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10/12 Politische Parteien, InteressenvertretungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung der Beschwerde einer politischen Partei gegen die Verhängung einer Geldbuße wegen Überschreitung des Höchstbetrags für Wahlwerbungsausgaben bei der Nationalratswahl 2013; keine Bedenken gegen die angewendeten - der Chancengleichheit der Parteien dienenden - Bestimmungen des Parteiengesetzes 2012 über die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben; Regelung im Hinblick auf die Kompetenz des Bundes als Wahlrechtsgesetzgeber nach verfassungskonformer Interpretation nur auf die Nationalratswahl und die Wahl zum Europäischen Parlament anwendbar; keine Unsachlichkeit der festgesetzten maximalen Höhe der Ausgaben; kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Grundsatz der Freiheit der Wahl und die Meinungsäußerungsfreiheit; keine Bedenken gegen die Bemessung der Geldbuße; Geldbuße keine Strafe im Sinne der EMRKRechtssatz
Das ParteienG 2012 (PartG) enthält verfassungsrechtliche Garantien für die Gründungs-, Bestands- und Betätigungsfreiheit politischer Parteien iSd §1 Abs2 PartG. Nach der Verfassungsbestimmung des §1 PartG sind die Existenz und die Vielfalt politischer Parteien wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich.
Die Betätigungsfreiheit politischer Parteien gilt trotz der verfassungsgesetzlichen Garantie des §1 Abs3 PartG nicht uneingeschränkt.
Durch eine Beschränkung der Wahlwerbungskosten wird das wesentliche Ziel politischer Parteien, "ihre[...] politischen Vorstellungen im Wege der Ausübung staatlicher Funktionen durch ihre Beauftragten und Vertrauensträger in den verschiedenen Gremien der Gesetzgebung und staatlichen Verwaltung" zu verwirklichen, "ganz besonders in den allgemeinen Vertretungskörpern" (vgl VfSlg 14803/1997) nicht unterbunden; vielmehr dient die Beschränkung der Wahlwerbungskosten - so wie die Parteienförderung - der Chancengleichheit der politischen Parteien, die sich an den Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern beteiligen.
Eine Regelung zur Begrenzung der Wahlwerbungsausgaben kommt jenem Gesetzgeber zu, in dessen Kompetenz die Regelung des Wahlrechtes fällt, sodass der Bund Wahlwerbungsausgabenbeschränkungen nur hinsichtlich der Nationalratswahl, der Wahlen zum Europäischen Parlament und der Wahl des Bundespräsidenten vorsehen kann, während die Normierung solcher Beschränkungen betreffend die Landtags- und Gemeinderatswahlen sowie die Wiener Bezirksvertretungswahlen in die Kompetenz der Länder fällt.
Das Verbot des §4 Abs1 PartG ist zwar überschießend formuliert, soweit es auch Landtags- und Gemeinderatswahlen sowie die Wahlen zu den Wiener Bezirksvertretungen erfasst, ist es jedoch einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich.
Nach verfassungskonformer Interpretation des §4 PartG sind nur jene Wählergruppen erfasst, die bei bundesgesetzlich zu regelnden Wahlen einen Wahlvorschlag eingebracht haben. Für die nähere Ausgestaltung der Anforderungen an wahlwerbende Parteien, hinter denen keine politischen Parteien stehen, ist der jeweilige Wahlrechtsgesetzgeber zuständig, für die Nationalratswahl kommt diese Kompetenz nach Art10 Abs1 Z1 B-VG dem Bund zu (bzw Z1a für die Wahl zum Europäischen Parlament).
Nach verfassungskonformer Auslegung ist die Regelung lediglich auf die Nationalratswahl und die Wahl zum Europäischen Parlament anwendbar. Das Argument der Unsachlichkeit einer einheitlichen Höchstgrenze für bundes-, landes- und gemeindeweite Wahlen ist demnach hinfällig, wenn man §4 PartG so interpretiert, dass die Begrenzung - neben der explizit genannten Wahl zum Europäischen Parlament - nur für die Nationalratswahl gilt. Der VfGH vermag angesichts dieses Ergebnisses nicht zu erkennen, dass die in §4 Abs1 PartG festgesetzte Höhe von 7 Millionen Euro (an sich) unsachlich wäre, zumal die Höhe an die Angaben der Parteien zur Nationalratswahl 2006 anknüpft und einen geeigneten Wahlkampf auf Bundesebene jedenfalls ermöglicht.
Insbesondere gilt diese Grenze und die damit verbundene Rechenschafts- und Offenlegungspflicht für alle politischen Parteien, die sich an einer Wahl beteiligen, in gleicher Weise. Die konkrete Ausgestaltung (des persönlichen Anwendungsbereiches) der Regelung liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und das Abstellen auf politische Parteien ist angesichts der Korrelation von Fördermitteln und dem Antreten (sowie dem Erreichen einer gewissen Wählerunterstützung) von politischen Parteien bei einer Nationalratswahl sachlich gerechtfertigt.
Keine Präjudizialität von §10 Abs6 iVm §5 Abs3 PartG (betr Sanktionen wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben im Rechenschaftsbericht) im vorliegenden Verfahren.
Keine Bedenken gegen die maßgeblichen Bestimmungen des PartG unter dem Gesichtspunkt des Art18 Abs1 B-VG.
