TE OGH 2017/10/24 2Ob34/17i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2017
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G***** M*****, vertreten durch Dr. Philipp Mödritscher, Rechtsanwalt in Hermagor, gegen die beklagte Partei ***** Bau GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Vasoll und Mag. Marion Vasoll, Rechtsanwälte in Hermagor, wegen 6.312,99 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2016, GZ 3 R 187/16h-25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hermagor vom 20. Juli 2016, GZ 1 C 247/15k-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer einer großteils bewaldeten Liegenschaft von rund 2,5 ha, auf der sich das Haus ***** befindet. Die Zufahrt von der *****Bundesstraße zum Haus erfolgt über einen etwa 800 m langen, teils befestigten, teils unbefestigten Weg, der den im Eigentum der Republik Österreich stehenden *****bach überquert. Im Bereich der Überfahrt fließt der Bach durch zwei Betonrohre, was den Vorteil einer trockenen Erreichbarkeit des Hauses, aber den Nachteil hat, dass bereits bei mittleren Hochwässern eine Verklausung der Rohre stattfindet und der Einstaubereich der Rohre mit Geröll verlandet. Es war schon beim Bau der Furt absehbar, dass es immer wieder notwendig sein würde, nach Hochwässern den Verlandungsraum der Rohre zu räumen.

Links und rechts des Bachbetts ist in der Wiese oberhalb der Überfahrt je eine Beleuchtungseinrichtung auf einer Säule montiert; südöstlich der Überfahrt ein Strahler und nordwestlich davon eine Straßenlaterne. Zwischen diesen Beleuchtungseinrichtungen verläuft unter dem Bach geradlinig das die Beleuchtungseinrichtungen versorgende Stromkabel, das der Kläger im Jahr 2009 durch das Bachbett in einer Tiefe von ca 1,0 bis 1,2 m verlegen ließ. Über den Kabeln war in einer Tiefe von ca 0,7 m eine Trassenwarneinrichtung in Form eines gelben Kabelwarnbands verlegt.

Die Bachquerung des Stromkabels wurde im Bereich der Bachböschung nicht extra markiert. Die Errichtung der Bachquerung war – unstrittig – nach der Bewilligungsfreistellungsverordnung für Gewässerquerungen (GewQBewFreistellV),

BGBl II 2005/327, bewilligungsfrei.

Im Jahr 2012 galt es nach einem Hochwasserereignis (auch) die verlegte und überflutete Überfahrt freizumachen. Die Beklagte wurde von der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) – einer nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – im Zuge einer Sofortmaßnahme mit der Durchführung von Bachformungen beauftragt. Die Beklagte stellte der WLV einen Bagger samt für solche Arbeiten versiertem Baggerfahrer zur Verfügung. Der Baggerfahrer verrichtete die Freilegungsarbeiten unter Aufsicht und über Anweisung des Koordinators der WLV.

Dem Baggerfahrer fielen im Zuge der Arbeiten die beiden Beleuchtungseinrichtungen nicht auf, wohl aber dem Koordinator, der, nachdem er im Böschungsbereich keine Kabelmarkierungen gefunden hatte, davon ausging, dass unter dem Bach kein Kabel verlegt wäre.

Ziel der Freilegungsarbeiten war es, den Verlegungsraum bis auf das Niveau der Rohrsohle freizubaggern. Im konkreten Fall kam es im Zuge der Arbeiten zu einem Hinunterbaggern bis ca 1,0–1,2 m unter das Bachbett. Dabei wurde das Stromkabel beschädigt.

Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Baggerfahrer den Koordinator fragte, ob er auf irgendetwas aufpassen müsse. Hätte der Baggerfahrer wegen allfälliger Kabel oder Hindernisse beim Koordinator nachgefragt, hätte dieser ihm das Vorhandensein solcher verneint.

Die Errichtung der Bachquerung des Stromkabels wurde vom Kläger erst nach dem Schadensfall der Bezirkshauptmannschaft gemeldet.

Das Erstgericht wies die auf Ersatz der durch die Wiederherstellung des Stromkabels entstandenen Kosten gerichtete Schadenersatzklage mangels Verschuldens des Baggerfahrers ab. Er habe in der konkreten Situation nicht von einer Querung ausgehen brauchen. Aus diesem Grunde sei auch das zu tiefe Graben des Baggerfahrers nicht als schuldhaft zu werten.

