Entscheidungsdatum
30.01.2018Norm
BBG §40Spruch
W238 2146848-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.01.2017, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 04.11.2016 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Seinem Antrag legte er medizinische Beweismittel bei.
2. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem – auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.12.2016 erstatteten – Gutachten vom 29.12.2016 wurden als Ergebnis der Begutachtung die festgestellten Funktionseinschränkungen der Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Knietotalendoprothese rechts Wahl dieser Position, da zwar eingeschränkte Streck- und Beugefähigkeit, jedoch keine höhergradige Gangbild-beeinträchtigung.
02.05.20
30
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt. Es handle sich um einen Dauerzustand.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.01.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde.
Als Beilage zum Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 29.12.2016 übermittelt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin führte er aus, dass die bestehende Gesundheitsschädigung (Knietotalendoprothese rechts) im Gutachten nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Die belangte Behörde habe verkannt, dass die Streckung und Beugung beim Beschwerdeführer stärker als angeführt eingeschränkt seien. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, längere Geh- und Wegstrecken zurückzulegen, da dies mit massiven Schmerzen verbunden sei. Ferner leide der Beschwerdeführer an einer Gehbeeinträchtigung (Hinken). Aufgrund ständiger Schmerzen befinde sich der Beschwerdeführer in laufender orthopädischer Behandlung. Diesbezüglich wurden weitere Befunde über den Behandlungsverlauf angekündigt. Hätte die belangte Behörde die Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers richtig eingeschätzt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 40 v.H. vorliege. Abschließend stellte der Beschwerdeführer Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Orthopädie/Chirurgie. Es wurde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und auszusprechen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit zumindest 40 v.H. betrage.
5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 07.02.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass angesichts des in der Beschwerde gestellten Antrags, "der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und auszusprechen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit zumindest 40 v.H. beträgt" unklar erscheint, ob der Beschwerdeführer weiterhin die Ausstellung eines Behindertenpasses begehrt, die neben weiteren Voraussetzungen einen Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. erfordert.
7. Mit Eingabe vom 28.02.2017 korrigierte der Beschwerdeführer sein Begehren dahingehend, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Beschwerde Folge geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgeben möge. In eventu wurde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und auszusprechen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit zumindest 40 v.H. beträgt. Weiters wurde in der Eingabe das Beschwerdevorbringen präzisiert und bekräftigt.
8. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in weiterer Folge eine neuerliche Begutachtung des Beschwerdeführers veranlasst. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 12.09.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:
"Objektiver Untersuchungsbefund
Größe 175 cm, Gewicht ca. 75 kg
Allgemeinzustand: altersentsprechend
Ernährungszustand: normal
Kommt in Halbschuhen zur Untersuchung, das Gangbild ist gering rechts hinkend. Verwendet keine Gehhilfen. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt.
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: symmetrisch, elastisch
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Untere Extremitäten:
Der Barfußgang zeigt ein mäßiges Entlastungshinken rechts, ist insgesamt sicher, nicht verlangsamt. Zehenballgang ist rechts etwas eingeschränkt. Fersengang wird nicht ausgeführt. Einbeinstand kurzzeitig. Die tiefe Hocke ist 1/2 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Ausgeprägt Muskelverschmächtigung am rechten Ober- und Unterschenkel. Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.
Rechtes Knie:
Etwa 20 cm lange reaktionslose Narbe streckseitig. Das Gelenk ist gering überwärmt. Gering vermehrte innere Aufklappbarkeit. Gering Streckhemmung. Deutliche Beugehemmung, Endlagenschmerz beim Beugen.
Übrige Gelenke sind bandfest und unauffällig.
Beweglichkeit:
Hüften seitengleich frei. Knie S rechts 0-10-60, links 0-0-140. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken sind horizontal, die Wirbelsäule ist im Lot. Regelrechte Krümmungsverhältnisse, die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Vertiefte Lendenlordose.
Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen seitengleich uneingeschränkt beweglich.
BWS/LWS: FBA 0 cm, Seitwärtsneigen und Rotation seitengleich uneingeschränkt.
Beantwortung der Fragen:
1. Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung:
1 Funktionsbehinderung rechtes Knie nach Totalendoprothese 02.05.20 30 %
Wahl dieser Position, da bei eingeschränkter Beweglichkeit ohne Hilfsmittel nur geringe Gangbildstörung und Gangleistungsminderung besteht.
Es darf darauf hingewiesen werden, dass seit der Novellierung der Einschätzungsverordnung 2012 die Anlage in der Einschätzungsverordnung unter ‚Kniegelenk‘ nicht mehr enthalten ist und daher ein Prothesenzuschlag nicht mehr zu berücksichtigen ist.
Unter korrekter Anwendung der EVO ist generell ein Prothesenzuschlag seit 2012 nicht mehr zu berücksichtigen.
2. Einschätzung und Begründung des Gesamtgrades der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit dreißig vom Hundert (30 v. H.).
3. Stellungnahme, ab wann der Gesamtrad der Behinderung anzunehmen ist:
Ab Antrag, 04.11.2016.
