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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung der – zwischen Sach- und Rechtsmängeln differenzierenden – Verjährungsbestimmung für Gewährleistungsansprüche im ABGB; Regelung sachlich begründet und hinreichend determiniertRechtssatz
Abweisung des - zulässigen - Antrags des BG Gänserndorf auf Aufhebung des §933 ABGB.
Im Lichte der Rechtsprechung des VfGH zu Anfechtungsumfang und Präjudizialität angefochtener Bestimmungen (zB VfSlg 17420/2004) ist die Anwendung des (gesamten) §933 Abs1 ABGB im Anlassfall keineswegs denkunmöglich, weshalb von der Präjudizialität der Bestimmung auszugehen ist. Untrennbarer Zusammenhang der Absätze 1, 2 und 3 des §933 ABGB.
Die Differenzierung zwischen Sachmängeln einerseits und Rechtsmängeln andererseits hinsichtlich der Verjährungsfristen ist sachlich begründet.
Ausgangspunkt der unterschiedlichen Regelung von Sach- und Rechtsmängeln in Bezug auf das fristauslösende Ereignis war schon bisher die Erkennbarkeit der Mängel (P.Bydlinski in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 §933 Rz 15; Ofner in: Schwimann/Kodek, ABGB IV4 §933 Rz 10). Während einer Leistung körperlich anhaftende Mängel für den Übernehmer idR erkennbar sind, können Rechtsmängel - wie etwa (beschränkte) dingliche Rechte Dritter - regelmäßig nicht einmal bei gehöriger Prüfung oder bestimmungsgemäßem Gebrauch erkannt werden. Dem Umstand, dass verdeckte Sachmängel ebenfalls verschiedentlich durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht sogleich erkennbar sind, ist durch die allgemeine dispositive Gewährleistungsfrist Rechnung getragen, welche im Zuge des GewRÄG 2001 (GewährleistungsrechtsänderungsG 2001) von sechs Monaten auf zwei Jahre (bzw drei Jahre für unbewegliche Sachen) ausgedehnt wurde.
Dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes vermag der VfGH nicht zu folgen. Es mag vorkommen, dass Sachmängel - gerade bei komplexen technischen Geräten oder verdeckten Mängeln - für den Übernehmer verschiedentlich schwer zu erkennen sind; in einer typisierenden Betrachtung trifft dies aber auf die Kategorie des Sachmangels nicht zu. Umgekehrt sind Rechtsmängel - von Mängeln, die aus Eintragungen im Grundbuch ersichtlich sind, abgesehen - für den Übernehmer eben typischerweise nicht erkennbar.
Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der Übergabe als fristauslösendes Ereignis würde im Falle von Rechtsmängeln eine Gleichbehandlung von Sachverhalten, die Unterschiede im Tatsächlichen aufweisen, bewirken. Angesichts des Umstandes, dass Rechtsmängel häufig erst nach längerer Zeit entdeckt werden, ist unter Berücksichtigung seines Gestaltungsspielraumes dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er bei gesetzlichen Verjährungsregelungen eine längere Geltendmachung von Rechtsmängeln unter Anknüpfung an ein anderes fristauslösendes Ereignis ermöglicht.
Unbedenklichkeit auch der Länge der Gewährleistungsfrist im Falle von Rechtsmängeln - die Regelung liegt innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes und ist nicht unsachlich.
Beurteilung der Vereinbarkeit einer Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz unter Berufung auf allfälliges rechtswidriges Handeln nicht zulässig.
Keine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art18 B-VG.
Schlagworte
Zivilrecht, Verjährung, Auslegung eines Gesetzes, Determinierungsgebot, VfGH / Präjudizialität, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:G418.2015Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018