RS Vfgh 2016/12/12 E952/2016

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Veröffentlicht am 12.12.2016
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Index

90/01 Straßenverkehrsrecht

Norm

KFG 1967 §103 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung; vertretbare Annahme der Verletzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers; keine Bestrafung wegen Nichtbeantwortung einer Lenkeranfrage

Rechtssatz

Anders als im Fall Weh, EGMR 08.04.2004, Appl 38544/97, erfolgte im vorliegenden Fall keine Bestrafung wegen Nichtbeantwortung der Lenkeranfrage, sondern wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. In diesem Verwaltungsstrafverfahren trifft den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer eine Mitwirkungspflicht, da von einem Zulassungsbesitzer, der das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat, erwartet werden kann, dass er konkret darlegen kann, dass er als Lenker ausscheidet (VwGH 20.09.1996, 96/17/0320, und die darauf aufbauende Judikatur). Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht reichen allgemein gehaltene Behauptungen oder bloßes Leugnen nicht für die Glaubhaftmachung eines Umstandes aus. Die Mitwirkungspflicht erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären. Ausweichende Antworten dürfen auch dahingehend gewürdigt werden, dass der Beschwerdeführer die ihm obliegende Mitwirkungspflicht verletzt und die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat (VwGH 06.11.2002, 2001/02/0273).

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass nicht er selbst das Fahrzeug gelenkt habe, sondern ein Kaufinteressent, dem er das Fahrzeug zur Probefahrt überlassen habe. Da der Beschwerdeführer Name und Anschrift des Kaufinteressenten aber nicht vorgelegt und somit nicht glaubhaft gemacht hat, dass er als Lenker tatsächlich ausscheidet, ist dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorzuwerfen, wenn es das Vorbringen des Beschwerdeführers als Schutzbehauptung wertet und von der Verletzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers ausgeht.

Anders als in der Rechtssache Krumpholz, EGMR 18.03.2010, Appl 13201/05, wurde im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stützt seine Entscheidung auf die als nicht glaubwürdig erachtete Verantwortung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Dem ist aus Sicht des VfGH nicht entgegenzutreten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Straßenpolizei, Geschwindigkeitsüberschreitung, Kraftfahrrecht, Lenkerauskunft, Verwaltungsstrafrecht, Verhandlung mündliche, fair trial, Mitwirkungspflicht der Parteien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:E952.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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