TE OGH 2018/2/13 14Os118/17k

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Veröffentlicht am 13.02.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zach, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mehmet Ö***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Levent U***** sowie die Berufung des Angeklagten Suat G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Geschworenengericht vom 19. Oktober 2017, GZ 58 Hv 53/17k-116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Levent U***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Levent U***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1), dieser Angeklagte, Mehmet Ö***** und Suat G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (2) und Banu P***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –

(1) Levent U***** am 21. Oktober 2016 in F***** Hailton D***** zu töten versucht, indem er mit einer Pistole der Marke Beretta F92, Kaliber 9 mm, drei Schüsse aus wenigen Metern Entfernung auf ihn abfeuerte, wobei er den flüchtenden Hailton D***** verfehlte;

(2) Levent U*****, Mehmet Ö***** und Suat G***** am 21. Oktober 2016 in F***** im einverständlichen Zusammenwirken Florian Du***** mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Suchtgift, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem sie sich mit übergezogenen Masken und Levent U***** mit einer Pistole der Marke Beretta F92, Kaliber 9 mm, zum Haus des Florian Du***** begaben und Levent U***** den Genannten durch die verglaste Terrassentüre, die die Angeklagten zuvor erfolglos aufzubrechen versucht hatten, mit der Waffe in der Hand zum Öffnen dieser Türe aufforderte, wobei der Raubplan scheiterte, weil Florian Du***** der Aufforderung nicht nachkam, sondern um Hilfe schrie, ins Obergeschoss des Hauses rannte und im ganzen Haus und vor dem Haus die Beleuchtung einschaltete, woraufhin die Angeklagten flüchteten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus den Gründen des § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Levent U*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Fragenrüge (Z 6) erblickt eine Verletzung von § 312 Abs 1 StPO

zunächst darin, dass in die – nach ihrer Ansicht „viel zu weit gefasste“ – Hauptfrage I nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB nicht aufgenommen wurde, „in welche Richtung der Beschwerdeführer genau zielte“, „wo genau sich während der Schüsse der Zeuge D***** befunden hat“ und „in welche Richtung“ dieser „flüchtete, als der Beschwerdeführer die Schüsse abgab“. Aus welchem Grund die in der Frage enthaltene Sachverhaltsschilderung zur Individualisierung (also zur Abgrenzung der zu beurteilenden Tat von anderen Sachverhalten), zur rechtsrichtigen Subsumtion und deren Überprüfbarkeit nicht ausreichen und weshalb es darüber hinaus unter dem Aspekt des § 312 Abs 1 StPO einer erschöpfenden Beschreibung des gesamten Tatgeschehens in allen Einzelheiten bedürfen sollte (vgl dazu Lässig, WK-StPO § 312 Rz 9, 17 ff; RIS-Justiz

RS0100686,

RS0100780), erklärt sie nicht und verfehlt solcherart eine prozessordnungskonforme Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes.

Indem sie im Folgenden aus Details der Aussage des Zeugen Hailton D***** den – im Übrigen nicht nachvollziehbaren – eigenständigen Schluss zieht, dass Levent U***** „gar nicht auf ihn feuerte und ihn auch nicht treffen konnte, weil er sich bereits hinter der Hecke Richtung Garten befand“, und eine entsprechende „Formulierung“ der Hauptfrage vermisst, strebt sie zudem der Sache nach eine
– dem Wesen des Geschworenenprozesses widersprechende – vorgreifende Beweiswürdigung des Schwurgerichtshofs bei Abfassung der Fragen an die Geschworenen an.

Mit der Kritik, die (anklagekonforme) Hauptfrage II sei „tatsachen- und aktenwidrig“ verfasst, weil „das Beweisverfahren eindeutig ergeben“ habe, dass beim versuchten Raub (Schuldspruch 2) Mehmet Ö***** (und nicht – wie demgegenüber in der Frage angeführt – der Beschwerdeführer) „die Waffe verwendete bzw in Gewahrsam hatte“, argumentiert die Beschwerde nicht auf Basis des Gesetzes (vgl § 312 Abs 1 erster Satz StPO) und spricht zudem keine entscheidende Tatsache an, weil es bei – hier bejahtem – auf die Verwendung einer Waffe gerichteten gemeinsamen Vorsatz unerheblich ist, welcher der Mittäter diese führte.

Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang „vermerkt“, dass – dem Inhalt der Hauptfrage II entsprechend   – der dem eigentlichen Raubgeschehen vorangegangene Versuch der Angeklagten, die Terrassentüre aufzubrechen, misslang und daraus sowie aus dem Schuldspruch der Angeklagten Banu P***** (nur) wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 StGB ableitet, dass „der Beschwerdeführer keinen Raub begehen wollte, sondern einen Einbruch mittels Brecheisen“, erschöpft sie sich in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die weitere Fragenrüge reklamiert die Stellung einer Zusatzfrage (ersichtlich gemeint zur Hauptfrage II) in Richtung freiwilligen Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB), nennt jedoch mit der – ohne jeden Aktenbezug aufgestellten – Behauptung, die Angeklagten hätten ihr „Vorhaben abgebrochen und seien geflüchtet, nachdem sie merkten, dass das Haus bewohnt ist“, und dem Verweis auf eine – zudem ohne Angabe der Fundstelle in den umfangreichen Akten angeführte (RIS-Justiz RS0124172) – angebliche Aussage des Zeugen Florian Du*****, nach der „das Ganze“ eine halbe Minute oder 20 Sekunden gedauert hätte,

kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft

indizierendes Verfahrensergebnis und ist solcherart einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich (RIS-Justiz

RS0117447, RS0119418, RS0100860; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23; zu den Voraussetzungen für die Annahme des reklamierten Strafaufhebungsgrundes: RIS-Justiz RS0089909; Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 127 ff; vgl dazu im Übrigen die Verantwortung des Beschwerdeführers, ON 106 S 20 f).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit dem Hinweis auf die einen Tötungsvorsatz leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers, auf einzelne Passagen aus den Angaben des Zeugen Hailton D***** zu seiner Position zum Zeitpunkt der Abgabe des zweiten und dritten Schusses und eine – erneut ohne Angabe deren Fundstelle in den Akten angesprochene – „Zusatz-Lichtbildbeilage“ keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im

Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1 festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken (RIS-Justiz RS0119583 [T7]).

Gleiches gilt für das gegen den Schuldspruch 2 gerichtete Vorbringen, das sich darauf beschränkt, den von den Geschworenen konstatierten Tatsachen unter Bezugnahme auf „das Beweisverfahren“, die (nur zu einem Einbruchsversuch geständige) Einlassung des Rechtsmittelwerbers sowie – isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte – Details der Depositionen des Tatopfers eigene Sachverhaltsannahmen gegenüber zu stellen und solcherart erneut die Richtigkeit der den Laienrichtern vorbehaltenen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen (vgl zum Ganzen RIS-Justiz RS0118780 [insb T17]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E120731

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00118.17K.0213.000

Im RIS seit

28.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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