Index
10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der generellen Ausnahme des Insolvenzverfahrens von der Möglichkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Normenkontrolle im Hinblick auf die gebotene enge Auslegung des Ausnahmetatbestandes und den besonderen Zweck der zu subsumierenden VerfahrenRechtssatz
Zulässigkeit des - aus Anlass eines Parteiantrages - von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens trotz Zurückziehung des Rekurses in dem diesem Antrag zugrunde liegenden zivilgerichtlichen Verfahren durch die rechtsmittelwerbende Gesellschaft, die zugleich die beim VfGH antragstellende Partei ist.
Da die antragstellende Partei den vorliegenden (Partei-)Antrag nicht zurückzog, hat der VfGH weiterhin dessen Zulässigkeit zu prüfen (und demgemäß §62a Abs1 Z8 VfGG anzuwenden). Die von Amts wegen in Prüfung gezogene Bestimmung des §62a Abs1 Z8 VfGG ist daher im vorliegenden Fall weiterhin präjudiziell und das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren fortzusetzen.
Keine Aufhebung des §62a Abs1 Z8 VfGG idF BGBl I 92/2014.
Die Erwägungen des VfGH zum Ausnahmetatbestand "Exekutionsverfahren" in §62a Abs1 Z9 VfGG (G537/2015 ua, E v 08.03.2016) sind in ihrem Kern auf die Auslegung und in der Folge auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des Ausnahmetatbestandes "Insolvenzverfahren" in §62a Abs1 Z8 VfGG übertragbar:
Das Exekutionsverfahren, genauso wie das Insolvenzverfahren, bezweckt die möglichst zeitnahe Befriedigung der Gläubiger durch zwangsweise Vollstreckung. Im Exekutionsverfahren gelten die individuelle Spezialexekution und das Prioritätsprinzip. Im Insolvenzverfahren tritt an die Stelle der individuellen Spezialexekution durch die einzelnen Gläubiger die kollektive Rechtsverfolgung; alle Gläubiger werden in einem Verfahren in einer Verlustgemeinschaft zusammengefasst: Sie tragen verhältnismäßig den teilweisen Ausfall aller ihrer Forderungen. Neben dem Insolvenzverfahren sind weder Klagen noch Einzelexekutionen möglich.
Der Ausnahmetatbestand "Insolvenzverfahren" in §62a Abs1 Z8 VfGG ist - ebenso wie der Ausnahmetatbestand "Exekutionsverfahren" in §62a Abs1 Z9 VfGG - eng auszulegen: Der Tatbestand "Insolvenzverfahren" erfasst nur Verfahren nach jenen Vorschriften, die das eigentliche Insolvenzverfahren regeln. Sonstige Verfahren, die im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, wie zB Verfahren zur Klärung streitiger Rechtssachen (zB Anfechtungs- oder Prüfungsverfahren) gehören hingegen nicht zum Insolvenzverfahren im Sinne des §62a Abs1 Z8 VfGG.
Bei diesem (engen) Verständnis des Begriffes "Insolvenzverfahren" begegnet der Ausnahmetatbestand des §62a Abs1 Z8 VfGG keinen Bedenken in Hinblick auf Art140 Abs1a B-VG:
Das Insolvenzverfahren weist - wie auch das Exekutionsverfahren - auf Grund seines Zweckes Spezifika auf, die es dem Gesetzgeber erlauben, von der ihm durch Art140 Abs1a B-VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und für das Insolvenzverfahren die Stellung eines Parteiantrages für unzulässig zu erklären.
(Anlassfall G361/2015 ua, B v 02.12.2016, Zurückweisung des Parteiantrages mangels Vorliegens mehrerer Prozessvoraussetzungen).
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Präjudizialität, Insolvenzrecht, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:G647.2015Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018