TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/21 LVwG-AV-1089/001-2017

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Entscheidungsdatum

21.11.2017

Norm

BAO §4 Abs1
BAO §166
KanalG NÖ 1977 §5 Abs1
KanalG NÖ 1977 §12 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Lindner als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn MF und Frau BF, beide ***, ***, gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 14. Juni 2017, Zl. 1711311/BE-2017, mit dem die Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 22. Dezember 2015,
Zl. 1711311/001/00/007/01, betreffend Vorschreibung einer jährlichen Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal mit Wirkung ab 1. Jänner 2014 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt worden war, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches verfahren:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 9. November 1989 wurde Herrn MF und Frau BF (in der Folge: Beschwerdeführer) die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses samt Garage erteilt. Unter Verweis auf die vorangegangene Bauverhandlung vom 25. Oktober 1989 wurde unter Punkt 18 die Auflage formuliert, „dass die Regen-Hofwässer-Fäkalien über entsprechende Rohrleitungen in den hierfür vorgesehenen Kanal zu leiten sind. Auf eigenem Grund nahe der Grundstücksgrenze muss ein Putzschacht vorhanden sein. Für die Versickerung des Oberflächenwassers ist um Bewilligung beim Bürgermeister schriftlich anzusuchen.“ Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft.

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:

1.2.1.

Mit dem Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 22. Dezember 2015,
EDV-Nummer: 1711311/001/00/007/01, wurde den Beschwerdeführern für die Liegenschaft in ***, ***, die Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Jänner 2014 im Jahresbetrag von € 80,32 (zuzüglich Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Der Abgabenberechnung wurden eine Berechnungsfläche von 251 m² sowie der vom Gemeinderat verordnete Einheitssatz von € 0,3200 zugrunde gelegt.

1.2.2.

Mit Schreiben vom 18. Jänner 2016, erhoben die Beschwerdeführer gegen den genannten Abgabenbescheid betreffend die Festsetzung der jährlichen Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Jänner 2014 das ordentliche Rechtsmittel der Berufung. Zur Begründung der Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Niederschlagswässer nicht in den Regenwasserkanal, sondern in eine Drainagenableitung einer Felddrainage, die sich auf ihrer Liegenschaft befinde, eingeleitet würden. Weiters wird betont, dass die Liegenschaft nicht an den Regenwasserkanal der Marktgemeinde *** angeschlossen sei.

1.2.3.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. April 2016, Zl. 1711311/BE, wurde der Berufung vom 18. Jänner 2016 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

1.2.4.

Mit Schreiben vom 26. April 2016 erhoben die Beschwerdeführer gegen diesen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründeten diese im Wesentlichen wie ihre Berufungsschrift.

1.2.5.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom
14. Dezember 2016, Zl. LVwG-AV-515/001-2016, wurde der Beschwerde der Beschwerdeführer Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** zurückverwiesen. Tragender Grund der Aufhebung war das Fehlen jeglicher Feststellungen zur wesentlichen Frage, ob und auf welchem Weg Niederschlagswässer von der gegenständlichen Liegenschaft in den öffentlichen Regenwasserkanal gelangen (können). Im Hinblick auf das bisherige Vorbringen der Beschwerdeführer wären auch Feststellungen zur Beschaffenheit des behaupteten Drainagesystems erforderlich, insbesondere ob die Regenwässer über ein Rohrsystem in den Regenwasserkanal gelangen oder ob diese doch ausschließlich in anderer Weise abgeleitet werden.

1.2.6.

