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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art137 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung der Klage einer Asylwerberin auf Zahlung nicht geleisteter Grundversorgung wegen in Betracht kommender bescheidmäßiger Erledigung des Anspruches; Bescheid auch bei faktischer Verweigerung oder Einschränkung von behaupteterweise zu Unrecht vorenthaltenen Grundversorgungsleistungen zu beantragen; unionsrechtlich gebotener Rechtsschutz angesichts der behördlichen Verpflichtung zur raschen Entscheidung gewährleistet; Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg verfassungsrechtlich und unionsrechtlich nicht zu beanstandenRechtssatz
Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen das Land Oberösterreich geltend, dessen Wurzeln im öffentlichen Recht, nämlich im Oö GrundversorgungsG (Oö GVG), liegen. Die Gewährleistung der Grundversorgung von Fremden, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde, wird in Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften sowie der Grundversorgungsvereinbarung (Bund - Länder) im Wege der Hoheitsverwaltung vollzogen. Diesbezügliche Rechte von Asylwerbern ergeben sich damit aus dem öffentlichen Recht. Damit scheidet es auch aus, dass dieser Anspruch im ordentlichen Rechtsweg auszutragen ist.
Aus den nunmehrigen unionsrechtlichen Vorgaben folgt, dass - anders als dies der VfGH in VfSlg 18525/2008 (also vor der Entscheidung des EuGH vom 27.02.2014, Rs C-79/13, Saciri) angenommen hat - im Gefolge eines Antrages auf internationalen Schutz Versorgungsleistungen im Sinne der Aufnahme-RL und damit der Grundversorgung nach dem einschlägigen Grundversorgungsgesetz vorläufig ungeachtet des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen erbracht werden müssen, bis ein Bescheid ergeht, der den gesetzlichen Anspruch auf diese Leistungen verweigert, einschränkt oder entzieht.
Wird dieser Verpflichtung zuwider die Leistung, noch bevor ein entsprechender Bescheid ergangen ist, faktisch vorenthalten, so ist der Asylwerber auf die Beschreitung des Rechtsweges angewiesen, um diese Leistung - gegebenenfalls vorläufig - durchzusetzen.
Aus der Sicht des Asylwerbers und der unionsrechtlichen Vorgaben für den Rechtsschutz, insbesondere auch des Art47 GRC, ist für den Asylwerber entscheidend, dass er im Regelfall seinen bestehenden (Ersatz-)Leistungsanspruch wirksam durchsetzen kann.
Gerade in Fällen der Grundversorgung ist von einer Behörde zu erwarten, dass sie das Ermittlungsverfahren möglichst rasch abschließt und sofort einen Bescheid erlässt, schon um im Falle schuldhafter Säumnis eine Rechtswidrigkeit zu vermeiden, die zu einer Amtshaftung führen würde (siehe mwN VfSlg 18525/2008). Angesichts dieser Verpflichtung und der Sachnähe der für die Vollziehung hier des Oö GVG im Anwendungsbereich der Aufnahme-RL zuständigen Behörde (die Leistungen der Grundversorgung mit Bescheid zu verweigern, einzuschränken oder zu entziehen hat) sowie des bloß subsidiären Charakters einer Klage nach Art137 B-VG ist der gebotene Rechtsschutz gewährleistet, wenn der Asylwerber in jedem Fall, also sowohl für die Durchsetzung als auch für die Geltendmachung von (Ersatz-)Ansprüchen bei faktischer Verweigerung der Grundversorgungsleistungen auf den Verwaltungs(gerichts)weg verwiesen ist.
Hinweis auf die Entscheidung des VwGH 14.04.2016, Ra 2015/21/0190, in der mit ausführlicher Begründung dargelegt wird, dass diese Konstruktion des Rechtsschutzes mit den Anforderungen des Unionsrechts, insbesondere mit Art26 der Aufnahme-RL in Verbindung mit Art47 GRC und auch mit dem Effektivitätsgrundsatz im Einklang steht.
Der Verwaltungsrechtsweg ist auch für jene Konstellationen wie die hier vorliegende eröffnet, in der die Klägerin, der nunmehr Grundversorgungsleistungen gewährt werden, Ersatz dafür beansprucht, dass ihr vordem (ihrer Meinung nach zu Unrecht) Grundversorgungsleistungen faktisch vorenthalten wurden. Gleiches gilt im Übrigen für jene Fallkonstellationen, in denen ein Asylwerber die (bloß faktische) Einschränkung ihm zustehender Grundversorgungsleistungen im Sinne einer mangelhaften Grundversorgung behauptet und dafür einen entsprechenden Ersatz begehrt. Auch in diesen Fällen bleibt der Asylwerber darauf verwiesen, einen Bescheid zu beantragen, weil wegen des Sachzusammenhangs auch die Entscheidung über allfällige Ersatzansprüche dem Rechtsweg in der Hauptsache der Entscheidung über die Leistung selbst folgt. Der Asylwerber ist damit gehalten, bei faktischer Verweigerung oder Einschränkung der Grundversorgung jedenfalls einen Bescheid zu beantragen. Er muss in diesen Fällen also seinen Anspruch gegenüber der Verwaltung geltend machen und kann nicht zunächst hinnehmen, dass ihm behaupteterweise zustehende Leistungen aus der Grundversorgung vorenthalten werden und (nur) im Nachhinein (Geld-)Ersatz begehren. Das ist verfassungsrechtlich wie unionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin muss also, ungeachtet des Umstandes, dass sie zwischenzeitig Grundversorgung bezieht, einen Bescheid nach §3 Abs2 iVm Abs6 Oö GVG erwirken, mit dem darüber abgesprochen wird, ob der Klägerin für den von ihr beanspruchten Zeitraum Grundversorgungsleistungen zustehen. Damit kommt für die Klägerin aber eine bescheidmäßige Erledigung ihres Anspruchs in Betracht, was die Zulässigkeit einer Klage nach Art137 B-VG ausschließt.
Kein Kostenzuspruch gem §41 VfGG; zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war es nicht notwendig, im Verfahren vor dem VfGH einen Rechtsanwalt mit der Vertretung des Landes Oberösterreich zu betrauen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Grundversorgung, Rechtsschutz, EU-Recht Richtlinie, VfGH / Klagen, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:A15.2015Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018