§4 PartG ist unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden einer Auslegung zugänglich, auf deren Grundlage die von der Höchstgrenze erfassten Ausgabenarten bestimmt werden können. Der Begriff "Wahlwerbungsausgaben" ist in §2 Z4 PartG definiert als die Ausgaben, die eine politische Partei oder eine wahlwerbende Partei, die keine politische Partei ist, ab dem Stichtag der Wahl bis zum Wahltag spezifisch für die Wahlauseinandersetzung aufwendet; zudem enthält §4 Abs2 PartG eine hinreichend genaue, demonstrative Aufzählung möglicher Wahlwerbungsausgaben, die in §2 Z4 PartG konkretisiert wurden. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VfGH zu "unbestimmten Rechtsbegriffen" erweist sich der Begriff "Wahlwerbungsausgaben" in §4 Abs1 PartG - angesichts der demonstrativen Aufzählung in §4 Abs2 leg cit - als hinreichend bestimmt.
Auch die Bedenken gegen die Art der Bemessung der Geldbuße nach §10 PartG treffen nicht zu.
Bei der Geldbuße nach §10 Abs8 PartG handelt es sich um keine Strafe iSd Art6 EMRK.
Das Verfahren zur Verhängung einer Geldbuße ist nicht als Strafverfahren zu qualifizieren. Auch die Natur des Vergehens ist nicht strafrechtlich iSv Art6 EMRK.
Bei der Geldbuße nach §10 Abs8 PartG handelt es sich um eine Sanktion, die auf die Wiederherstellung der Chancengleichheit der (wahlwerbenden) Parteien dadurch, dass Verstöße gegen das Verbot des §4 Abs1 PartG zu signifikanten finanziellen Sanktionen führen, abzielt. Hinsichtlich jener Parteien, die wiederkehrende Förderungen erhalten, soll - den Materialien zufolge - die Geldbuße bei der nächstfolgenden Möglichkeit vom auszuzahlenden Betrag abgezogen und der so verminderte Betrag ausgezahlt werden; ansonsten soll die Geldbuße eingefordert werden. Somit werden "nicht-pönale" Konsequenzen an eine gesetzlich verbotene, überschießende Mittelverwendung (vor allem aus der Parteienförderung) geknüpft und so eine rechtswidrige Mittelverwendung rückgängig gemacht, auch wenn diese nicht mit der Höhe beschränkt ist, die den Parteien im Rahmen der staatlichen Parteienförderung zugeflossen sind.
Ein "Verschulden" der politischen Partei ist für die Verhängung einer Geldbuße nach §10 PartG ausdrücklich nicht erforderlich.
Den Erfordernissen an die Bestimmtheit von Normen iSd Art18 B-VG wird Genüge getan, da schon aus der Textierung des §10 Abs8 PartG ein klarer, betraglich gestaffelter und an der Überschreitungshöhe orientierter Rahmen für die Geldbuße ersichtlich ist. Bei der Bemessung der Geldbuße nach dem PartG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung im Rahmen eines besonderen Sanktionensystems. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße lassen sich aus der in §10 Abs6 und Abs7 PartG enthaltenen Formulierung "je nach Schwere des Vergehens" ableiten. Neben den gesetzlichen, prozentuell vom Überschreitungsbetrag abhängigen Bemessungsfaktoren sind auch die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, sodass eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände erfolgt, nicht bloß eine schlichte Rechenoperation.
Eine Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben verstößt nicht gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl, da so das Ziel der Chancengleichheit zwischen Parteien mit großen finanziellen Möglichkeiten und Parteien mit geringeren finanziellen Möglichkeiten bei der Wahlbewerbung gewährleistet werden soll, was auch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt. Die Wahlwerbung wird damit keiner Partei verunmöglicht oder untersagt; dass die zum Schutz der Wahlfreiheit gezogenen Schranken überschritten worden wären, kann der VfGH nicht feststellen.
Die ziffernmäßige Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben greift nicht in die Meinungsäußerungsfreiheit ein. Die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben stellt bloß eine Höchstgrenze dar und es ist der Beschwerdeführerin nach wie vor möglich, ihre politische Meinung im Rahmen der Teilnahme an einer Wahl grundsätzlich in jeder Art und Weise über die verschiedensten Kanäle kundzutun, solange diese Ausgabengrenze eingehalten wird. Ein Gesetzgeber, der durch Maßnahmen, zu denen auch das Verbot bestimmter Formen der Werbung gehören kann, der Gefährdung der Existenz kleinerer (finanzschwächerer) Parteien entgegenzuwirken versucht, unterstützt jene Ziele, die durch Art10 EMRK vorgegeben sind. Ziel der Wahlwerbungsausgabenbeschränkung ist nämlich nicht die Benachteiligung neuer Parteien, sondern gerade die Wahrung der Chancengleichheit im "Wettbewerb um den Wähler", die zumindest zum Teil bzw in vielen Fällen eng verwoben ist mit der staatlichen Parteienförderung.
Keine Verletzung der Beschwerdeführerin im Gleichheitsrecht und im Eigentumsrecht, keine Willkür; denkmögliche Anwendung der §§4 und 10 PartG.
Der VfGH kann auch der Handhabung der Bemessungskriterien durch das Gericht nicht entgegentreten, wenn es die finanzielle Lage der Beschwerdeführerin bei der Bemessung der Geldbuße nicht explizit berücksichtigt.
Schlagworte
Partei politische, Wahlwerbung, Wahlen, Nationalrat, Kompetenz Bund - Länder, Auslegung verfassungskonforme, Wahlrecht freies, Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, Strafen, Meinungsäußerungsfreiheit, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2016:E729.2016Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018