Diskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch Dritten, Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 29. November 2017 über den am 14. Juli 2015 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau Mag. (FH) A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG(BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) und eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs 1 Z 3 GlBG durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/621/15, zu folgendem
Prüfungsergebnis:
1. Frau Mag. (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
2. Frau Mag. (FH) A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 29. November 2017. Als weitere Auskunftsperson wurde Herr C am 29. November 2017 befragt. Des Weiteren lagen dem Senat I der GBK Interventionsschreiben der GAW an den Antragsgegner vom 9. März und 11. Mai 2015 vor.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei von 15. Juni 2012 bis 31. Dezember 2014 bei der X AG als Verkaufsmitarbeiterin im Außendienst beschäftigt gewesen. Im Mai 2014 sei der Antragsgegner mit der Leitung des Verkaufsteams betraut worden und sei von dem Zeitpunkt an bis zum Ende des Dienstverhältnisses der Vorgesetze der Antragstellerin gewesen. Es hätten sich zunächst in der Abteilung fünf Frauen und sieben Männer befunden, davon seien zwei Frauen und drei Männer im Außendienst tätig gewesen.
Am 17. Juni 2014 habe der Antragsgegner ohne ersichtlichen Anlass beiläufig die Bemerkung fallengelassen, die Antragstellerin sei „ein teurer Postbote“. Gegenüber männlichen Außendienstmitarbeitern seien keine derartigen Aussagen gefallen. Der Antragsgegner habe gegenüber der Antragstellerin kurz darauf zudem die Bemerkung fallen gelassen, sie solle sich nicht so anstrengen, sondern im Außendienst „ihre weiblichen Reize bzw. Waffen bei den Kunden besser einsetzen“. Er habe von einer „mörderischen Figur“ gesprochen und gemeint, dass die Antragstellerin sich mit den Kunden das Leben dadurch viel leichter machen könne. Er habe ihr auch geraten, dass sie sich mehr auf „das Schöne“ bei der Kundenbetreuung konzentrieren solle, wie die Eventbetreuung und Einladungen, und festgehalten, dass er sich für „das Unangenehme“ wie Reklamationsgespräche zuständig erachte.
Die Antragstellerin habe sich zunehmend in ihrer Kompetenz und Position als Außendienstmitarbeiterin untergraben gefühlt.
Es sei auch zu zwei weiteren Bemerkungen gekommen, die für die Antragstellerin absolut unangebracht gewesen seien: Sie habe einen telefonischen Termin mit einem männlichen Kollegen vereinbart, den sie von einer Kollegin, Frau D, übernommen habe: Dabei habe sie am Telefon gesagt, dass es ihr egal sei, wann der Termin stattfände und bemerkt, dass Frau D ihre Termine immer so um 13 Uhr herum ausmache. Plötzlich habe sie hinter sich folgenden Kommentar des Antragsgegners gehört, der eindeutig einen sexuell gefärbten Unterton hatte: „Die Frau D macht's immer um 13 Uhr.“
Im August 2014 habe eine Kollegin, Frau E, gekündigt. Ihr Nachfolger sei Herr F gewesen. Bei der Vorstellung vor mehreren männlichen Mitarbeitern und der Antragstellerin habe der Antragsgegner die Bemerkung fallen gelassen, Herr F sei die „neue" Frau E „allerdings mit weniger Holz vor der Hütte". Alle männlichen Kollegen hätten über diesen Kommentar gelacht. Die Antragstellerin habe dies mehr als unpassend empfunden.
Die Antragstellerin habe bemerkt, dass sie seit Mai 2014 immer mehr von der Kundenbetreuung ausgeschlossen worden sei.
Ohne jegliche Vorwarnungen habe sie am 29. Oktober 2014 eine Kündigung erhalten. Die Situation im Team habe sich seit Mai 2014 aus Sicht der Antragstellerin stark verändert: es habe eine sehr männlich dominant geprägte Stimmung geherrscht und mehrere weiblicher Mitarbeiterinnen hätten das Unternehmen verlassen, sodass im November 2014 nur mehr 3 Frauen und 9 Männer im Team gearbeitet hätten. Die Antragstellerin sei die einzige noch im Außendienst verbliebene Mitarbeiterin gewesen. Bereits am 3. November 2014 sei an ihrer Stelle ein männlicher Nachfolger eingestellt worden. Die Antragstellerin habe sich mit der X AG vergleichsweise geeinigt.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK vom Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 29.September 2015 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Er distanziere sich von jeglicher Aussage die hier beschrieben worden sei ausdrücklich. Eine seiner ersten Aufgaben nach seinem Antritt 2014, die er von seinem Vorgesetzen erhalten habe, sei die „Entfernung“ der Antragstellerin gewesen. Er habe aber gesagt, dass er sich erst die Arbeitsleistung der Antragstellerin ansehen werde und sich dann eine Meinung bilde. Leider habe sich die Meinung seines Vorgesetzten bestätigt und im September habe er dann nochmals die Anweisung bekommen die Antragstellerin auszutauschen. Sein Vorgesetzter sei damals Herr Mag. G gewesen. Mittlerweile sei er von diesem im Dezember gekündigt worden, und seit 5. Dezember 2014 nicht mehr tätig.
