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L6650 FlurverfassungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Teilweise Stattgabe eines Drittelantrags von Abgeordneten zum Tiroler Landtag auf Aufhebung von Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes 1996 in der Fassung 2014; Gleichheitswidrigkeit der Regelungen über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften auf Gemeindegut; zugrundeliegende Prämisse einer Korrelation zwischen erbrachten Leistungen und Ausschüttungen für die als Regelfall angeordnete wechselseitige Abgeltung der vermögenswerten Ansprüche zwischen Nutzungsberechtigten und substanzberechtigter Gemeinde nicht zutreffend; Abweisung des Antrags hinsichtlich der Bestimmungen über die zu leistenden Alm- bzw Weidebeiträge; im Übrigen Zurückweisung des AntragsRechtssatz
Teilweise Zulässigkeit eines Drittelantrags von Mitgliedern des Tiroler Landtages auf Aufhebung von Bestimmungen des Tir FlVLG 1996 (TFLG 1996) idF LGBl 70/2014.
Der Antrag auf Aufhebung des §36h Abs3 lita TFLG 1996 sowie zweier Wortfolgen in §36k Abs2 leg cit (betr die Höhe des auf die landwirtschaftliche Nutzung [Weide] entfallenden Teiles des Bewirtschaftungsbeitrages sowie eine Verordnungsermächtigung) erweist sich als zu eng und damit als unzulässig, weil §36h Abs3 und §36k Abs2 leg cit in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, was auch aus der Anknüpfung des §36h Abs3 vorletzter Satz TFLG 1996 an die in der Verordnung nach §36k Abs2 leg cit festgelegten Ausgangsbeträge für die Ermittlung des auf die land- und forstwirtschaftliche Nutzung (Weide und Wald) entfallenden Teiles des Bewirtschaftungsbeitrages bei der Ermittlung des Bewirtschaftungsbeitrages einer Agrargemeinschaft, deren Gebiet sich über mehrere politische Bezirke erstreckt, erhellt.
Zulässigkeit des Eventualantrags auf Aufhebung des §36h und §36k Abs2 TFLG 1996, soweit er sich gegen §36h Abs3 und Abs4 sowie gegen §36k Abs2 TFLG 1996 richtet.
Die zu weite Anfechtung der nicht in einem untrennbaren Zusammenhang zu §36h Abs3 und Abs4 stehenden Abs1 und Abs2 des §36h leg cit macht nicht den ganzen Eventualantrag unzulässig, sondern führt lediglich zu seiner Zurückweisung in jenem auf Aufhebung des §36h Abs1 und Abs2 TFLG 1996 gerichteten Teil.
Die gegen die angefochtenen Teile des in §49a ff TFLG 1996 geregelten Auseinandersetzungsverfahrens (sowie gegen §46 Abs1 leg cit) vorgebrachten Bedenken richten sich im Wesentlichen gegen zwei in §49b Abs1 und Abs2 leg cit normierte Varianten dieses Verfahrens.
Die Beseitigung von zwei Varianten des Auseinandersetzungsverfahrens (und die gravierende Veränderung der verbleibenden Variante), von einer (der amtswegigen) Art der Einleitung dieses Verfahrens und des Verweises auf die für die Bewertung der Grundstücke iSd §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 (und der Anteilsrechte) in diesem Verfahren sinngemäß anzuwendenen Bestimmungen (die auch auf sämtliche anderen im genannten Gesetz geregelten Verfahrensarten [zumindest sinngemäß] anzuwenden sind) käme einem Akt der positiven Gesetzgebung gleich, der dem VfGH nicht zukommt.
Wenn die Normen aber im Falle ihrer bloß teilweisen Aufhebung einen Inhalt erhielten, der dem Normgeber nicht mehr zusinnbar ist, müssten sie für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit zur Gänze aufgehoben und daher - wegen der Bindung des VfGH an den gestellten Antrag - auch zur Gänze angefochten werden.
Abweisung des Antrags, soweit er sich gegen §36h Abs3 und Abs4 sowie gegen §36k Abs2 TFLG 1996 richtet.
Gegen die Bestimmung der Höhe des auf die landwirtschaftliche Nutzung (Weide) entfallenden Teiles des Bewirtschaftungsbeitrages nach dem Durchschnitt der im jeweiligen politischen Bezirk in einem Wirtschaftsjahr für die Ausübung von Nutzungsrechten auf einer Alm- bzw Weidefläche iSd §33 Abs2 litc Z1 TFLG 1996 für die Erhaltung und Bewirtschaftung zu leistenden Alm- bzw Weidebeiträge gemäß §36h Abs3 lita leg cit bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Der VfGH vermag dem Landesgesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn dieser mit §36h Abs3 TFLG 1996 die Grundlage dafür geschaffen hat, die Bemessung der Bewirtschaftungsbeiträge für die Ausübung sowohl der land- als auch der forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte durch eine generelle Norm vorzunehmen, die sich auf bestimmte Durchschnittsgrößen im jeweiligen politischen Bezirk stützt. §36h Abs3 leg cit ermöglicht somit weder für die Benutzung von Weide noch von Wald eine Abrechnung der tatsächlich aufgelaufenen Aufwendungen in der jeweiligen einzelnen atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft.