Diese Entscheidung wurde vom Berufungsgericht bestätigt, welches ergänzend ausführte, dass Art und Situierung der Beleuchtungseinrichtungen keinen solchen Auffälligkeitswert gehabt hätten, dass schon aufgrund ihrer Existenz im Grabungsbereich (Bachbett) mit einem Kabel zu rechnen gewesen sei. Die Beleuchtungseinrichtungen hätten auch keine Sichtmarke im Sinne des § 2 Z 4 GewQBewFreistellV dargestellt, wonach eine Gewässerquerung am Ufer „durch Sichtmarken (Kabelmarksteine, Holzpflöcke, Leitungsmarker oder Ähnliches) zu kennzeichnen“ ist. Aufgrund der Unterlassung der – gemäß § 3 GewQBewFreistellV spätestens sechs Wochen vor dem geplanten Baubeginn geschuldeten – Anzeige der Bachquerung und mangels Markierung der Querung durch Sichtmarken am Ufer habe der Kläger den Schaden selbst zu tragen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die – nach § 508 ZPO vom Berufungsgericht nachträglich zugelassene – Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Errichtung von Unterführungen unter Wasserläufen ist nach § 38 Abs 1 Satz 1 WRG nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 WRG oder des § 41 WRG erforderlich ist. Von der Bewilligungspflicht des § 38 Abs 1 WRG sind nach § 1 Bewilligungsfreistellungsverordnung

für Gewässerquerungen (GewQBewFreistellV),

BGBl II 2005/327, gewisse

Gewässerquerungen von Rohr- und Kabelleitungen befreit.

Nach § 2 Z 4 Satz 1 GewQBewFreistellV hat jedermann, der ein Vorhaben nach § 1 GewQBewFreistellV verwirklicht, zu beachten, dass die Gewässerquerung am Ufer durch Sichtmarken (Kabelmarksteine, Holzpflöcke, Leitungsmarker oder Ähnliches) zu kennzeichnen ist. Nach § 3 GewQBewFreistellV

sind Vorhaben nach § 1 der Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der die Erfüllung eines der Tatbestände des § 1 belegenden Projektsunterlagen spätestens sechs Wochen vor dem geplanten Baubeginn zu melden.

2. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Unterführung des Stromkabels unter den *****bach zwar bewilligungsfrei nach § 1 GewQBewFreistellV war, in Konsequenz dessen aber nach § 2 Z 4 leg cit eine Kennzeichnungspflicht und nach § 3 leg cit eine Meldepflicht bestand.

Strittig ist im Revisionsverfahren die Einhaltung der erstgenannten Pflicht. Der Kläger vertritt den Standpunkt, dass die beiden Beleuchtungseinrichtungen „ähnliche Sichtmarken“ im Sinne des § 2 Z 4 GewQBewFreistellV seien, dies umso mehr, als – wie auch vom Erstgericht festgestellt – nach der ÖVE/ÖNORM E 8120 Lampen als „beständige Bezugspunkte“ für eine Kabeltrasse gälten und eine zusätzliche oberirdische Kennzeichnung nicht mehr erforderlich sei. Der Kläger folgert hieraus, dass der Baggerfahrer als Sachverständiger (§ 1299 ABGB) angesichts der beiden Beleuchtungseinrichtungen von einer Bachquerung ausgehen hätte müssen, sodass ihm (und damit der Beklagten) sehr wohl ein Verschulden zur Last falle.

Dem vermag sich der Senat aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

3. Die Sichtmarken müssen sich nach § 2 Z 4 GewQBewFreistellV am Ufer befinden. Das Ufer ist
– unabhängig von einer bestimmten Wasseranschlagslinie – ein in der Natur mehr oder minder deutlich wahrnehmbarer Geländestreifen, der das Gewässerbett (Wasserbett, Gerinne)
horizontal gegen das Umland abgrenzt (Oberleitner/Berger, WRG-ON1.04 [2016] Vor § 1 Rz 6; ähnlich Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993] § 8 Rz 2). Ist ein Ufergrat (Naturgrenze) vorhanden, so begrenzt er das Ufer nach oben hin (vgl 1 Ob 40/80 SZ 53/38; 1 Ob 14/17s [in Punkt 2.5.]; RIS-Justiz RS0082115).

Die Beleuchtungseinrichtungen standen auf der Wiese neben dem Bach, und zwar – wie aus dem Lichtbild auf Seite 4 des Sachverständigengutachtens ersichtlich – der Strahler ein paar Meter, die Laterne viele Meter vom Ufer entfernt. Damit standen die Beleuchtungseinrichtungen nicht am Ufer. Ob die Beleuchtungseinrichtungen als „ähnliche Sichtmarken“ zu qualifizieren wären, kann angesichts dessen unbeantwortet bleiben; der Kennzeichnungspflicht des § 2 Z 4 GewQBewFreistellV wurde bei Errichtung der Bachquerung des Stromkabels mangels Situierung von Sichtmarken am Ufer keinesfalls entsprochen.

