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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision der Studienbeihilfenbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. März 2016, Zl. W203 2116225- 1/6E, betreffend Studienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: C K in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 18. Mai 2015 wurde ausgesprochen, dass der Anspruch der Mitbeteiligten auf Studienbeihilfe während des Kalenderjahres 2013 im Ausmaß von EUR 8.148,-- geruht habe und die Mitbeteiligte diesen Betrag gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) zurückzuzahlen habe.
2 Mit Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Linz vom 15. September 2015 wurde eine dagegen von der Mitbeteiligten erhobene Vorstellung abgewiesen und der Bescheid vom 18. Mai 2015 bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die zumutbare Eigenleistung für Studierende für das Kalenderjahr 2013 habe gemäß § 31 Abs. 4 StudFG EUR 8.000,-- betragen. Da aufgrund der zum Antragszeitpunkt geltenden Rechtslage kein rechtswirksamer Verzicht auf die Studienbeihilfe im Zuerkennungszeitraum September bis Dezember 2013 möglich gewesen sei, habe die Mitbeteiligte während des gesamten Kalenderjahres 2013 Studienbeihilfe bezogen, weshalb gemäß § 12 Abs. 3 StudFG auch ihr gesamtes Einkommen dieses Kalenderjahres für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit heranzuziehen gewesen sei. In dem Ausmaß, in dem das Einkommen den Betrag von EUR 8.000,-- überstiegen habe, sei gemäß § 49 Abs. 3 StudFG das Ruhen des Anspruchs eingetreten. Dieser Betrag sei daher gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 StudFG zurückzuzahlen.
3 Der gegen diesen Bescheid von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. März 2016 dahin Folge, dass ausgesprochen wurde, dass die Mitbeteiligte (lediglich) die "im Zeitraum September bis Dezember 2013 erhaltene Studienbeihilfe in der Höhe von insgesamt 2.716,-- Euro" zurückzuzahlen habe. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, dass der Mitbeteiligten mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 25. September 2013 Studienbeihilfe für das Wintersemester 2013/14 und das Sommersemester 2014 mit dem Hinweis zuerkannt worden sei, dass der Anspruch mit Ende Februar 2014 erlösche, falls bis zu diesem Zeitpunkt kein wichtiger Grund für eine Überschreitung der Studienzeit nachgewiesen werde. Die Mitbeteiligte habe ihr Studium am 3. Dezember 2013 abgeschlossen. Am 11. November 2013 habe sie der belangten Behörde die Ausweitung ihres Beschäftigungsausmaßes ab Oktober 2013 mitgeteilt und sich "über die ihr offenstehenden Möglichkeiten hinsichtlich Studienbeihilfe" erkundigt. Am 6. Februar 2014 habe die Mitbeteiligte schriftlich um "rückwirkende Auflösung des Stipendiumanspruches mit 30.09.2013" und um Bekanntgabe des Kontos, auf das sie das von Oktober bis Dezember 2013 erhaltene Stipendium zurückzahlen könne, ersucht. Im Zeitraum Jänner bis August 2013 habe die Mitbeteiligte in Summe ein Einkommen erzielt, das unter der im Jahr 2013 geltenden Zuverdienstgrenze von EUR 8.000,-- gelegen sei.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, im Verfahren sei strittig, ob bzw. wann die Revisionswerberin auf ihren Anspruch auf Studienbeihilfe im Studienjahr 2013/14 rechtswirksam verzichtet habe. Das StudFG sehe erst in seiner ab 1. Jänner 2015 geltenden Fassung in § 49 Abs. 3 ausdrücklich die Möglichkeit eines Verzichts vor. In der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung finde sich kein expliziter Hinweis auf die Möglichkeit eines Verzichts auf eine bereits zuerkannte Studienbeihilfe. Dennoch sei davon auszugehen, dass es auch vor der Novellierung möglich gewesen sei, rechtswirksam auf die zuerkannte Studienbeihilfe zu verzichten. Eine Verzichtsmöglichkeit sei in mehreren anderen, mit der Studienförderung als sozialer Fördermaßnahme vergleichbaren Rechtsbereichen ausdrücklich vorgesehen (Verweis auf Regelungen im Kinderbetreuungsgeldgesetz und im Familienlastenausgleichsgesetz). Auch in den Gesetzesmaterialien zum StudFG werde darauf hingewiesen, dass Studierende "durch den Verzicht auf Arbeitslosengeld den Eintritt des Ruhens der Studienförderung jederzeit verhindern" könnten. Der Gesetzgeber gehe somit offensichtlich davon aus, dass auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld verzichtet werden könne, obwohl eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Es sei daher davon auszugehen, dass auch bereits "vor der ausdrücklichen Aufnahme des Verzichts" in das StudFG die Möglichkeit bestanden habe, auf die Studienbeihilfe zu verzichten.
