Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65–67, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10, wegen Aufrechnung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2017, GZ 12 Rs 25/17h-16, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das auf Zahlung der Versehrtenrente in ungekürzter Höhe gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Kläger verpflichtet sei, ab 1. 6. 2016 die Aufrechnung eines Betrags von monatlich 279,99 EUR (ohne Sonderzahlungen) zur Deckung der offenen Beitragsforderung der Nebenintervenientin laut Rückstandsausweis vom 11. 5. 2016 im Gesamtbetrag von 22.184,25 EUR zuzüglich Verzugszinsen gemäß § 59 ASVG zu dulden; vom Kläger bereits erbrachte Leistungen seien anzurechnen. Das Berufungsgericht gab der vom Kläger dagegen erhobenen Berufung nicht Folge.
In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger ausschließlich geltend, dass der angefochtene Bescheid nicht an ihn, sondern – wegen der Postsperre gemäß § 78 Abs 2 IO – an den Masseverwalter zugestellt hätte werden müssen. Dieser wäre gemäß § 78 Abs 3 IO verpflichtet gewesen, die Sendung an den Absender zurückzustellen. In weiterer Folge hätte die Zustellung mit dem Vermerk „trotz Postsperre“ an den Kläger erfolgen müssen. Bei Einhaltung der gesetzmäßigen Vorgangsweise wäre in der Zwischenzeit die positive Beschlussfassung über den Zahlungsplan erfolgt und wäre eine Aufrechnung mangels Bestands der Forderung der Nebenintervenientin nicht mehr möglich gewesen, weil diese mit Ausnahme der Quote nach Zahlungsplan erloschen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Diese Ansicht widerspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
1. Nach der Rechtsprechung findet die Aufrechnung in der Insolvenz nur gegenüber dem Insolvenzverwalter statt (RIS-Justiz RS0064293). Allerdings erstreckt sich die Vertretungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht auf das insolvenzfreie Vermögen (§ 2 Abs 2 IO; 10 ObS 48/17g). Der Insolvenzverwalter ist gesetzlicher Vertreter des Schuldners nur hinsichtlich des Massevermögens (RIS-Justiz RS0106041). Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die Aufrechnung nur in dem unpfändbaren Teil der Bezüge des Klägers erfolgte. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Masseverwalter im konkreten Fall materiell daher nicht gesetzlicher Vertreter der Masse ist, zieht der Revisionswerber nicht in Zweifel, sondern geht selbst davon aus, dass die im angefochtenen Bescheid enthaltene Aufrechnungserklärung an ihn zu erfolgen hatte.
2. Ob, wie dies der Revisionswerber geltend macht, eine Heilung einer nicht rechtswirksamen Zustellung (ohne Vermerk „trotz Postsperre“) im konkreten Fall nicht möglich sei, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Denn das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich der Empfänger nach der Rechtsprechung jedenfalls dann nicht mehr auf einen Zustellmangel berufen kann, wenn er dem Zustellinhalt gemäß reagiert hat (10 Ob 47/03i; RIS-Justiz RS0083731 [T6]). Das trifft hier zu, weil der Kläger gegen den angefochtenen Bescheid fristgerecht Klage erhoben hat. Er hat damit genau so gehandelt, wie er gehandelt hätte, hätte er den Bescheid – wie von ihm gefordert – mit dem Vermerk „trotz Postsperre“ (§ 78 Abs 2 letzter Satz IO) zugestellt erhalten. Diese rechtliche Begründung des Berufungsgerichts stellt der Revisionswerber auch nicht in Frage. Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Schlagworte
;Gruppe: Konkursrecht,Ausgleichsrecht;Sozialrecht;Textnummer
E120726European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00095.17V.1220.000Im RIS seit
27.02.2018Zuletzt aktualisiert am
27.02.2018