RS Vfgh 2016/10/15 E880/2016

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Veröffentlicht am 15.10.2016
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Index

41/03 Personenstandsrecht

Norm

EMRK Art8 Abs2
NamensänderungsG §3 Abs1 Z2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Abweisung des Antrags auf Änderung des Familiennamens in den früher von der Familie gebrauchten Namen

Rechtssatz

Dem Gesetzgeber ist zunächst nicht entgegenzutreten, wenn er mit dem dritten Tatbestand des §3 Abs1 Z2 NamensänderungsG (NÄG) - der beantragte Familienname ist für die Kennzeichnung von Personen im Inland nicht gebräuchlich - darauf abstellt, dass Familiennamen einen realen Bezugspunkt in der gesellschaftlichen Entwicklung der Namen in Österreich haben müssen und nicht frei erfunden werden dürfen. Indem der Gesetzgeber aber darauf abstellt, ob sich ein bestimmter Begriff als Familienname in der Gesellschaft herausgebildet hat, stellt er notwendig auf Entwicklungen in einer Gesellschaft ab. Insoweit haben Familiennamen, weil sie sich in aller Regel von Vorfahren ableiten, immer auch eine historische Dimension.

Diese verkennt das Verwaltungsgericht Wien, wenn es für die Ermittlung, ob der vom Beschwerdeführer gewünschte Familienname "Zebra" für die Kennzeichnung von Personen im Inland gebräuchlich ist, ausschließlich darauf abstellt, ob sich im Zeitpunkt der gewünschten Namensänderung ein solcher Name als Familienname in Österreich nachweisen lässt. Es ist aber unbestritten, dass jedenfalls zu Lebzeiten des Großvaters des Beschwerdeführers, also in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang, der vom Beschwerdeführer gewünschte Familienname gerade auch nach den vom Verwaltungsgericht Wien angelegten Maßstäben gebräuchlich war. Das Verwaltungsgericht tut diesen Umstand mit dem Hinweis ab, dass der Großvater den Namen eben auch für seine Nachkommen geändert habe. Damit übersieht das Verwaltungsgericht Wien aber, dass es auf die Namenswahl des Beschwerdeführers und seine diesbezügliche Vorstellung von seiner namensbezogenen Identität gemäß Art8 EMRK ankommt. Es ist kein einschlägiger Versagungstatbestand im NÄG ersichtlich, der es dem Beschwerdeführer verwehren würde, von der von seinem Großvater gewünschten Namensänderung wieder zu Gunsten des in früheren Generationen von der Familie geführten Familiennamens abzugehen. Wenn der Beschwerdeführer seine Identität mit jenem Namen verbinden will, den seine Familie früher geführt hat, so steht dem insbesondere §3 Abs1 Z2 3. Tatbestand NÄG nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer damit gerade nicht eine, wie es das Verwaltungsgericht Wien ausdrückt, "Eigenkreation", sondern einen früher von der Familie des Beschwerdeführers in Österreich gebrauchten Namen als Familiennamen wählen will.

Das Verwaltungsgericht Wien hat damit den für den Namen als Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall wesentlichen Zusammenhang mit dem historischen Namen der Familie des Beschwerdeführers verkannt und mit seiner Auslegung §3 Abs1 Z2 NÄG einen mit Art8 Abs2 EMRK nicht zu vereinbarenden Inhalt unterstellt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Namensrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:E880.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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