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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des O A in S, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. November 2017, W226 2174577- 1/3E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1974 geborene Revisionswerber ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und stammt aus Dagestan. Er reiste im November 2005 mit seiner Ehefrau nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag, der vom Bundesasylamt, in Verbindung mit einer Ausweisung in seinen Herkunftsstaat, abgewiesen wurde. Nachdem eine Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages gerichtet hatte, zurückgezogen worden war, stellte der Asylgerichtshof letztlich mit im Jänner 2013 mündlich verkündetem und im März 2013 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis fest, dass die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation auf Dauer unzulässig sei. Das wurde wesentlich damit begründet, dass bereits in Bezug auf die Ehefrau des Revisionswerbers und die im Dezember 2005 geborene gemeinsame Tochter die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt worden war.
2 Dem Revisionswerber wurden in der Folge Aufenthaltstitel erteilt, zuletzt am 21. Oktober 2014 eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" mit Gültigkeit bis 20. Oktober 2017. Er stellte rechtzeitig einen Verlängerungsantrag.
3 Der Revisionswerber wurde straffällig. Wegen zwei im Oktober 2015 begangener Diebstähle wurde er deshalb zunächst nach § 127 StGB zu einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Er beging in der Folge, teils in der Begehungsform des Versuchs, Schlepperei, was eine Verurteilung nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 erster und zweiter Fall FPG und § 15 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe nach sich zog. Der ab 21. Juni 2016 angehaltene - mittlerweile geschiedene - Revisionswerber befand sich deshalb bis zu seiner bedingten Entlassung am 21. Oktober 2017 in Haft.
4 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16. Oktober 2017 wurde gegen den Revisionswerber daraufhin gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt II.). Schließlich sprach das BFA noch aus, dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt IV.).
5 Die dagegen erhobene Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I., II. und IV. des genannten Bescheides des BFA richtete, wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. November 2017 als unbegründet ab. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. gab es hingegen mit der Maßgabe statt, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf vier Jahre herabgesetzt werde. Schließlich wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht verweist der Revisionswerber darauf, dass er nach seiner Haftentlassung wieder im gemeinsamen Haushalt mit der von ihm geschiedenen "Ehefrau" und der gemeinsamen Tochter lebe. Schon in seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 16. Oktober 2017 habe er darauf hingewiesen und weiter geltend gemacht, dass er mit seiner "Ehefrau" nach wie vor nach muslimischem Ritus verheiratet sei und dass das Familienleben mit Frau und Tochter weiterhin aufrecht bestehe. Dem habe das BVwG nicht ausreichend Rechnung getragen, und es hätte außerdem, um sich ein Bild vom Bestehen eines faktischen Familienlebens zu machen, eine Beschwerdeverhandlung durchführen müssen.
9 Letzterem ist zu entgegnen, dass das BVwG ohnehin von dem dargestellten Tatsachenvorbringen des Revisionswerbers ausgegangen ist und seiner Entscheidung demnach - anders als noch das BFA in seinem Bescheid vom 16. Oktober 2017 - zu Grunde gelegt hat, dass ein aufrechtes Familienleben des Revisionswerbers mit seiner geschiedenen Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter bestehe. Von daher bestand - jedenfalls unter dem angesprochenen Aspekt - keine Verhandlungspflicht (VwGH 11.5.2017, Ra 2017/21/0036, Rn. 13, mwN.).
10 Es trifft aber auch nicht zu, dass das BVwG die Bedeutung des bestehenden, von ihm ohnehin angenommenen "faktischen Familienlebens" angesichts der Ehescheidung maßgeblich relativierte. Es wies zwar auf diese Scheidung hin und merkte an, dass es "offensichtlich Gründe" für die Beendigung der Ehe gegeben habe und dass es dann im Zuge der Inhaftierung des Revisionswerbers auch tatsächlich zu einer Trennung von seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und seiner minderjährigen Tochter gekommen sei. Das ist aber nur so zu verstehen, dass die Unterbrechung des tatsächlich geführten Familienlebens - diese ist letztlich unstrittig; in der Revision wird auch eingeräumt, dass es "auf Grund familiärer Unstimmigkeiten" zur Ehescheidung gekommen ist - dargestellt werden sollte, woran die per se nicht zu beanstandende Folgerung knüpft, die während dieser Unterbrechung zum Teil auf telefonische Kontakte reduzierte Beziehung könnte zumindest in dieser Form auch im Falle der Ausreise des Revisionswerbers aufrecht erhalten werden.
11 Wenn das BVwG aber ungeachtet des bestehenden Familienlebens im Rahmen der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangte, das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Revisionswerbers überwiege seine privaten und familiären Interessen an einem Verbleib im Inland und - in diesem Sinn das angefochtene Erkenntnis - eine Trennung von Lebensgefährtin und Tochter müsse im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden, so ist das vor dem Hintergrund der aus dem bisherigen strafbaren Verhalten des Revisionswerbers ableitbaren nicht unbeträchtlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit jedenfalls vertretbar.
12 Von daher (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, oder VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0041, Rn. 13) vermag die Revision insgesamt keine Rechtsfrage aufzuzeigen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017210245.L00Im RIS seit
28.02.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2018