RS Vfgh 2016/10/15 E945/2016 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 15.10.2016
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Index

34/01 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art2
AEUV Art56 ff
GlücksspielG §2, §3, §4, §5, §14, §21, §52, §53, §54, §56
VfGG §86a

Leitsatz

Keine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols sowie der zahlenmäßigen Beschränkung der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten; tatsächliche Auswirkungen der glücksspielrechtlichen Bestimmungen, insbesondere der Regelungen über Werbemaßnahmen der Inhaber von Glücksspielkonzessionen, mit den Vorgaben des Unionsrechts im Einklang; daher kein Verstoß gegen das Gleichheitsrecht wegen Inländerdiskriminierung

Rechtssatz

Beantwortung der im Beschluss vom 02.07.2016, gemäß §86a VfGG kundgemacht in BGBl I 57/2016, gestellten Rechtsfrage:

Die Rechtsgrundlagen i) für die Bestrafung wegen Übertretung der Verwaltungsstraftatbestände gemäß §52 GlücksspielG (GSpG) idF BGBl I 105/2014, ii) für die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, von sonstigen Eingriffsgegenständen oder von technischen Hilfsmitteln gemäß §53 GSpG idF BGBl I 111/2010, und iii) für die Einziehung von Gegenständen, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des §52 Abs1 GSpG verstoßen wird, gemäß §54 GSpG idF BGBl I 70/2013, verstoßen nicht gegen Unionsrecht (insbesondere Art56 bis Art62 AEUV). Aus diesem Grund kann von vornherein keine Verletzung des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG wegen Inländerdiskriminierung vorliegen.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union darf sich die Prüfung der Unionsrechtskonformität einer nationalen Rechtsvorschrift nicht auf deren Norminhalt beschränken. Es sind vielmehr auch die tatsächlichen Wirkungen dieser Rechtsvorschrift nach ihrer Erlassung in die Beurteilung miteinzubeziehen. Nur dann, wenn die tatsächlichen Wirkungen in Einklang mit dem Ziel stehen, das mit der in Frage stehenden Rechtsvorschrift verfolgt werden soll, ist die Regelung als "kohärent" anzusehen und folglich in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sind die Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit, näherhin des Betriebs von Glücksspielautomaten, durch das Glücksspielmonopol des Bundes (§3 ff GSpG) sowie die zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten, nicht unionsrechtswidrig.

Das seit 1990 in Geltung stehende GSpG baut auf einem in Österreich bereits seit langem bestehenden staatlichen Monopolsystem im Bereich des Glücksspiels auf. Der Bund selbst veranstaltet auf Grundlage des Monopols kein Glücksspiel. Das System des GSpG wirkt sich in der Realität damit wie ein gewöhnliches Konzessionssystem mit einer beschränkten Anzahl zu vergebender Konzessionen aus. Bereits in seiner Stammfassung (BGBl 620/1989) enthielt das GSpG zahlreiche Bestimmungen, die dem Spielerschutz und der Vorbeugung der Spielsucht sowie der Reduktion von Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen dienten. Diese Schutzbestimmungen wurden im Laufe der Zeit weiter entwickelt.

Der Bundesgesetzgeber stellt auch bei der Regelung der in den Kompetenzbereich der Länder fallenden Bereiche des Glücksspiels einen einheitlichen Mindestschutzstandard sicher.

Generell legt das GSpG in §5 Abs1 ein höchstzulässiges Verhältnis zwischen der Anzahl der Glücksspielautomaten im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner, das in den Bundesländern nicht überschritten werden darf, und eine Beschränkung der Anzahl der aufrechten Bewilligungen zum Betrieb von Glücksspielautomaten fest. An Bewilligungswerber werden in §5 Abs2 GSpG bestimmte ordnungspolitische Anforderungen gestellt, die den strengen Vorgaben des §14 und §21 GSpG nachgebildet sind.

Damit entspricht der österreichische Rechtsrahmen im Hinblick auf die Regulierung des Glücksspielsektors den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union festgelegten Anforderungen (vgl ua EuGH 06.11.2003, C-243/01, Gambelli ua; 30.04.2014, C-390/12, Pfleger ua; 11.06.2015, C-98/14, Berlington Hungary Tanácsadó és Szolgáltató kft ua.; 30.6.2016, C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment AG ua).

Eingehende Auseinandersetzung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich mit der Frage der Unionsrechtswidrigkeit in seinen Erkenntnissen zu den vorliegenden Beschwerden mit folgenden Feststellungen:

Dem evidenten Spielsuchtproblem in Österreich sollte gerade auch durch das im GSpG geregelte Monopol entgegengetreten werden, wobei es sich bei der Normierung eines Monopolsystems um eine geeignete Maßnahme handle, um den negativen Erscheinungen unkontrollierten Glücksspieles entgegenzuwirken.

Durch die zur Vollziehung berufenen Behörden erfolge einerseits die Kontrolle der Einhaltung der Anforderungen an die Konzessionäre und andererseits die tatsächliche Verfolgung und Ahndung des illegalen Glücksspiels.

Insbesondere die Kontrollen der Konzessionäre, die Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels, die Festlegung der Anbindung der Glücksspielautomaten und Videolotterieterminals der konzessionierten Unternehmen an die Bundesrechenzentrum GmbH sowie auch die Einrichtung der Spielerschutzstelle, zeigten, dass die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in kohärenter und systematischer Weise erfolgt seien.

Die Werbetätigkeit der Konzessionäre bzw Bewilligungsinhaber habe in ihrer Gesamtheit im Ergebnis jedenfalls kein Wachstum des gesamten Markts für Glücksspiele bewirkt.

Ausgehend von den sachverhaltsmäßigen Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, das sich eingehend mit den tatsächlichen Auswirkungen der einschlägigen Bestimmungen des GSpG, unter anderem mit den Auswirkungen der Werbetätigkeiten der Konzessionäre und Bewilligungsinhaber, auseinander setzte, kann der VfGH keine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols bzw der zahlenmäßigen Beschränkungen der Glücksspielkonzessionen erkennen.

Der VfGH vermag sich der Rechtsauffassung des OGH in seinem Antrag zu G103/2016 ua nicht anzuschließen; der OGH betrachtet nämlich isoliert konkrete Werbetätigkeiten einzelner Konzessionäre, ohne eine gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union vorzunehmen.

Das Ergebnis wird auch durch die Rechtsprechung des VwGH im E v 16.03.2016, Ro 2015/17/0022, gestützt.

Keine Inländerdiskriminierung.

Da eine Unionsrechtswidrigkeit der einschlägigen glücksspielrechtlichen Bestimmungen nicht zu erkennen ist, fehlt es schon an einem wesentlichen Kriterium für einen Sachverhalt, der als sogenannte Inländerdiskriminierung am Gleichheitsgrundsatz zu prüfen wäre. Ein Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG wegen Inländerdiskriminierung scheidet somit aus.

Abweisung der Beschwerden.

Entscheidungstexte

  • E945/2016 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 15.10.2016 E945/2016 ua

Schlagworte

Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Werbung, EU-Recht, Inländerdiskriminierung, Verwaltungsstrafrecht, Beschlagnahme, VfGH / Massenverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:E945.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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