RS Vfgh 2016/12/13 KI5/2016

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Veröffentlicht am 13.12.2016
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Index

25/01 Strafprozess

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art138 Abs1 Z2
StPO §71, §87, §106

Leitsatz

Vorliegen eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen einem ordentlichen Gericht und dem Landesverwaltungsgericht Tirol; Feststellung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zur Entscheidung über eine Beschwerde betreffend ein exzessives Handeln durch Beamte der Kriminalpolizei bei einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung im Rahmen eines Privatanklageverfahrens; keine Anwendbarkeit der Regelung über den speziellen Rechtsschutz der StPO mangels eines in Privatanklageverfahren stattfindenden Ermittlungsverfahrens

Rechtssatz

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat seine Zuständigkeit zu Recht verneint: Strafverfahren auf Grund einer Privatanklage sind seit 01.01.2008 ausschließlich als Hauptverfahren zu führen. Demgemäß findet ein Ermittlungsverfahren im Sinne des zweiten Teiles der Strafprozessordnung nicht statt (§71 Abs1 letzter Halbsatz StPO). Damit scheidet in der hier vorliegenden Konstellation eine Anwendung des §106 StPO von vornherein aus.

Die hier in Rede stehenden behördlichen Akte sind, soweit sie in Durchführung richterlicher Anordnungen gesetzt worden sind, funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen; bei offenkundiger Überschreitung der richterlichen Anordnung liegt hingegen insoweit ein der Verwaltungsbehörde zuzurechnendes Organhandeln vor, das nach Art130 Abs1 Z2 B-VG als Maßnahmenbeschwerde vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Beschwerde gezogen werden kann.

Da im strafprozessualen Hauptverfahren §106 StPO nicht zur Anwendung kommt und im Hauptverfahren auch keine vergleichbare Bestimmung besteht (auch §87 Abs1 StPO eröffnet eine Beschwerdemöglichkeit nur gegen "gerichtliche Beschlüsse" und nicht gegen diese Ermächtigung übersteigendes, exzessives behördliches Handeln), steht gegen "exzessives Handeln" der Kriminalpolizei bei Erhebungen im Hauptverfahren, die in der gerichtlichen Bewilligung behauptetermaßen eindeutig keine Deckung finden, der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht nach Art130 Abs1 Z2 B-VG offen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist daher zuständig, über die Beschwerde der Antragstellerinnen, soweit sie sich gegen Akte der einschreitenden Polizeiorgane richtet, durch die im Zuge einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung die Ermächtigung durch den Gerichtsbeschluss behauptetermaßen eindeutig überschritten wurde, in der Sache zu entscheiden. Es hätte daher über die Beschwerde der Antragstellerinnen eine Sachentscheidung treffen müssen.

Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichthofs und des Landesverwaltungsgerichtes.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Strafprozessrecht, Rechtsschutz, Verwaltungsgericht Zuständigkeit, Gericht Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:KI5.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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