Es verletzt weder den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz noch das Eigentumsgrundrecht, wenn der Gesetzgeber innerhalb des ihm im vorliegenden Zusammenhang eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes zur Festsetzung eines angemessenen Beitrages ermächtigt und bei der Bemessung an sachliche Gesichtspunkte - wie hier an die Höhe des für die Ausübung von Nutzungsrechten auf Weiden des typischen Gemeindegutes zu leistenden Zinses - anknüpft.
Aufhebung des §86d TFLG 1996 idF LGBl 70/2014 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz.
Dem Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht entgegenzutreten, wenn er im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften und Gemeinden für die Vergangenheit einer generellen - und damit notwendigerweise pauschalierenden - Lösung zuführt, solange er dabei sachlich vorgeht.
Nach den Erläuternden Bemerkungen (zur RV 157/14 BlgLT [Tir] 16. GP, 34) geht der Gesetzgeber der Novelle LGBl 70/2014 bei der von ihm in §86d Abs1 erster Satz TFLG 1996 als Regelfall der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften auf Gemeindegut iSd §33 Abs2 litc Z2 leg cit angeordneten wechselseitigen Abgeltung der vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl 70/2014 entstandenen (Tag der Kundmachung: 30.06.2014) vermögenswerten Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und auf Grund des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer solchen Agrargemeinschaft, den Nutzungsberechtigten und der substanzberechtigten Gemeinde von einer gewissen Korrelation von erbrachten Leistungen und vorgenommenen zulässigen Ausschüttungen aus. Diese Prämisse mag im Rahmen einer (zulässigen) Durchschnittsbetrachtung für die Vergangenheit zB (vor dem Erkenntnis VfSlg 19802/2013) auf den genannten Bereich der land- und forstwirtschaftlichen - also agrarischen - Nutzung (Überling) zutreffen. Sie trifft jedoch auf jene Fälle nicht zu, in denen in der Regel keine Korrelation zwischen den vereinnahmten Beträgen einerseits und den erbrachten Leistungen der Nutzungsberechtigten andererseits besteht, wie zB bei den von den Antragstellern angesprochenen Grundbenützungsentgelten (für Schilifte und Pisten, Golfplätze, Schottergruben, Handymasten sowie für ober- und unterirdische Leitungen).
Keine hinzunehmenden "Härtefälle" als Folge einer (zulässigen) Durchschnittsbetrachtung; keine nicht vermeidbaren "Systemfehler" (vgl VfSlg 19763/2013).
Bei den angesprochenen Erlösen handelt es sich keineswegs um nicht vorhersehbare Fallkonstellationen. Angesichts der namhaften Beträge, die im Einzelfall strittig sein können, kann auch nicht von einem geringen Maß der Intensität gesprochen werden.
§86d Abs1 TFLG 1996 trifft mit seiner Differenzierung hinsichtlich der unentgeltlichen und entgeltlichen Zuwendungen in den lita und litb zudem eine Regelung, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung in Hinblick auf den Gleichheitssatz ebenfalls nicht standzuhalten vermag.
Mit dem Erk VfSlg 18446/2008 hat der VfGH unter Hinweis auf VfSlg 9336/1982 klargestellt, dass der Substanzwert am Gemeindegut seit jeher der Gemeinde zugestanden ist. Wenn nun geldwerte entgeltliche Zuwendungen (ohne Zustimmung der Gemeinde), die den Substanzwert der Gemeinde geschmälert haben, nur unter den engen Voraussetzungen des §86d Abs1 litb TFLG 1996 einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung unterliegen, wird damit gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoßen.
Ebenso verletzt das Abstellen auf Informationsschreiben der Agrarbehörde erster Instanz im Gefolge von Erkenntnissen des VfGH den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, weil damit an Vorgänge angeknüpft wird, die zur Gänze vom Belieben und von manipulativen Umständen einer Verwaltungsbehörde abhängen. Abstellen auf - sachlich gerechtfertigte - Stichtage jedoch zulässig.
Aufhebung des §86d TFLG 1996 zur Gänze infolge eines untrennbaren Zusammenhanges zwischen der Grundregel des §86 Abs1 erster Satz TFLG 1996 und den Ausnahmen (zweiter Satz) sowie zwischen den Ausnahmetatbeständen der lita bis litc und den übrigen Absätzen.
Schlagworte
Bodenreform, Flurverfassung, Ausnahmeregelung - Regel, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:G219.2015Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018