TE Vwgh Beschluss 2018/2/5 Ra 2016/16/0013

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Veröffentlicht am 05.02.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Melderecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
KFG 1967 §82 Abs8;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Finanzamtes Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 21. Dezember 2015, Zl. RV/4100357/2013, betreffend Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer (mitbeteiligte Partei: C P in H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom 14. Dezember 2012, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe und der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate April bis Dezember 2012 Folge und hob die bekämpften Bescheide ersatzlos auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Begründend ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Mitbeteiligte deutsche Staatsangehörige sei. Sie habe im Jahr 2012 ein in Deutschland zum Verkehr zugelassenes Kraftfahrzeug besessen und ihre ständige Wohnstätte in Deutschland im Haus ihrer Eltern gehabt. Am 25. April 2012 habe die Mitbeteiligte in Österreich einen Nebenwohnsitz begründet und sei bis 24. April 2013 als Kinderkrankenschwester in einem Dienstverhältnis bei einer Tiroler Krankenanstalt gestanden. Danach sei sie nach Deutschland zurückgekehrt. Die Mitbeteiligte sei nur vorübergehend in Österreich einer Berufstätigkeit nachgegangen, der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sei aber in Deutschland gelegen, weil ihre Eltern dort lebten und sie ihre freie Zeit bei ihren Eltern und ihrem Freund in Deutschland verbracht habe. Damit sei der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges jedoch der Boden entzogen, weil es der Mitbeteiligten an einem inländischen Hauptwohnsitz und dem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gemangelt habe.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Das revisionswerbende Finanzamt macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1990, 90/11/0025, in welchem festgestellt worden sei, dass der ordentliche Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet sei, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen habe, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen; hiebei sei es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet gewesen sei, für immer an diesem Ort zu bleiben (Hinweis auf VwGH 27.4.1982, 82/11/0054, und 19.2.1988, 87/11/0238). Für den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes sei zum einen ein tatsächliches Moment - die Niederlassung einer Person an einem Ort - und zum anderen ein psychisches Moment maßgebend, nämlich die (erweisliche oder aus den Umständen hervorgehende) Absicht, diesen Ort bis auf weiteres (wenn auch nicht für immer) zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen, d.h. ihrer wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Betätigung, zu gestalten (Hinweis auf VwGH 10.9.1982, 02/3867/80). Weiters bestehe ein Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1996, 96/11/0070, in welchem ausgesprochen worden sei, dass nach § l Abs. 7 des Meldegesetzes in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet sei, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen habe, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; treffe diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so habe er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis habe. Die Definition des Hauptwohnsitzes im ersten Satz dieser Bestimmung entspreche jener des ordentlichen Wohnsitzes (Hinweis auf VwGH 21.5.1996, 95/11/0256). Als ordentlicher Wohnsitz sei jener Ort anzusehen, an dem sich die betreffende Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen habe, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen.

7 Damit wird lediglich pauschal eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, jedoch nicht konkret dargelegt, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt einer der von der Revision ins Treffen geführten Entscheidung gleiche, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2017/16/0157). Von den in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes weicht der festgestellte Sachverhalt im hier angefochtenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes grundlegend dahin ab, dass dort nicht über eine nur aus beruflichen Gründen bezogene Unterkunft mit einer Freizeitgestaltung an einem anderen Wohnort entschieden wurde, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal die Annahme eines Lebensmittelpunktes der Lebensbeziehungen am Arbeitsort rechtfertigt (vgl. etwa VwGH 11.12.2001, 2001/05/0969, mwN).

8 Die Revision zeigt ebenso wenig auf, in welchen Erkenntnissen "verschiedenlautende höchstgerichtliche Aussagen zum Zeitpunkt der Begründung des Mittelpunkts der Lebensinteressen" getroffen worden seien. Die - mit der Begründung fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestellte - Frage, ab wann es bei befristeten Dienstverträgen zu einer Begründung der Lebensinteressen in Österreich komme, greift zu kurz, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (vgl. etwa VwGH 29.1.2002, 2001/05/1014) und es nicht nur auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ankommt.

9 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016160013.L00

Im RIS seit

28.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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