Am 3. Februar 2017 wurde unter Beisein eines beigezogenen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes ***, DI MK, ein Ortsaugenschein in Abwesenheit der Beschwerdeführer durchgeführt und dabei Lichtbilder angefertigt. Im Rahmen des Befundes stellte der Sachverständige fest, dass im Rahmen der Baubewilligung vom 9. November 1989 unter Auflage 18 der zum Bescheid gehörigen Niederschrift vom 25. Oktober 1989 vorgeschrieben sei, dass die Regenwässer über entsprechende Rohrleitungen in den hierfür vorgesehenen Kanal zu leiten wären und überdies auf eigenem Grund nahe der Grundstücksgrenze ein Putzschacht auszuführen sei. Vor Ort sei festgestellt worden, dass die am Dach anfallenden Niederschlagswasser über Regenrohre, welche in einen Regenrohrsinkkasten (RRSK) mündeten, über Kanalleitungen abgeleitet würden. An der Nordwestecke des Grundstückes Nr. *** KG *** befinde sich nahe der Grundgrenze ein Putzschacht. Darin befinde sich ein Kanalrohr mit einer Putzmöglichkeit. Der Durchmesser dieses Rohres betrage 150 mm. In diesem Schacht münde nach dem Putzstück eine weitere PVC-Hart-Leitung mit einem Durchmesser von 100 mm ein. Am südlichen Grundstückseck befinde sich eine dreiseitig ummauerte Bodenvertiefung, in welcher zwei Schächte vorhanden wären. lm offenen (lediglich durch Maschendraht gesicherten) Schacht münde eine von hangaufwärts kommende Leitung ein. Diese habe einen Überlauf, welcher in einen daneben liegenden Schacht münde. Dieser Schacht sei mit einem Betondeckel gesichert. lm letztgenannten Schacht sei ein Überlauf seitlich in Richtung Grundgrenze (*** zu ***) vorhanden. In der Folge sei Wasser mit einem Färbemittel (Uranin) eingefärbt und in den Regenrohrsinkkasten am westlichen Gebäudeeck (RRSK 1) geleert worden. Nach kurzer Zeit sei das eingefärbte Wasser im Putzschacht des Grundstückes ***, welcher nahe an der vorderen Grundgrenze liege, festgestellt worden. Nach einer weiteren kurzen Zeit münde das gefärbte Wasser in den öffentlichen Regenwasserkanal. Dieser Versuch sei beim Regenrohrsinkkasten bei der Garage (nördliches Gebäudeeck der Garage) mit gleichem Ergebnis wiederholt worden. Danach sei Wasser in den Ablauf des runden Schachtes am südlichen Grundstückseck geleert worden. Nach einiger Zeit sei auch hier das Wasser in den Regenwasserkanal gemündet. Die Einleitung sei hinter dem Putzstück, jedoch noch im Putzschacht des am Grundstück *** befindlichen Regenwasserhauskanales erfolgt. Oberhalb des Baugrundstückes befinde sich ein drainagiertes Gebiet, wo zumindest eine der Drainageleitungen in den eckigen Schacht an der südlichen Grundstücksecke münde. In seinem Gutachten kommt der Sachverständige zum Schluss, dass aufgrund der Färbeversuche eindeutig nachgewiesen worden sei, dass die auf den Dächern der Liegenschaft *** KG *** anfallenden Niederschlagswasser in den öffentlichen Regenwasserkanal eingeleitet würden. Nach Ansicht des Amtssachverständigen entspreche die Ausführung des Regenwasserkanals auf dem Grundstück ***, soweit dies sichtbar sei, den Auflagen und Bedingungen des Bescheides vom 9. November 1989.

1.2.7.

Eine inhaltliche Stellungnahme wurde von den Beschwerdeführern zu diesem Gutachten nicht erstattet.