Leider könne er kein detailliertes Gedächtnisprotokoll aufweisen. Aber eines könne er noch dazu schreiben: Die Antragstellerin sei sehr bemüht gewesen, habe aber keine Erfolge im Außendienst gehabt. U.a. habe ein Kunde der Antragstellerin sich an ihn gewandt mit der Bitte, sie nicht mehr zu ihm zu schicken, da sie fachbezogene Fragen nicht beantworten und Problemstellungen nicht besprechen bzw. lösen könne. Intern sei die Antragstellerin in den Verkehrsabteilungen leider nicht sehr beliebt gewesen, daher habe er sie angeregt mehr in die Abteilungen zu gehen. Einerseits um sich "präsenter" zu machen und auch um sich mehr Fachwissen anzueignen. Grundsätzlich habe er nie bei der Aufnahme von Mitarbeitern auf das Geschlecht, sondern auf die Qualifikation für diese Stelle geachtet und danach gehandelt.
Abschließend möchte er nochmals festhalten, dass sein Vorgesetzter hier die Anweisung gegeben habe.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Als Dritte im Sinne des § 6 GlBG kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2
Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise anzügliche, sei es auch in „Komplimente“ verpackte, Bemerkungen über Figur oder das Erzählen freizügiger Witze. 3
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.
Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner habe die Bemerkung fallen lassen, sie sei „ein teurer Postbote“; ihr gesagt, sie solle „ihre weiblichen Reize bzw. Waffen bei Kunden besser einsetzen“ und bemerkt habe sie habe eine „mörderische Figur“; ihr geraten sie solle sich auf „das Schöne“ im Job konzentrieren, für „das Unangenehme“ erachte er sich zuständig; während einer Terminvereinbarung mit einer Kundin im Hintergrund in eindeutig sexuell gefärbtem Unterton gesagt: „Die Frau D macht’s immer um 13 Uhr.“; bei der Vorstellung eines neuen Kollegen vor mehreren männlichen Mitarbeitern und der Antragstellerin bemerkt dieser sei die „neue“ Frau E „allerdings mit weniger Holz vor der Hütte“ ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 15. Juni 2012 bis 31. Dezember 2014 bei der X AG beschäftigt war. Ab Mai 2014 war der Antragsgegner als Leiter des Verkaufsteams ihr Vorgesetzter.
Die Antragstellerin konnte die Vorwürfe gegen den Antragsgegner in ihrem schriftlichen Vorbringen sowie ihrer ergänzenden mündlichen Befragung glaubhaft darlegen. Dabei widerholte sie in die erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsgegner in der Sitzung des Senates vom 29. November 2017 ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag.
Durch die Aussage des ehemaligen Arbeitskollegen der Antragstellerin, Herrn C, wurde das Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen bestätigt. Er konnte sich an die ihm vorgehaltene Bemerkung des Antragsgegners erinnern, bei der Vorstellung eines neuen Kollegen vor mehreren männlichen Mitarbeitern und der Antragstellerin bemerkt zu haben, dieser neue Kollege sei die „neue“ Frau E „allerdings mit weniger Holz vor der Hütte“. Auch könne er sich vorstellen, dass eine Aussage über den Einsatz der „weiblichen Reize“ der Antragstellerin in von dieser unerwünschten Art in einem Follow-Up Gespräch zwischen dieser und dem Antragsgegner gefallen sei.
Zusätzlich wurden die vorgeworfenen Äußerungen und Verhaltensweisen im Wesentlichen auch durch den Antragsgegner in Sitzung des Senates am 29. November 2017 bestätigt, auch wenn er meinte, diese seien aus dem Kontext genommen oder anders formuliert gewesen und außerdem jegliche sexuelle oder geschlechtsbezogene Komponente abstritt.