6 In weiter Folge legte das Verwaltungsgericht seiner Ansicht nach bestehende "Mindesterfordernisse" für einen derartigen Verzicht dar, wobei es unter anderem davon ausging, dass ein Verzicht nur auf "den gesamten Anspruch" möglich und dieser nur dann zulässig sei, "wenn er innerhalb des zweisemestrigen Zuerkennungszeitraumes" abgegeben werde.
7 Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeute dies - so das Verwaltungsgericht weiter - , dass die Revisionswerberin die Möglichkeit gehabt habe, bis spätestens 31. August 2014 auf die gesamte ihr für das Studienjahr 2013/14 zuerkannte Studienbeihilfe zu verzichten. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass die Revisionswerberin nicht bereits am 11. November 2013 "eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht" habe, dass sie "hier und jetzt auf ihren Anspruch auf Studienbeihilfe ab sofort verzichten" wolle. Die Revisionswerberin habe aber am 6. Februar 2014 schriftlich ihren Verzicht auf den Anspruch auf Studienbeihilfe für das Studienjahr 2013/14 erklärt, indem sie "rückwirkend um Auflösung des Stipendiumanspruches" ersucht habe. Der Umstand, dass die Revisionswerberin in ihrem Schreiben nur auf die Studienbeihilfe, die ihr von Oktober bis Dezember 2013 ausbezahlt worden sei, Bezug nehme, könne nichts daran ändern, dass es sich dabei um eine Verzichtserklärung handle, die die gesamte für das Studienjahr 2013/14 zuerkannte Studienbeihilfe betreffe. Durch den gültig abgegebenen Verzicht habe die Revisionswerberin im Zeitraum September bis Dezember 2013 "ohne Rechtsgrundlage Studienbeihilfe bezogen". Die ausbezahlte Studienbeihilfe in der Höhe von EUR 2.716,-- sei daher zurückzuzahlen. Da die Revisionswerberin im Kalenderjahr 2013 in dem Zeitraum, für den "sie Studienbeihilfe beantragt und bezogen hat (Jänner bis August 2013)", die Zuverdienstgrenze im Sinne des § 31 Abs. 4 StudFG nicht überschritten habe, habe ihr Anspruch auf Studienbeihilfe im Kalenderjahr 2103 nicht gemäß § 49 Abs. 3 StudFG geruht. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
8 Seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, "ob bzw. unter welchen konkreten
Voraussetzungen ... ein Verzicht auf eine bereits zuerkannte und
ausgezahlte Studienbeihilfe dem Grunde nach" möglich sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.
10 Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor. 11 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Das Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 in
der Fassung BGBl. I Nr. 79/2013 (StudFG), lautet auszugsweise:
"Studienförderungsmaßnahmen
§ 1. ...
(4) Zur Beurteilung von Ansprüchen ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, soweit im folgenden nichts anderes festgelegt ist.
...
Sonderfälle der Einkommensbewertung
§ 12. ...
(3) Das Einkommen des Studierenden ist nur insoweit für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit heranzuziehen, als es in Zeiträumen bezogen wird, für die auch Studienbeihilfe zuerkannt wird. Der Studierende hat anlässlich der Antragstellung eine Erklärung über sein Einkommen in den Zeiträumen abzugeben, für die er Studienbeihilfe beantragt.
...
Zumutbare Unterhalts- und Eigenleistungen
§ 31. ...
(4) Die zumutbare Eigenleistung für Studierende umfasst den 8 000 Euro übersteigenden Betrag ihrer Bemessungsgrundlage. Bei Berechnung der Studienbeihilfe ist hinsichtlich der zumutbaren Eigenleistung vorerst von den Angaben des Studierenden gemäß § 12 Abs. 3 auszugehen. Nach Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen ist eine abschließende Berechnung durchzuführen. Die Differenz der ausbezahlten Studienbeihilfe zu einer sich dabei ergebenden höheren Studienbeihilfe ist von der Studienbeihilfenbehörde an den Studierenden auszubezahlen.
...
Ruhen des Anspruches
§ 49. ...
(3) Der Anspruch auf Studienbeihilfe ruht während eines Kalenderjahres in dem Ausmaß, in dem die Bemessungsgrundlage des Studierenden 8 000 Euro übersteigt. Einkünfte des Studierenden in Monaten, für die keine Studienbeihilfe ausbezahlt wird, bleiben dabei außer Betracht.
...
Erlöschen des Anspruches
§ 50. (1) Der Anspruch auf Studienbeihilfe erlischt mit Ende des Monats, in dem der Studierende
...
