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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/19/0028Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerden 1. des am 6. Februar 1983 geborenen E N, und 2. der am 26. September 1981 geborenen K N, der Erstbeschwerdeführer vertreten durch die Mutter S N, diese und die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 15. Jänner 1999, 1. Zl. 308.956/3-III/11/98 (betreffend den Erstbeschwerdeführer), und 2. Zl. 308.956/2-III/11/98 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 15. Jänner 1999 wurden die nunmehr als solche auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 3. November 1997 (Erstbeschwerdeführer) bzw. 29. Jänner 1997 (Zweitbeschwerdeführerin) gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 Z. 3 und 5 sowie § 14 Abs. 2 und § 21 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde zum Abweisungsgrund des § 14 Abs. 2 FrG 1997 jeweils aus, nach dieser Bestimmung seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag könne im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen sei, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigt habe oder bereits über einen solchen verfügt habe; dies gelte nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilen Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen solle, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können. Die Beschwerdeführer hätten nach der Aktenlage die Formulare für ihre Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz jeweils von einer dritten Person (Großmutter bzw. Großvater) via österreichische Botschaft in Belgrad bei der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde eingereicht, während sie - sowohl davor als auch danach - in Österreich aufhältig gewesen seien bzw. in Österreich gelebt hätten. Allerdings hätten sie noch nie Aufenthaltsbewilligungen für Österreich gehabt. Damit sei dem § 14 Abs. 2 FrG 1997 nicht Genüge getan. Die Anträge seien daher abzuweisen gewesen.
Da die Beschwerdeführer eindeutig eine Willenserklärung dahingehend abgegeben hätten, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich zu begründen, die belangte Behörde ihren Anträgen jedoch nicht stattgeben dürfe, stelle dies einen Eingriff in die Interessensphäre der Beschwerdeführer dar. In Anbetracht dieses Umstandes habe gemäß § 8 Abs. 3 FrG 1997 eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen unter Anwendung des Art. 8 MRK zu erfolgen. Bei dieser Abwägung sei auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration der Beschwerdeführer bzw. ihrer Familienangehörigen Bedacht zu nehmen. Unter Familie bzw. Familienangehörigen seien nach der Fremdenrechtsmaterie lediglich Angehörige der "Kernfamilie" (z.B. minderjährige Kinder, Ehegatte) zu verstehen, welche außerdem im gemeinsamen Haushalt lebten; über derartige Angehörige verfügten die Beschwerdeführer im Bundesgebiet jedoch nicht. Unter den gegebenen Umständen werde festgestellt, dass die Beschwerdeführer keine Berechtigung zum legalen Aufenthalt in Österreich hätten und weiters nicht gewillt seien, sich an österreichische Gesetze zu halten. Ebenso könnten die Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, weil sie noch nie über eine Bewilligung nach dem AuslBG verfügt hätten. Einen besonders berücksichtigungswürdigen Umstand, welcher höherwertiger zu bewerten und beurteilen wäre als die Nichterteilung der Niederlassungsbewilligung könne die belangte Behörde nicht erkennen. Eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten / familiären schlage sohin zu Ungunsten der Beschwerdeführer aus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht die Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden, sie hätten noch nie über eine Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt. Die belangte Behörde wertete daher die Anträge der Beschwerdeführer vom 3. November 1997 (Erstbeschwerdeführer) bzw. 29. Jänner 1997 (Zweitbeschwerdeführerin) zu Recht als Erstanträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, für die die Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgebend ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist die Norm des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist; eine Antragstellung durch einen Vertreter, während der Fremde in Österreich aufhältig ist, erfüllt die Voraussetzungen dieser Norm nicht. Für die Beurteilung des Vorliegens der in Rede stehenden Erfolgsvoraussetzung ist ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgebend. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt wurden, anzuwenden.
Die Beschwerdeführer treten nun den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden, sie seien im Jänner 1997 (also vor der jeweils durch einen Dritten erfolgen Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Belgrad) nach Österreich eingereist und hätten sich seither ständig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen.
Damit ist aber der Erfolgsvoraussetzung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht Genüge getan. Dies hat die Abweisung der Anträge zur Folge. Eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 unter Bedachtnahme auf die in Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien kam auf Grund der vorliegenden, unter Missachtung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 gestellten Anträge - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0283).
Die Beschwerdeführer berufen sich auf ihre durch Art. 8 MRK geschützten Interessen in Österreich. Sie bringen in diesem Zusammenhang vor, in Wien die Schule zu besuchen, sämtliche Angehörige und ihren Freundeskreis in Wien zu haben. Mit ihrer Ansicht, unter Familienangehörigen seien "natürlich lediglich Angehörige der Kernfamilie" zu verstehen, setze sich die belangte Behörde darüber hinweg, dass die Beschwerdeführer selbst minderjährige Kinder seien, die ihre Eltern in Wien hätten.
Diesen Ausführungen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:
Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 auf die privaten und familiären Interessen derjenigen Personen bereits Rücksicht genommen, die sich in Österreich rechtmäßig niedergelassen haben. Andererseits ging der Gesetzgeber offenbar bewusst davon aus, das jene Fremden, die noch nie im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen waren, gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ihren Antrag vor einer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen haben (vgl. auch dazu das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999).
Aus Anlass der vorliegenden Beschwerden sind auch keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahin entstanden, dass die Umschreibung der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 zu eng wäre und damit gegen Art. 8 MRK verstieße. Der Eingriff in ein gedachtes durch Art. 8 MRK geschütztes Recht der Beschwerdeführer auf Neuzuwanderung zu Wahrung ihrer persönlichen Interessen im Bundesgebiet wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob den Beschwerdeführern ein solches Recht überhaupt zusteht.
Da nach dem Vorgesagten eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde nicht geboten war, geht die Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, den wesentlichen Sachverhalt bei der "Interessenabwägung" zu ermitteln, ins Leere.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob sich die belangte Behörde zu Recht auch auf die übrigen Versagungsgründe gestützt hat.
Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den (neuerlichen) Antrag, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 5. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190027.X00Im RIS seit
03.04.2001