Der Antragsgegner brachte etwa vor, er habe nicht gesagt, die Antragstellerin solle ihre „weiblichen Reize“ einsetzen oder sie habe „eine mörderische Figur“ sondern, „dass sie ein hübscher Mensch sei, ein gutes Entree bei Kunden habe“, sich gut bei Begrüßungen einbringen könne und einen sympathischen Eindruck mache. „Aber genau dann ist Schluss. Dann bringt sie absolut nichts mehr auf die Reihe was in irgendeiner Form fachliche und sachliche Kompetenz ist.“ Auch die Aussage, sie solle sich auf „das Schöne“ im Job, wie Eventbetreuung und Einladungen konzentrieren wurde von ihm bestätigt – allerdings seien sie aus dem Kontext genommen. Gesagt habe er „Nutze deine Kommunikativität. Mit Fachwissen kannst du leider nicht punkten, also nutze es und mache Kommunikatives.“ Begründend gab er an, er habe sie vor einer Kündigung bewahren wollen und ihr daher geraten, sich bei der Eventbetreuung mehr einzubringen, damit er seinem Vorgesetzen gegenüber argumentieren könne, sie bringe sich in diesem Bereich mehr ein. Auch die Aussage, die Antragstellerin sei ein „teurer Postbote“, habe er getätigt. Diese habe den Hintergrund, dass die Antragstellerin ihre Offerte, anders als alle andern Kollegen und Kolleginnen, immer persönlich zu den Kunden und Kundinnen gebracht habe, ohne dabei aber den persönlichen Kontakt zu nützen, um die Offerte zu erklären oder die Kunden und Kundinnen besser zu binden. Die Aussage hinsichtlich der Terminpräferenzen einer bestimmte Kollegin („Frau D macht’s immer um 13 Uhr“) sei ebenfalls gefallen, habe aber keinen sexuellen Unterton enthalten. Er gab dazu in seiner mündlichen Befragung einerseits an, die Antragstellerin habe zwei Worte ausgelassen ( „… macht ihre Termine immer ab 13 Uhr“), andererseits gab er aber an, sich an die genaue Wortwahl nicht mehr erinnern zu können. Zuletzt bestätigte er auch die Aussage vor mehreren Mitarbeitern und der Antragstellerin ein neuer Kollege sei die neue Frau E „allerdings mit weniger Holz vor der Hütte“. Jeder der Anwesenden hätte das lustig gefunden, die Antragstellerin habe nicht reagiert. Er führte dazu weiter aus: „Die Frau E hat – wie sage ich das am besten – anatomisch einen weiblich großen Vorteil im oberen Torso. Ich hoffe, ich habe das jetzt korrekt gesagt. Und darauf war sie auch immer stolz. Und wenn sie dabei gewesen wäre, hätte sie sicherlich mitgelacht oder sogar noch eine Spitze draufgesetzt.“
Auffällig war bei den Aussagen des Antragsgegners in der Sitzung vom 29. November 2017, dass er, immer wenn es ihm um die „Berichtigung“ der vorgeworfenen Formulierung ging, äußerst zögerlich im direkten Vergleich zu seiner restlichen Aussage antwortete. Es entstand dadurch beim Senat der Eindruck, er bemühe sich mehr darum, eine „korrekte“ Version der Äußerungen zu finden und nicht unbedingt um eine Widergabe des tatsächlich Geäußerten. Festzuhalten ist jedoch, dass auch die vom Antragsgegner „berichtigte“ Formulierung, die Antragstellerin solle ihre fehlende fachliche Kompetenz durch ihr schönes Äußeres und ihren sympathischen Eindruck kompensieren, in einem professionellen Umfeld fehl am Platz wären. Es bestand aber für den Senat keinerlei Anlass, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Antragstellerin auch im Hinblick auf die konkrete Formulierung der Äußerungen in Frage zu stellen.
Die gefallenen Äußerungen und Verhaltensweisen des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin stellen nach Ansicht des Senates keine angebrachte Form der Mitarbeiterkommunikation dar, unabhängig vom behaupteten Hintergrund einer fehlenden fachlichen Eignung der Antragstellerin. Natürlich ist es legitim, dass Vorgesetzte ihren MitarbeiterInnen gegenüber unzureichende Arbeitsleistung oder mangelnde fachliche Kompetenz ansprechen, jedoch ist hier auf eine angemessene Form und den Inhalt besonders Acht zu geben.
Einige der erwähnten Äußerungen stellen der sexuellen Sphäre zuzuordnende Verhaltensweisen dar. So fällt etwa der Kommentar über das gute Aussehen der Antragstellerin, das ihr bei Kunden einen Vorteil verschaffe, der „Witz“ über die Oberweite der Arbeitskollegin im Beisein mehrerer Kollegen sowie der Antragstellerin als auch der Kommentar mit sexuell gefärbtem Unterton eine Kollegin „mache es immer um 13 Uhr.“ in diesen Bereich.
An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass die Grenze, welche Verhaltensweisen für eine Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sind, eben nicht nach objektiven Maßstäben festgelegt, sondern von jeder Person selbst gezogen wird. Dieser Hinweis erscheint vor allem im Hinblick auf das Vorbringen des Antragsgegners zur Rechtfertigung des Witzes über die Oberweite einer Kollegin von Bedeutung. Ein anzüglicher „Witz“ über die Oberweite einer Frau kann, mag sie für eine Arbeitnehmerin diese Grenze auch nicht überschreiten, für eine andere Arbeitnehmerin durchaus eine unangebrachte Äußerung sein. Unabhängig davon, was die im Witz erwähnte Kollegin, Frau E, daher als angebracht erachtet hätte, steht es der Antragstellerin zu, ihre eigene subjektive Grenze anders zu ziehen und muss sie derartige anzügliche Kommentare in ihrem Arbeitsumfeld nicht hinnehmen.
Der Antragsgegner wandte im Rahmen der Sitzung zudem ein die Antragstellerin habe keine Reaktion auf sein Verhalten gezeigt. Sie habe sich auf den „Witz“ über die Oberweite der Kollegin „nicht gerührt, weder zum Positiven noch zum Negativen. Sie ist einfach dort gesessen und hat, so wie immer, leider nicht reagiert.“ Dazu ist anzumerken, dass eine Zurückweisung des sexuell belästigenden Verhaltens keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG ist.6
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er das sexuell belästigende Verhalten nicht getätigt hat.
Durch diese Verhaltensweisen des Antragsgegners wurde die Würde der Antragstellerin verletzt. Für die Antragstellerin waren die getätigten Äußerungen am Arbeitsplatz unpassend und unerwünscht. Durch diese Äußerungen wurde ein für sie demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld geschaffen.
Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d.h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nicht mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des § 7 ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.7
Die Diskriminierungstatbestände der sexuellen Belästigung nach § 6 GlBG und der geschlechtsbezogenen Belästigung § 7 GlBG stehen zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung. Sexuelle Belästigung ist als ein Spezialfall der geschlechtsbezogenen Belästigung zu sehen.8
Nicht alle der eingangs erwähnten Äußerungen und Verhaltensweisen des Antragsstellers zielen im Speziellen auf die sexuelle Sphäre der Antragstellerin ab. Dies trifft etwa nicht zu auf Aussagen des Antragsgegners, die Antragstellerin sei ein „teurer Postbote“, sie solle sich auf „das Schöne“ im Job konzentrieren sowie das Ausschließen von der Kundenbetreuung. Der „Geschlechtsbezug“ ist bei diesen Äußerungen nicht von vorneherein offensichtlich. Verhaltensweisen, die nicht per se auf das Geschlecht der belästigten Person abzielen, können aber dennoch als Belästigung nach § 7 GlBG zu werten sein. Ausschlaggebend ist dabei das Motiv der belästigenden Person.9 Im konkreten Fall also, ob der Antragsgegner das Verhalten in der geschilderten Form gegenüber der Antragstellerin deswegen gesetzt hat, weil sie eine Frau ist. Die Antragstellerin führte aus, ähnliche Aussagen wie die, dass sie „ein teurer Postbote“ sei, seien männlichen Außendienstmitarbeitern gegenüber nicht gefallen.
Das Vorbringen der Antragstellerin, die widerholt getätigten Aussagen und Verhaltensweisen des Antragstellers seien geschlechtsspezifisch konnotiert gewesen, erschienen dem Senat glaubwürdig. Auch im Hinblick auf die bereits oben festgestellte sexuelle Belästigung, ein Spezialfall der geschlechtsbezogenen Belästigung, erscheint es für den Senat plausibel, dass der Antragsgegner Mitarbeiterinnen gegenüber einen anderen Umgangston pflegte als bei Mitarbeitern. Auch die Ausführungen des Antragsgegners, er habe die Antragstellerin durch seine Kritik und die Ratschläge vor einer Kündigung bewahren wollen, können die Vorwürfe der Antragstellerin nicht entkräften. Zum einen kommt es bei belästigendem Verhalten nicht auf die Absicht des Belästigers an, zum anderen konnte der Antragsgegner nicht widerlegen, dass das Geschlecht der Antragstellerin nicht der Grund für die konkrete Art und Weise war, in der er sich ihr gegenüber ausgedrückt und verhalten hat.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er das belästigende Verhalten nicht getätigt hat.
Durch diese wiederholt getätigten geschlechtsbezogenen Äußerungen und Verhaltensweisen des Antragsgegners wurde die Würde der Antragstellerin beeinträchtigt. Für die Antragstellerin war das gesetzte Verhalten zudem unerwünscht. Sie fühlte sie sich durch diese in ihrer Position untergraben und von ihrem eigentlichen sachlichen Aufgabenbereich ausgeschlossen, was ein demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld schuf.
Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes
Wien, 29. November 2017
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.
3 Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 28.
6 OGH 20.04.2017, 9ObA38/17d; RIS-Justiz, RS0131404.
7 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 3.
8 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 4.
9 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz 15.
Zuletzt aktualisiert am
26.02.2018