Entscheidungsdatum
14.12.2017Norm
ZustG §11 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Allraun als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn ÁGR, geb. ***, p.A. ***, ***, Ungarn, vertreten durch Herrn Mag. Geza Simonfay, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 28.11.2016, Zl. WN/52967/VS-AV/5, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit dem gegenständlich angefochtenen Straferkenntnis werden dem Beschwerdeführer vier Übertretungen nach § 7e Abs. 3 iVm § 7i Abs. 5 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) i.d.F. BGBl. I Nr. 94/2014 zur Last gelegt.
Mit Schreiben vom 26.01.2016 hat die belangte Behörde eine Aufforderung zur Rechtfertigung wegen des gegenständlichen Tatvorwurfs an den Beschuldigten nach Ungarn an die Adresse ***, ***, übermittelt.
Am 01.03.2016 ist der bevollmächtigte Vertreter, Herr NB, vor der belangten Behörde zur niederschriftlichen Einvernahme betreffend der Aufforderung zur Rechtfertigung erschienen.
Unter anderem hat dieser zu Protokoll gegeben, „…dass es sich vermutlich um ein sprachliches Problem“ handle.
Mit Schreiben vom 18.05.2016, per E-Mail eingelangt am selben Tag, hat Herr NB der belangten Behörde die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum nunmehrigen Beschwerdeführer bekannt gegeben.
Ein weiteres Vollmachtsverhältnis wurde bis zur Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht begründet.
Der gegenständlich angefochtene Bescheid wurde an den ungarischen Beschuldigten an die oben angeführte Adresse ohne Übersetzung übermittelt.
In Ergänzung der Beschwerde hat die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung bekannt gegeben, dass für die Einvernahme des Beschwerdeführers die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich sei.
Nach dem vorliegenden Akteninhalt liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens gemäß Art. 34 des Vertrages über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Union, ist die Urkunde – oder zumindest ihr wesentlicher Inhalt –, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist, in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen.
Bei Zustellungen im Ausland nach § 11 Abs 1 ZustG sieht Artikel 5 Abs 3 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen sowohl für die direkte Zustellung im Postwege als auch für die Zustellung von Schriftstücken im Rechtshilfewege durch ersuchte Behörden vor, dass das Schriftstück oder zumindest dessen wesentlicher Inhalt in die Sprache des betreffenden Mitgliedstaates zu übersetzen ist, wenn „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist“. Im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren gab es Hinweise auf mangelnde Deutschkenntnisse des ungarischen Beschuldigten. Daher hätte das Straferkenntnis bei der Zustellung in Ungarn nicht nur die deutsche Langfassung, sondern auch eine angeschlossene ungarische Übersetzung, die zumindest deren Spruch und Rechtsmittelbelehrung umfasst, enthalten müssen. Verwiesen sei insbesondere auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.05.1988, Zl.: 87/16/0110 und vom 26.06.2014, Zl.: 2010/16/0103. Darin gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei Zustellungen auf Grund von bilateralen Abkommen sowie des Amtshilfeabkommens, BGBl. Nr. 708/1995, und der Verordnung (EG-Nr. 515/97), betreffend jeweils Zustellungen in zollrechtlichen und abgabenrechtlichen Angelegenheiten zum Ergebnis, dass das Fehlen der nach diesen Vorschriften zwingend anzuschließenden Übersetzung in die Sprache jenes Landes, in welches zugestellt werden soll, einen unheilbaren Zustellmangel darstellt. Da die Amtssprache bei Straferkenntnissen einer inländischen Behörde Deutsch ist, muss die jeweilige Erledigung in deutscher Sprache erfolgen und die Übersetzung beigefügt werden.
Die unter solchen Umständen vorgenommene Zustellung des Straferkenntnisses an den Berufungswerber im Ausland war im Lichte der hiefür maßgeblichen Folgerungen aus dem fairtrial-Gebot des Art.6 MRK unwirksam, dh die Zustellung des Straferkenntnisses gilt als nicht erfolgt.
Hat aber rechtlich die Zustellung des Straferkenntnisses noch gar nicht stattgefunden, ist der Bescheid auch nicht rechtswirksam erlassen worden, weshalb eine Beschwerde dagegen nicht erhoben werden konnte, sodass wie im Spruch zu entscheiden war.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werde, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Verfahrensrecht; Zustellmangel;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.S.649.001.2017Zuletzt aktualisiert am
27.02.2018