4. die letzte in den Studienvorschriften vorgesehene
Prüfung seines Studiums, für das er Studienbeihilfe bezieht,
abgelegt hat.
...
Rückzahlung
§ 51. (1) Studierende haben zurückzuzahlen:
...
3. Studienbeihilfenbeträge, die nach dem Eintritt eines
gesetzlichen Erlöschensgrundes oder während des Ruhens des
Anspruches ausbezahlt wurden;
4. Studienbeihilfenbeträge, für deren Auszahlung die
Voraussetzungen durch eine nachträgliche Abänderung des Bewilligungsbescheides weggefallen ist;
..."
13 Die Revision nimmt - unter anderem - den Standpunkt ein, dass erst mit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I. Nr. 40/2014 die Möglichkeit eingeräumt worden sei, auf die weitere Auszahlung der zuerkannten Studienbeihilfe für den verbleibenden Zeitraum zu verzichten. Im Revisionsfall sei ein "Verzicht auf die mit rechtskräftigem Bescheid für den gesamten Zuerkennungszeitraum gewährte Studienbeihilfe" hingegen unzulässig gewesen.
14 Die Revision ist zulässig und begründet.
15 Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Mitbeteiligte mit einer im Februar 2014 abgegebenen Erklärung auf den ihr mit rechtskräftigem Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 25. September 2013 zuerkannten und mit Ende Dezember 2013 erloschenen Anspruch auf Studienbeihilfe - die hinsichtlich der Monate September bis Dezember 2013 auch ausbezahlt wurde - "verzichtet" hat. Demnach kommt im Revisionsfall allein der Frage Relevanz zu, ob nach Maßgabe des StudFG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 40/2014 eine derartige nachträgliche Erklärung als rechtswirksam bzw. zulässig anzusehen ist.
16 Es trifft nun zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Verzicht auf subjektive öffentlichrechtliche Ansprüche zulässig ist, wenn nicht eine gesetzliche Bestimmung ausdrücklich etwas anders anordnet oder öffentliche Interessen entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 27.8.2014, Ro 2014/05/0061, VwSlg. 18911 A, mwN). Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf eine Konstellation wie die hier vorliegende übertragen, in der nicht auf einen bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch - für die Zukunft - verzichtet, sondern ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch, der bereits von Gesetzes wegen erloschen ist, durch eine Willenserklärung - für die Vergangenheit - beseitigt werden soll. Ein solches Begehren zielt nämlich nicht auf die bloße Aufgabe eines Rechtsanspruches ab, sondern auf die Erlangung einer Rechtsposition mit extunc Wirkung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedürfte es insofern jedoch einer - eine derartige Willenserklärung zulassenden - gesetzlichen Regelung, ist das StudFG doch dadurch gekennzeichnet, dass im Zuerkennungsverfahren zur Beurteilung von Ansprüchen nach § 1 Abs. 4 leg. cit. grundsätzlich der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist und anlässlich der Antragstellung gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. auch eine Erklärung über das Einkommen in den Zeiträumen, für die Studienbeihilfe beantragt wird, abzugeben ist, wobei das Gesetz in § 31 Abs. 4 ausdrücklich die Durchführung einer "abschließenden Berechnung" nach "Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen" anordnet, ohne dem Betreffenden insofern die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung derjenigen Zeiträume, für die Studienbeihilfe zuerkannt wurde (und damit auch des zu berücksichtigenden Einkommens nach § 12 Abs. 3 erster Satz StudFG) einzuräumen.
17 Es besteht daher kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Gesetzgeber vor der Novelle BGBl. I Nr. 40/2014 die Zulässigkeit bzw. Rechtswirksamkeit einer derartigen nachträglichen Erklärung vor Augen stand. Dieses Verständnis kommt auch in den Materialien zur genannten Novelle (53 BlgNR 25. GP, S. 33) zum Ausdruck, wenn ausgeführt wird, dass "Studierende nach der geltenden Rechtslage die laufende Auszahlung der Studienbeihilfe durch Mitteilung an die Studienbeihilfenbehörde nicht vorzeitig beenden" können.
18 Nach dem Gesagten ist daher der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, die Mitbeteiligte habe mit ihrer Erklärung vom Februar 2014 auf den ihr mit rechtskräftigem Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 25. September 2013 zuerkannten und mit Ende Dezember 2013 erloschenen Anspruch auf Studienbeihilfe rechtswirksam "verzichtet", nicht zu folgen.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
20 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat der Revisionswerber (unter anderem) in dem hier vorliegenden Fall einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz. Der Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz war daher abzuweisen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ro 2017/10/0007, mwN).
Wien, am 31. Jänner 2018
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016100023.J00Im RIS seit
27.02.2018Zuletzt aktualisiert am
01.03.2018