4. Die Beklagte war nach den Feststellungen mit der „Durchführung von Bachformungen beauftragt“.

Der ausführende Grabungsunternehmer ist nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Diligenzpflicht gemäß § 1299 ABGB verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung der Beschädigung von Kabeleinbauten zu treffen und seinem Baggerführer die entsprechenden Anweisungen zu erteilen (RIS-Justiz RS0021969). Wenn Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Leitungen vorliegen, trifft ihn eine Erkundigungspflicht (RIS-Justiz RS0038135;

RS0038090 [T6]; 1 Ob 168/06x [in Punkt 3.]; 1 Ob 186/14f [in Punkt 1.]). Dabei ist zwischen verbautem und unverbautem Gebiet zu unterscheiden:

4.1. In verbautem Gebiet liegt das Vorhandensein von Erdkabeln, Rohrleitungen und dergleichen nahe (RIS-Justiz RS0038135). Gleiches gilt generell im unmittelbaren Bereich von Straßen (G. Kodek in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1294 Rz 38; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek4 § 1295 Rz 74). Hier darf sich der Grabungsunternehmer nicht damit begnügen, dass die Frage nach dem allfälligen Vorhandensein von Leitungen vom Bauherrn oder vom Grundstückseigentümer verneint wird (2 Ob 224/79; RIS-Justiz RS0038135 [T15, T18]). Er ist vielmehr verpflichtet, sich bei denjenigen zu erkundigen, die verlässlich und verbindlich über die Lage von Versorgungsleitungen Auskunft geben können; das sind die in Frage kommenden Versorgungsunternehmen (6 Ob 256/02v = RIS-Justiz RS0038135 [T17]).

4.2. In unverbautem Gebiet muss demgegenüber nicht ohne weiteres mit Erdkabeln, Rohrleitungen und dergleichen gerechnet werden. Eine Erkundigungspflicht setzt hier voraus, dass nach der Sachlage aufgrund bestimmter Anhaltspunkte mit dem Vorhandensein von Kabeln oder dergleichen zu rechnen ist (idS RIS-Justiz RS0038135 [T9, T11]).

4.3. Im vorliegenden Fall liegt ein unverbautes
– durch Wald und Wiesen geprägtes – Gebiet vor. Es besteht auch keine Straße, sondern bloß ein – zum Teil sogar unbefestigter – Zufahrtsweg; davon abgesehen wurden die Grabungsarbeiten im Bachbett, somit nicht im unmittelbaren Bereich des Weges durchgeführt. Es musste folglich nicht ohne weiteres mit einem Stromkabel gerechnet werden.

Der Kläger argumentiert, die beiden Beleuchtungseinrichtungen wären ein solcher Anhaltspunkt gewesen. Er übersieht dabei aber, dass davon ausgegangen werden darf, dass bei Gewässerquerungen die GewQBewFreistellV eingehalten wird. Verordnungen sind nämlich generelle Rechtsvorschriften, die sich ihrem Inhalt nach an die Rechtsunterworfenen richten (statt vieler Mayer/Muzak, B-VG-Kurzkommentar5 142). Da am Ufer unstrittig gerade keine Sichtmarken vorhanden waren, war das Vorhandensein einer Gewässerquerung kontraindiziert. Mangels Sichtmarke im Uferbereich war davon auszugehen, dass unter dem Bach im Grabungsbereich kein Kabel oder eine sonstige Leitung quert. Hier eine Erkundigungspflicht des Baggerfahrers bzw des Grabungsunternehmers, für welchen dieser tätig ist, anzunehmen, hieße die Diligenzpflicht zu überspannen.

5. Weil nicht mit Kabeln oder sonstigen Leitungen gerechnet werden musste, stellt es – wie bereits von den Vorinstanzen erkannt – auch keine Sorgfaltswidrigkeit dar, dass der Baggerfahrer ca eine Schaufeltiefe tiefer als unbedingt nötig grub (wodurch er das Stromkabel beschädigte). Die Ansicht der Revision, der Baggerfahrer habe hierdurch die Stabilität des Zufahrtswegs erheblich gefährdet, findet in den Feststellungen keine Stütze und ist zudem eine unzulässige Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO).

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E120716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00034.17I.1024.000

Im RIS seit

27.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten