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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am 25. Juni 1975 geborenen DB in Brcko, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1997, Zl. 308.229/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 25. März 1997 bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, den diese mit Bescheid vom 25. April 1997 gemäß §§ 3 Abs. 1 Z 2 und 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 abwies. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 1997 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin am 16. März 1996 vom Landesgendarmeriekommando für Tirol wegen einer Übertretung nach § 5 StVO 1960 angezeigt worden sei, da sie einen näher bezeichneten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Aus diesem Grund sei über die Beschwerdeführerin mit näher bezeichnetem Straferkenntnis eine Geldstrafe von S 11.000,-- verhängt worden. Auf Grund dieses Vergehens sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Weiters habe sie durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren. Speziell Alkoholdelikte gehörten zu den schwerst wiegenden Übertretungen der StVO. Alkoholisierte Fahrzeuglenker stellten auf Grund der verminderten Reaktion, Konzentrations- und Beobachtungsfähigkeit sowie der erhöhten Risikobereitschaft eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar. Eine Person, die alkoholisiert ein Fahrzeug lenke, zeige eine gefährliche Einstellung zu rechtlich geschützten Werten, nehme sie doch in Kauf, dass sie den Anforderungen, denen ein Kfz-Lenker zu entsprechen habe, nicht mehr gewachsen sei, und dass ihr deliktisches Handeln zu unabsehbaren Folgen für Personen und Sachwerte führen könne. Aus den angeführten Gründen liege ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG vor.
Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass der Gatte der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, dass der § 5 Abs. 1 AufG iVm Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall der Beschwerdeführerin ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin schon während ihres kurzfristigen Aufenthaltes in Österreich zu Besuchszwecken gezeigt habe, dass sie nicht gewillt sei, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten. Da das Verhalten der Beschwerdeführerin eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, erachte die belangte Behörde daher die öffentlichen Interessen auf Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit höher als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof ist die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ...."
§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
....
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihren Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, am 16. März 1996 wegen des Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand angezeigt worden zu sein. Sie bringt - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vor, dass das auf Grund dieses Vorfalles ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 20. November 1996 mangels Zustellung nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Das Verfahren sei gemäß § 34 VStG abgebrochen worden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen bereits zwei Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 aus, um die Prognose zu rechtfertigen, der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet würde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/19/1035, m.w.N.). Ebenso ist der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z 4 FrG nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwirklicht, wenn ein Fremder wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 und § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft worden ist, und zwar selbst dann, wenn die Taten bloß anlässlich eines einzigen Vorfalles begangen worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1374); dies im Hinblick auf die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahren für die Allgemeinheit und den Umstand, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den schwersten Verstößen gegen das KFG zählt .
Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Vorliegen einer einzigen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO nicht die Annahme rechtfertige, der (weitere) Aufenthalt des Fremden würde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Bundesgebiet gefährden, es sei denn, es würden nähere Umstände der Tat festgestellt, die auf eine besondere Gefährlichkeit des Fremden hindeuten könnten, bei deren Vorliegen bereits eine einmalige Übertretung nach dieser Bestimmung die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtfertige (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 97/19/1491).
Indem die belangte Behörde irrtümlich annahm, bereits eine einmalige Bestrafung wegen einer Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 StVO (unabhängig von der Frage von deren Rechtskraft, was dem angefochtenen Bescheid nicht mit Sicherheit entnommen werden kann) rechtfertige die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG, und daher Feststellungen über das sonstige Verhalten der Beschwerdeführerin (insbesondere seit der maßgeblichen Verwaltungsübertretung) unterließ, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur für die Einbringung der Beschwerde in zweifacher und die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung zuzuerkennen.
Wien, am 5. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997191393.X00Im RIS seit
12.06.2001