4. Fachspezifische Stellungnahme zu den im angefochtenen Verfahren vorgelegten Unterlagen:
Im Befund vom Donauspital war die Beweglichkeit am rechten Knie 09/2016 nach Physiotherapie noch 0-5-75°
5. Fachspezifische Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde sowie im Parteiengehör vom 27.02.2017:
Zum beantragten Grad der Behinderung von 50 % kann zur Verdeutlichung angemerkt werden, dass dies einer Unterschenkelamputation entspricht. Geht man von einem flüssigen, sicheren nicht auffällig verlangsamten Gangbild ohne jegliche Gehhilfen aus, ist die Einschätzung mit 30 % jedenfalls korrekt, da eine nur geringe Streckhemmung von 10° besteht. Die Beugehemmung behindert im Alltag und beim Gehen nur untergeordnet. Aus fachärztlicher Sicht ist die Gehstrecke nicht relevant eingeschränkt.
Die Anwendung der Richtsatzposition 02.05.22 ist im gegebenen Fall nicht zutreffend, dies würde einer Versteifung im Kniegelenk in Streckstellung entsprechen.
Pos. 02.05.23 bezieht sich auf beide Kniegelenke.
6. Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung:
Keine abweichende Beurteilung.
7. Feststellung, ob, bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.
Dauerzustand."
9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2017 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen werde, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere.
Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 04.11.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Funktionsbehinderung des rechten Knies nach Totalendoprothese: Bei eingeschränkter Beweglichkeit bestehen ohne Hilfsmittel nur eine geringe Gangbildstörung und Gangleistungsminderung.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 12.09.2017 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellung zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags ergibt sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 12.09.2017. Darin wird auf das Leiden des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.
Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.
Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 12.09.2017 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für schlüssig erachtet. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.
Diesbezüglich ist im Lichte der – in der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung teilweise wiedergegebenen – Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass das Ausmaß von Funktionseinschränkungen der Kniegelenke (geringen, mittleren oder schweren Grades) grundsätzlich anhand der Möglichkeit der Streckung bzw. Beugung einzuschätzen ist. Angesichts der Art der beim Beschwerdeführer bei der klinischen Untersuchung festgestellten Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks wurde im unfallchirurgischen Gutachten unter Leiden 1 ("Funktionsbehinderung des rechten Knies nach Totalendoprothese") korrekt die Positionsnummer 02.05.20 mit dem dafür vorgesehenen fixen Rahmensatz von 30 v.H. herangezogen. Begründend wurde diesbezüglich im Gutachten darauf verwiesen, dass beim Beschwerdeführer bei eingeschränkter Beweglichkeit ohne Hilfsmittel nur eine geringe Gangbildstörung und Gangleistungsminderung bestehen. Das Gangbild wurde im Gutachten als gering rechts hinkend beschrieben.
Auch die Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Diese wurden vom befassten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12.09.2017 gehörig gewürdigt und mittels einer schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet. Diesbezüglich wurde vom Sachverständigen insbesondere ausgeführt, dass der vom Beschwerdeführer beantragte Grad der Behinderung von 50 v. H. einer Unterschenkelamputation entsprechen würde. Bei dem beim Beschwerdeführer festgestellten flüssigen, sicheren und nicht auffällig verlangsamten Gangbild ohne Gehhilfen, ist eine Einschätzung mit 30 v.H. – den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen zufolge – korrekt, zumal eine nur geringe Streckhemmung von 10° festgestellt wurde. Die bestehende Beugehemmung des rechten Knies behindert im Alltag und beim Gehen hingegen nur untergeordnet.
Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 12.09.2017 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.
Er hat zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr Stellung genommen.
Es wurde somit weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen des Beschwerdeführers aufgezeigt, dass eine höhere Einschätzung seines Leidens hätte erfolgen müssen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 12.09.2017. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."
"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
( )"
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
( )"
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
( )"
"§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:
"Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."
"Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."
3.4. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht – soweit für den Beschwerdefall relevant – auszugsweise Folgendes vor (geringfügige Formatierungsänderungen durch das Bundesverwaltungsgericht):
"Kniegelenk
Funktionseinschränkungen im Kniegelenk als Folge von Knorpel-, Band- und Meniskusläsionen. Ausprägungen von Knorpelschäden geringeren, mittleren und schwereren Grades werden in der Einschätzung mitberücksichtigt.
02.05.20 Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig 30 %
Streckung/Beugung 0-10-90°"
3.5. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall – wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm – nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).
Gegenständlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten eingeholt, das auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstattet wurde und den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.
3.6. Wie oben unter Punkt II.2.3. eingehend ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 12.09.2017 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften, zumal das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Gutachten vom Beschwerdeführer letztlich unwidersprochen blieb.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt 30 v.H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
3.7.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße – und zu begründende – Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
3.7.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie. Diesem – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten – Gutachten ist der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten. Das Gutachten, das sowohl auf die beim Beschwerdeführer bestehende Gesundheitsschädigung und deren Ausmaß als auch auf die Einwendungen in der Beschwerde in fachlicher Hinsicht eingeht, wurde im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Vor dem Hintergrund dieses schlüssigen, vom Beschwerdeführer letztlich nicht mehr bestrittenen Sachverständigenbeweises ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung – trotz deren Beantragung – nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ebenfalls nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2146848.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.02.2018