1.2.8.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstand der Marktgemeinde *** vom 14. Juni 2017, Zl. 1711311/BE-2017, wurde die Berufung vom 18. Jänner 2016 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass im ursprünglichen baubehördlichen Verfahren im Jahr 1989 die Auflage erteilt worden sei, dass die Regen-Hofabwässer-Fäkalien über entsprechende Rohrleitungen in den hierfür vorgesehen Kanal zu leiten wären und auf eigenem Grund nahe den Grundstücksgrenzen ein Putzschacht vorhanden sein müsse. In der Marktgemeinde *** bestehe ein Kanal für Regen-Hofabwässer-Fäkalien. Im Zuge der ergänzenden Ermittlungen sei unter Beiziehung eines Sachverständigen des Gebietsbauamtes die Einleitung der Regenwässer, insbesondere jenes der Dächer des Bauwerkes, in den öffentlichen Kanal nachgewiesen worden. Insbesondere sei nach Durchführung von Probeableitungen mit gefärbtem Wasser nachgewiesen, dass sämtliche Niederschlagswasser, die auf den Dächern der Liegenschaft *** KG *** anfielen, in den öffentlichen Regenwasserkanal eingeleitet würden.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 13. Juli 2017 erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründeten diese im Wesentlichen wie ihre Berufungsschrift. Ergänzend wird vorgebracht, dass das Gutachten des Sachverständigen illegal zustande gekommen sei, weil eine diesbezügliche Maßnahmenbeschwerde erfolgreich gewesen wäre.

1.4. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

1.4.1.

Mit Schreiben vom 29. August 2017 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

1.4.2. Lokalaugenschein und mündliche Verhandlung:

Im Parallelverfahren LVwG-AV-1091/001-2017 (betreffend Vorschreibung einer jährlichen Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal mit Wirkung ab 1. Mai 2016) wurde am 16. Oktober 2017 vom erkennenden Gericht ein Lokalaugenschein an Ort und Stelle sowie im Anschluss daran eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Rahmen des Lokalaugenscheines wurden im Laufe der Begehung der Liegenschaft im Beisein des ASV für Bautechnik, DI MK, die Abflussverhältnisse der Dachflächenwässer (Wohngebäude und Garage) und der Drainage eruiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Dachflächenwässer des Wohngebäudes und der Garage über Rohrleitungen in einen Schacht, welcher im vorderen Teil des Grundstückes - ca. einen halben Meter von der Grundstücksgrenze entfernt - situiert ist, münden. Dieser aus Betonringen bestehende Schacht weist eine Tiefe von rund 1,5 bis 2 m auf. In diesem Schacht werden die Dachflächenwässer bzw. deren Rohre mit dem Drainagerohr, welches von einem im hinteren Grundstücksteil gelegenen Schacht parallel zur Grundstückgrenze geführt wird, verbunden. In der Folge werden die Dachflächenwässer und die Drainagewässer im Bereich der Straße mit dem öffentlichen Regenwasserkanal in Verbindung gebracht. Von Seiten des ASV wurde auf sein Gutachten vom 3. Februar 2017 verwiesen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde grundsätzlich dargelegt, dass die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten Berechnungsflächen außer Streit stehen. Von Seiten des Beschwerdeführers MF wurde vorgebracht, dass die Verbindungsleitung seines Drainagerohres mit dem öffentlichen Regenwasserkanal nie offiziell durchgeführt bzw. angeordnet worden sei. Das Drainagerohr auf seiner Liegenschaft habe er nicht selbst verlegt. Der vordere Schacht sei vom Lagerhaus versetzt worden, wobei der der Beschwerdeführer das diesbezügliche Baumaterial zur Verfügung gestellt habe. Die Verrohrung der anfallenden Dachflächenwässer und deren Einleitung in den Schacht sei durch ihn erfolgt. Im Schacht habe er dann gegen 1991 die Dachflächenwässer an die Drainagen-Leitung angeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinde noch keinen Regenwasserkanal, da dieser erst 2010 errichtet worden sei. Nach seiner Erinnerung sei damals ihm von einem Bauarbeiter der ausführenden Firma L mitgeteilt worden, dass man ein Rohr beschädigt habe und dieses an den Kanal angeschlossen habe. Im Rahmen der Bauverhandlung sei ihm gestattet worden, dass die Regenwässer des Daches in die Drainage geleitet werden können. Er sei Mitglied der Wassergenossenschaft. Nach der Grundstücksgrenze verlaufe seiner Ansicht nach parallel zur Grundstücksgrenze eine Drainageleitung die dann in Höhe des Hauses 11 und 12 (ca. 15 m) in den Kanal einmünde. Von Seiten der belangten Behörde wurde ausgeführt, dass der unter der Straßendecke liegende Kanal bereits vom Voreigentümer (Lagerhaus) errichtet und im Rahmen der Übernahme der Siedlung als öffentlicher Kanal übernommen worden sei. Weiters wurde auf die Verhandlungsniederschrift vom 25. Oktober 1989 verwiesen, in der unter Punkt 18 die Einleitung der Hofabwässer in den Kanal angeordnet werde. Die Übernahme des Kanals sei in der zweiten Hälfte der 90er Jahre erfolgt. Von der belangten Behörde wurde ein Kaufanbot der Beschwerdeführer aus dem Jahr 1989 vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass ein Drainagerohr in den Kanal gelegt werde. Der Beschwerdeführer stellte dazu fest, dass es sich daher um ein Drainagerohr und nicht um einen Kanalrohr handle. In der Folge führte der beigezogene ASV aus, dass im Rahmen der Begehung vom 3. Februar 2017 über Färbeversuche versucht wurde festzustellen, ob die Niederschlagswässer, welche am Dach des Wohngebäudes und der Garage anfielen, in den gemeindeeigenen öffentlichen Regenwasserkanal gelangten. Durch diese Versuche habe festgestellt werden können, dass das Haus-Kanalsystem die anfallenden Niederschlagswässer in den öffentlichen Kanal leite. Durch Beigabe eines Färbemittel habe dies für die vorderen Regenwasserabfallrohre an den Gebäuden der Liegenschaft nachgewiesen werden können.

