RS Vfgh 2016/12/1 E1110/2015 ua

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Veröffentlicht am 01.12.2016
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Index

26/02 Marken- und Musterschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
I. Genfer Abkommen zum Schutz der Opfer des Krieges, BGBl 155/1953 Art53
EMRK 1.ZP Art1
RotkreuzG §8 Abs1 litd, Abs3, §9

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die gesetzliche Beschränkung der Verwendung und Nachahmung von Zeichen des Roten Kreuzes; klare Unterscheidbarkeit des Roten Kreuzes von anderen Organisationen zur Erfüllung der humanitären Aufgaben im Rahmen völkerrechtlicher Verträge unerlässlich und angesichts der vielfältigen Alternativen anderer Organisationen in der Verwendung von Zeichen zur Charakterisierung ihrer Tätigkeiten (etwa im Bereich des Rettungsdienstes) nicht unverhältnismäßig; keine willkürliche Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verstoßes gegen das Rotkreuzgesetz

Rechtssatz

Die Bestimmungen des Rotkreuzgesetzes sind in Umsetzung der sich aus dem I. Genfer Abkommen zum Schutze der Opfer des Krieges (in der Folge: I. Genfer Abkommen), BGBl 155/1953, insbesondere aus seinem Art53, ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen ergangen. Dies gilt auch für §8 Abs1 Rotkreuzgesetz, der ua das Verwenden des Zeichens des Roten Kreuzes und von Zeichen, die eine Nachahmung darstellen, verbietet.

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Blickwinkel des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums und des Gleichheitsgrundsatzes, wenn der Gesetzgeber die Verwendung von Zeichen des Roten Kreuzes und ihre Nachahmung verbietet und unter Strafe stellt bzw an die Zustimmung des Roten Kreuzes bindet.

Die Beschränkung des Verwendens und der Nachahmung der Zeichen des Roten Kreuzes bildet eine Eigentumsbeschränkung, die der Unterscheidbarkeit des Roten Kreuzes dient, die Voraussetzung der Erfüllung seiner durch völkerrechtliche Verträge im Bereich des humanitären Völkerrechts determinierten Aufgaben ist, insbesondere in bewaffneten Konflikten, aber auch jenseits dessen. Es liegt - unabhängig vom Bestehen der völkerrechtlichen Verpflichtung nach Art53 I. Genfer Abkommen - gleichermaßen im öffentlichen Interesse, diese Aufgabenerfüllung, die für konkrete Situationen durch den Schutz der Zeichen abgesichert wird (etwa als Schutzzeichen während Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten), auch dadurch zu unterstützen, dass der Schutz dieser Zeichen auch zu anderen Zeiten bei der Erfüllung dieser Aufgaben vorgesehen wird, damit das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenzen und die nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Rothalbmondes national wie international gesehen im Bewusstsein der Öffentlichkeit mit ihren unverwechselbaren Zeichen nachhaltig etabliert werden und bleiben.

Eine solche Beschränkung ist nicht unverhältnismäßig. Die Schwere des Eingriffs ist angesichts der vielfältigen anderen Möglichkeiten von Personen, Einrichtungen und Unternehmen, die Tätigkeiten etwa im Bereich der Tiermedizin oder des Rettungsdienstes ausüben, diese durch Zeichen in der Außendarstellung zu charakterisieren, im Verhältnis zum Gewicht der rechtfertigenden Gründe geringer, weil es ein Interesse von erheblicher Bedeutung ist, das Rote Kreuz im Hinblick auf potentiell jederzeit zu erfüllende Aufgaben im humanitären Völkerrecht mit seinen Zeichen mit dem Ziel der klaren Unterscheidbarkeit in besonderem Maße zu schützen. Die Beschränkung in Rechten nach Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK ist daher - nicht zuletzt im Hinblick auf die völkerrechtliche Verpflichtung der Republik Österreich aus Art53 I. Genfer Abkommen - gerechtfertigt.

Im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Erfüllung der Aufgaben des Roten Kreuzes und die möglichen Alternativen in der Verwendung von Zeichen ist es auch nicht in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise unsachlich, wenn der Gesetzgeber die Verwendung des Zeichens des Roten Kreuzes grundsätzlich an eine Ermächtigung des Roten Kreuzes bindet und im Übrigen dessen Verwendung und Nachahmung unter verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion untersagt.

Keine Willkür durch Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verstoßes gegen §8 Abs1 litd RotkreuzG: im Verfahren zu E1110/2015 über die Geschäftsführerinnen einer Tierklinik wegen missbräuchlicher Verwendung einer Nachahmung des Rotkreuzzeichens (rotes Kreuz mit eingefügter Tierpfote), im Verfahren zu E 2288/2015 über einen Vereinspräsidenten wegen Verwendung eines beim Österreichischen Patentamt als Wort-Bild-Marke registrierten Kennzeichens (Hundekopf vor einem mit roten Flächen begrenzten weißen Kreuz) als Logo.

Der VfGH folgt dem VwGH in der Annahme, dass entscheidend ist, ob die Möglichkeit besteht, dass die kennzeichenmäßige Verwendung der Nachahmung des Rotkreuzzeichens zu Verwechslungen mit dem Zeichen des Roten Kreuzes als solchem - unabhängig von dessen Verwendung durch die beschwerdeführende Partei in einem konkreten Umfeld - führt (VwGH 24.05.2012, 2011/03/0172; VwGH 27.01.2016, Ra 2015/03/0092).

Entscheidungstexte

  • E1110/2015 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 01.12.2016 E1110/2015 ua

Schlagworte

Markenschutz, Rotes Kreuz, Völkerrecht, Eigentumsbeschränkung, Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:E1110.2015

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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