochtene Erkenntnis daher nicht berührt.
3. Ausgehend von der Unbedenklichkeit der Rechtsvorschriften könnte das angefochtene Erkenntnis nur dann mit einer vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet sein, wenn das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt hätte:
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002). Eine Rechtswidrigkeit in dieser Hinsicht wird weder in der Beschwerde behauptet noch ist sie dem Verfassungsgerichtshof erkennbar.
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Überweisungsbetrag, geschlechtsspezifische Differenzierungen, VfGH / Prüfungsmaßstab, EigentumseingriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:E1095.2016Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018