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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des A A M in G, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Juni 2017, Zl. W111 1267345- 3/5E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im November 1995 geborene Revisionswerber ist Staatsangehöriger der russischen Föderation und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Er reiste gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern am 19. September 2004 nach Österreich ein und beantragte am Tag darauf die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 wies das Bundesasylamt diesen Antrag in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab, gewährte ihm jedoch subsidiären Schutz. Ihm wurden - mehrfach verlängerte - befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilt.
2 Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2012 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über den Revisionswerber wegen der Verbrechen des Raubes und des gewerbsmäßigen Diebstahls eine 14-monatige Freiheitsstrafe (davon zehn Monate bedingt nachgesehen), mit weiterem rechtskräftigen Urteil vom 16. Jänner 2013, neuerlich wegen des Verbrechens des Raubes und gewerbsmäßigen Diebstahls, eine zweijährige Freiheitsstrafe.
3 Mit rechtskräftigem Bescheid vom 3. Dezember 2013 sprach das Bundesasylamt mit Bezug darauf aus, dass dem Revisionswerber der zuerkannte Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt werde. Es erklärte jedoch seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die russische Föderation gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. für unzulässig.
Begründend führte das Bundesasylamt zum letztgenannten Ausspruch im Rahmen des Zumutbarkeitskalküls aus, es bestehe Grund zur Sorge, dass der Revisionswerber, der seit seinem "11. Lebensjahr" nicht mehr im Heimatstaat gewesen sei, dort mangels beruflicher Ausbildung und aktueller Kontakte zu Verwandten keine Beschäftigung finden würde, was auf den damaligen Zeitpunkt bezogen zu einer ausweglosen Lage führen könne, sodass aktuell eine Rückkehr nicht möglich erscheine.
4 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. März 2015 (teilweise abgeändert mit Urteil des OGH 22.9.2015, 12 Os 63/15d) wurde über den Revisionswerber, der am 10. März 2014 aus dem Vollzug der vorgenannten Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden war, wegen im August und November 2014 begangener Verbrechen des schweren Raubes, des (zum Teil versuchten) Raubes, des Vergehens der Nötigung sowie des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG eine vierjährige (aktuell in Vollzug befindliche) Freiheitsstrafe verhängt. Die erwähnte bedingte Entlassung aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe wurde widerrufen.
5 Mit Bescheid vom 26. April 2017 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) daraufhin aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die russische Föderation zulässig sei.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 14. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) seine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend verwies es - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf die massiven, trotz strafgerichtlicher Verurteilungen sowie der Gefahr fremdenrechtlicher Folgen in rascher Abfolge wiederholten und in ihrer Intensität gesteigerten Straftaten. Im Verhältnis zum erwähnten Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Dezember 2013, in dem (bezogen auf einen Zeitpunkt, in dem der Revisionswerber gerade die Volljährigkeit erreicht habe und noch potentiell weitergehend auf die Unterstützung durch den Familienverband angewiesen gewesen sei) von der Möglichkeit einer existenzbedrohenden Notlage im Fall einer Rückkehr in die russische Föderation ausgegangen worden sei, habe sich die Sachlage im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt verändert. Insgesamt sei nunmehr (zusammengefasst) davon auszugehen, dass es dem Revisionswerber, einem 22-jährigen Mann, möglich und zumutbar sein werde, eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Auch lasse sich aus dem Inhalt der herangezogenen Länderberichte nicht ableiten, dass in der russischen Föderation oder in Tschetschenien eine dermaßen prekäre Sicherheits- oder Versorgungslage vorherrsche, dass sie eine Rückkehr per se als unzumutbar erscheinen ließe. Der Revisionswerber spreche - neben Deutsch - Russisch und Tschetschenisch. Er verfüge über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat, die im Bedarfsfall wieder aufgenommen werden könnten. Bei der Reintegration zu besorgende Schwierigkeiten seien auf Grund der hohen von ihm ausgehenden Gefährdung in Kauf zu nehmen.
Es lägen daher sowohl die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes als auch jene für eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG vor. Der Revisionswerber habe jahrelang wiederholt im Zusammenwirken mit weiteren Personen insbesondere Raubüberfälle als unmittelbarer Täter begangen. Bereits zehn Tage nach Verbüßung der im Rahmen seiner ersten Verurteilung verhängten Freiheitsstrafe sei er einschlägig rückfällig geworden und habe in der Folge, trotz neuerlichen Strafvollzuges, seine kriminelle Energie noch weiter gesteigert. Auch mangels Selbsterhaltungsfähigkeit im Bundesgebiet sei eine negative Prognose geboten. Die gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG vorzunehmenden Erwägungen stünden der Rückkehrentscheidung gegenüber dem unverheirateten und kinderlosen Revisionswerber nicht entgegen. Ebenso sei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zutreffend verneint worden.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung nach Verneinung einer möglichen Grundrechtsverletzung gemäß Art. 3 und 8 EMRK mit Beschluss vom 21. September 2017, E 2581/2017, ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom 30. Oktober 2017 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
8 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber einen Widerspruch zwischen dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Dezember 2013, mit dem seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die russische Föderation für unzulässig erklärt worden sei, und der nunmehrigen Rückkehrentscheidung (gemeint: samt gemäß § 52 Abs. 9 FPG getroffener Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung) geltend, den das BVwG "mit keinem einzigen Wort" aufkläre. An der für ihn bei einer Abschiebung nach Tschetschenien gegebenen "Bedrohungssituation" habe sich bis heute nichts geändert, Gegenteiliges werde vom BVwG auch nicht behauptet.
11 Bei dieser Argumentation übersieht der Revisionswerber, dass sich weder das Bundesasylamt im Bescheid vom 3. Dezember 2013 noch das BVwG im angefochtenen Erkenntnis auf eine "Bedrohungssituation" bezogen hatten, sondern auf die Möglichkeit des Revisionswerbers, im Herkunftsstaat Existenzmittel zur Abdeckung des eigenen Unterhalts zu erwirtschaften. Insoweit ist, insbesondere auf Grund des Alters des Revisionswerbers, eine wesentliche Änderung der Lage eingetreten, worauf sich das BVwG im Rahmen der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu Recht bezogen hat (vgl. dazu VwGH 15.10.2015, Ra 2015/21/0013, Punkt 3.6., und VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101, Rn. 14).
12 Im Übrigen vermag die Revision keine revisiblen Gesichtspunkte aufzuzeigen. Die in erster Linie thematisierte, unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Gefährdungsprognose gemäß § 53 Abs. 3 FPG und die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG sind schon im Allgemeinen, wenn sie (wie hier) angesichts der massiven Straftaten des Revisionswerbers in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. neuerlich etwa VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0101, Rn. 10).
13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017210258.L00Im RIS seit
28.02.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2018