1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Marktgemeinde *** (insbesondere in das Gutachten vom 3. Februar 2017) und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie in den Akt LVwG-AV-1091/001-2017 des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich.

1.6. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes Nr. *** KG ***, welches die topographische Anschrift ***, ***, aufweist:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 19. September 2017)

In der Marktgemeinde *** existiert als einziges, von der Gemeinde betriebenes Kanalsystem ein öffentlicher Regenwasserkanal.

Die Liegenschaft der Beschwerdeführer ist hinsichtlich der anfallenden Dachflächenwässer zum überwiegenden Teil an den öffentlichen Regenwasserkanal angeschlossen. Die Dachflächenwässer des Wohngebäudes und der Garage werden über Rohrleitungen in einen Schacht, welcher im vorderen Teil des Grundstückes - ca. einen halben Meter von der Grundstücksgrenze entfernt - situiert ist, geleitet. Dieser aus Betonringen bestehende Schacht weist eine Tiefe von rund 1,5 bis 2 m auf. In diesem Schacht werden die Dachflächenwässer bzw. deren Rohre mit dem Drainagerohr, welches von einem im hinteren Grundstücksteil gelegenen Schacht parallel zur Grundstückgrenze geführt wird, verbunden:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: Lichtbild, erstellt durch den Verhandlungsleiter während des Ortsaugenscheines am 16. Oktober 2017 anlässlich der Verhandlung zu LVwG-AV-1091/001-2017)

In der Folge werden die Dachflächenwässer und die Drainagewässer im Bereich der Straße mit dem öffentlichen Regenwasserkanal in Verbindung gebracht:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: Bauakt der belangten Behörde)

1.7. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (siehe oben Punkt 1.6.) nicht entgegentritt, und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung zu LVwG-AV-1091/001-2017.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 177. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.

§ 179. (1) Die Vorschriften des § 76 finden auf die Sachverständigen sinngemäß Anwendung.

(2) Sachverständige können von den Parteien abgelehnt werden, wenn diese Umstände glaubhaft machen, die die Unbefangenheit oder Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel stellen.

§ 182. (1) Zur Aufklärung der Sache kann die Abgabenbehörde auch einen Augenschein, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen, vornehmen.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-9:

§ 5. (1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

§ 12. (3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.

