Index
72/01 HochschulorganisationNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung des UniversitätsG 2002 über den Erlass bzw die Rückerstattung des Studienbeitrags wegen Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit; unsachliche Auswirkungen der Regelung infolge Abstellens auf ein Jahreseinkommen im einkommensteuerrechtlichen Sinn; Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der StudienbeitragsV 2004 mangels gesetzlicher GrundlageRechtssatz
Aufhebung des §92 Abs1 Z5 UniversitätsG 2002 - UG idF BGBl I 79/2013 sowie der Ziffernfolge ", 5" im ersten Halbsatz und der Ziffer 3 des §2b Abs4 der StudienbeitragsV 2004 - StubeiV 2004 idF BGBl II 211/2010.
Der Tatbestand des §92 Abs1 Z5 UG soll für den Erlass bzw die Rückerstattung von Studienbeiträgen den Aspekt der zeitlichen Inanspruchnahme von Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit berücksichtigen. §92 Abs1 Z5 UG stellt auf ein Jahreseinkommen im einkommensteuerrechtlichen Sinn in einer bestimmten Höhe "als Gradmesser für die zeitliche Belastung" ab.
Wenn der Gesetzgeber damit aus verwaltungsökonomischen Gründen das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme von Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit am Maßstab des mit dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens misst, ist dem unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten. Dass die vom Gesetzgeber hiezu in §92 Abs1 Z5 UG vorgesehene Mindestverdienstgrenze in Höhe des 14-fachen der Geringfügigkeitsgrenze nach §5 Abs2 ASVG mitunter nur bedingt Auskunft über die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit gibt, führt für sich genommen noch nicht zur Unsachlichkeit der Regelung.
Für Studierende, die ein entsprechendes Erwerbseinkommen (auch) aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielen, führt die Regelung des §92 Abs1 Z5 UG jedoch zu unsachlichen Ergebnissen. So kann die steuerliche Berücksichtigung etwa von Investitionen dazu führen, dass das Jahreseinkommen, auf das §92 Abs1 Z5 UG abstellt, unter die dort genannte Mindestverdienstgrenze absinkt, obwohl - lässt man diese Investitionen außer Betracht - ein über dieser Verdienstgrenze liegendes Einkommen erwirtschaftet würde. Ebenso kann der Umstand, dass §92 Abs1 Z5 UG auf das Jahreseinkommen abstellt, bei Studierenden, die sowohl unselbständig als auch selbständig erwerbstätig sind, dazu führen, dass - obwohl das Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit über der Mindestverdienstgrenze des §92 Abs1 Z5 UG liegt - ihr Jahreseinkommen wegen der steuerlichen Berechnung des Jahreseinkommens insgesamt unter der genannten Mindestverdienstgrenze zu liegen kommt. In all diesen Fällen sagt das Unterschreiten der in §92 Abs1 Z5 UG vorgesehenen Verdienstgrenze jedoch nichts über die zeitliche Inanspruchnahme des Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit aus.
Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum Studierende auf die Geltendmachung einkommensteuerrechtlicher Vorteile verzichten sollen, um in den Genuss der finanziellen Begünstigung des §92 Abs1 Z5 UG zu kommen, wenn die Regelung ansonsten diese Begünstigung jedem erwerbstätigen Studierenden auch mit noch so hohem Einkommen zugesteht. Wenn die Regelung auch Studierende begünstigt, die sich - gemessen am Indikator ihres Jahreseinkommens - hauptsächlich ihrer Erwerbstätigkeit und untergeordnet dem Studium widmen, dann ist es sachlich nicht gerechtfertigt, für bestimmte erwerbstätige Studierende mit geringerem Jahreseinkommen diese Begünstigung davon abhängig zu machen, dass sie auf gesetzlich vorgesehene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten verzichten.
Eine diese unsachliche Konsequenz vermeidende differenzierende Auslegung des Begriffes "Jahreseinkommen" kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil dem Gesetz keine näheren Anhaltspunkte für ein solches differenziertes Verständnis des Jahreseinkommens zu entnehmen sind.
§92 Abs1 Z5 UG verstößt somit gegen den Gleichheitsgrundsatz. Diese Bestimmung ist daher - weil Satz 1 und Satz 2 des §92 Abs1 Z5 UG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen - zur Gänze aufzuheben.
Mit der Aufhebung des §92 Abs1 Z5 UG haben die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §2b Abs4 StubeiV 2004 ihre gesetzliche Grundlage verloren und sind daher schon deshalb als gesetzwidrig aufzuheben.
Setzung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Bestimmungen (30.06.2018), um dem Gesetzgeber und in der Folge dem Verordnungsgeber die Möglichkeit einer Neuregelung einzuräumen und gleichzeitig ein Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmungen während eines laufenden Semesters zu verhindern.
(Anlassfall E2383/2015, E v 12.12.2016, Abweisung der Beschwerde).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Hochschulen, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:G88.2016Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018