§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:

a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);

b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);

c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren;

d) die Kosten für die Behebung von Kanalverstopfungen (§ 17 Abs. 5) und der Behebung von Schäden auf fremden Liegenschaften (§ 18 Abs. 1).

(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;

b) den Grund der Ausstellung;

c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;

d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;

e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;

f) die Rechtsmittelbelehrung und

g) den Tag der Ausfertigung.

(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.

(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.

2.3. Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** vom 11. November 2013:

§ 5 Kanalbenützungsgebühren für den Regenwasserkanal

(1) Zur Berechnung der laufenden Gebühren für die Benützung des Regenwasserkanals (§ 5 Abs. 5 NÖ Kanalgesetz 1977) wird der Einheitssatz mit € 0,32 festgesetzt.

2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

In der Sache selbst ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob dem Grunde nach eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Jänner 2014 vorgeschrieben werden durfte, da nach Auffassung der Beschwerdeführer keine Einleitung von Niederschlagswässern in den Regenwasserkanal der Gemeinde erfolge, da es sich vielmehr um Einleitung von Drainagewässern handle.

3.1.2.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

3.1.3.

Gegenstand des Bescheides vom 22. Dezember 2015, EDV-Nummer: 1711311/001/00/007/01, ist die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr (Einleitung von Regenwässern) gewesen. Dem in § 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 normierten Abgabentatbestand zufolge ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH vom 10. Dezember 2008, Zl. 2005/17/0055, und vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0168).

Hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 12 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 als lex spezialis zu § 4 Abs. 1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126, und vom 26. April 1996, Zl. 95/17/0452).

3.1.4.

Im Rahmen der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde *** in der Fassung vom 11. November 2013 sind ausschließlich Gebühren für die Einleitung von Abwässern in den öffentlichen Regenwasserkanal vorgesehen. Diesen Überlegungen folgt, dass die Erlassung des Abgabenbescheides vom 22. Dezember 2015 (mit Wirkung ab 1. Jänner 2014) somit grundsätzlich zu Recht erfolgte.

Die Anschlussverpflichtung ist im konkreten Fall jedenfalls begründet, da zum einen - in Entsprechung des Baubewilligungsbescheides vom 9. November 1989, mit dem ein Anschluss an den Regenwasserkanal aufgetragen wurde - ein Anschluss an die öffentliche Kanalanlage möglich ist (vgl. VwGH vom 19. November 2007 Zl. 2004/17/0208). Zum anderen ist auch im Lichte des eingeholten Sachverständigengutachtens der faktische Anschluss der Liegenschaft an den öffentlichen Regenwasserkanal dargelegt, wenngleich die Abgabepflicht gemäß
§ 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht voraussetzt, dass das anschlusspflichtige Grundstück tatsächlich an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen ist (vgl. VwGH vom 27. Februar 2015, Zl. 2011/17/0023).

3.1.5.

Zum Vorbringen, dass das Gutachten des Sachverständigen vom 3. Februar 2017 nicht hätte verwertet werden dürfen, ist auszuführen, dass ein Sachverständiger, der für die Unterinstanz tätig gewesen ist, schon allein deswegen noch nicht als befangen anzusehen ist (vgl. VwGH vom 10. Oktober 1989, Zl. 89/05/0118). Weiters ist zu betonen, dass § 166 BAO als Grundsatz die Unbeschränktheit der der Beweismittel normiert. Auch ein Beweismittel, welches durch eine Rechtsverletzung in den Besitz der Abgabenbehörde gelangt ist, darf zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes herangezogen werden (vgl. VwGH vom
20. Jänner 1967, Zl. 564/65, und vom 13. November 1992, Zl. 88/17/0130).

3.1.6.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgericht aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, indem im Gegenstand lediglich ein Eventualantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde, zudem bereits zu einem identischen Sachverhalt eine mündliche Verhandlung samt Ortsaugenschein stattgefunden hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Gemeinderecht; Kanalbenützungsgebühr; Abgabepflicht; Beweismittel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.1089.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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