TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/10 99/18/0329

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Veröffentlicht am 10.05.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/18/0327 99/18/0328

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der M V, geboren am 17. Juli 1978, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Juli 1999, Zl. SD 1023/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Juli 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine "serbische" Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 und Z. 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei 1978 in Bregenz geboren, jedoch bereits 1980 nach Jugoslawien ausgereist. Danach habe sie sich erst wieder im Jahr 1991 im Bundesgebiet aufgehalten. Ihre Mutter habe damals über kurz befristete Sichtvermerke verfügt. Die Beschwerdeführerin sei im Reisepass ihrer Mutter miteingetragen gewesen. Ein weiterer Sichtvermerksantrag vom 2. März 1992 sei abgewiesen worden. Im November 1992 habe die Mutter der Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet und danach einen Befreiungsschein und einen Aufenthaltstitel erlangt. Aufgrund dessen habe auch die Beschwerdeführerin vom 14. Dezember 1992 bis 30. November 1994 über Sichtvermerke und im Anschluss daran über eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit bis 1. Dezember 1995 verfügt. Der Verlängerungsantrag vom 12. Jänner 1995 (laut Akteninhalt richtig: 20. November 1995) sei am 25. April 1996 rechtskräftig abgewiesen worden. Einer dagegen gerichteten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Beschwerde (nach der Aktenlage: mit Beschluss vom 21. August 1998, Zlen. 96/19/1688 bis 1690, gemäß § 113 Abs. 6 FrG) als gegenstandslos erklärt.

Die Beschwerdeführerin sei nach eigenen Angaben mit einem in Österreich aufhältigen jugoslawischen Staatsangehörigen verheiratet. Am 4. Dezember 1996 habe sie ein Kind bekommen. Ab etwa fünf Monate nach der Geburt dieses Kindes habe sie sich bis 16. Oktober 1998 über einen Zeitraum von 18 Monaten in Jugoslawien aufgehalten. Am 16. Oktober 1998 sei sie mit einem Touristensichtvermerk wieder nach Österreich eingereist. Ihr Kind befinde sich in Jugoslawien bei den Großeltern ihres Ehemannes. Die Beschwerdeführerin lebe von ihrem Ehegatten getrennt und wisse nicht, wo sich dieser aufhalte sowie welches Einkommen er beziehe. (Im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass ihre Ehe in Jugoslawien bereits geschieden worden, der Scheidungsausspruch jedoch noch nicht rechtskräftig sei.)

Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrer Mutter, drei Geschwistern und dem Kind einer Schwester gemeinsam in einer nicht ganz 30 m2 großen Wohnung. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin verdiene ihre Mutter monatlich S 11.000,-- bis S 12.000,-- bei einer Reinigungsfirma. Dieser Betrag sei nicht geeignet, den Unterhalt der Mutter der Beschwerdeführerin und deren vier Kinder, die alle über kein eigenes Einkommen verfügten, zu sichern.

Die Beschwerdeführerin habe sich anlässlich der Beantragung eines Aufenthaltstitels darauf berufen, dass der österreichische Gatte ihrer Mutter gemeinsam mit der Mutter für ihren Unterhalt und die Mietkosten aufkomme. Aus der Aussage des Gatten der Mutter der Beschwerdeführerin anlässlich seiner zeugenschaftlichen Vernehmung ergebe sich jedoch eindeutig, dass dieser mit der Mutter der Beschwerdeführerin nicht zusammenlebe und weder zu den Mietkosten noch zum Unterhalt seiner Stiefkinder etwas beitrage.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG sei somit erfüllt.

Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin, die seit Ablauf der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung über keinen Aufenthaltstitel mehr verfüge, bereits zweimal wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes rechtskräftig bestraft worden. Sie erfülle daher auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG.

Im Hinblick auf das Fehlen eigener Unterhaltsmittel und auf den unrechtmäßigen Aufenthalt sei die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter und den Geschwistern im gemeinsamen Haushalt lebe, in Österreich einige Jahre zur Schule gegangen sei und eine Lehre zum Teil absolviert habe, sei mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden. Dieser Eingriff werde dadurch relativiert, dass auch gegen die Mutter und die Geschwister der Beschwerdeführerin Aufenthaltsverbote erlassen worden seien. Da die Beschwerdeführerin durch ihr bisheriges Verhalten dokumentiert habe, keine Bedenken zu haben, sich über die für sie maßgebenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften hinwegzusetzen, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Im Rahmen der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin dadurch relativiert würden, dass sie seit Jahren über keinen Aufenthaltstitel mehr verfüge. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0239 mwN).

1.2. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid verfügt die Beschwerdeführerin über kein eigenes Einkommen. Ihre Mutter verdient danach S 11.000,-- bis 12.000,-- monatlich. Beim - im Übrigen unbelegten - Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin verdiene als Mitarbeiterin in einem "Lebenszentrum" S 3.200,-- netto monatlich, ihre Mutter verdiene im Durchschnitt S 14.000,-- netto monatlich, handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Vom Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin müssen unstrittig neben der Mutter selbst, die Beschwerdeführerin und drei weitere - nach der Aktenlage in den Jahren 1978, 1979 und 1983 geborene - im gemeinsamen Haushalt lebende Kinder bzw. Stiefkinder, die alle über kein eigenes Einkommen verfügen, ihren Lebensunterhalt bestreiten. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass das Einkommen von S 11.000,-- bis S 12.000,-- je Monat - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Mietkosten für die gemeinsame Wohnung nach dem Akteninhalt nur etwa S 1.500,-- betragen - für den Unterhalt von vier Erwachsenen und einen Jugendlichen nicht ausreicht.

Die Ansicht der belangte Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Aufgrund der vom weiteren inländischen Aufenthalt der mittellosen Beschwerdeführerin ausgehenden Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln besteht kein Einwand gegen die Ansicht der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Das Beschwerdevorbringen, eine "allfällige Scheinehe meiner Mutter" sei nicht geeignet, ein Aufenthaltsverbot zu begründen, geht ins Leere, hat doch die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot nicht auf das Vorliegen einer "Scheinehe" der Mutter der Beschwerdeführerin gestützt.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin die Dauer des inländischen Aufenthaltes sowie der Umstand, dass ihre Mutter und drei Geschwister - gegen welche Personen allerdings ebenfalls Aufenthaltsverbote erlassen worden sind - im gemeinsamen Haushalt leben, zu berücksichtigen. Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Inland wird allerdings dadurch deutlich gemindert, dass sich die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Wiedereinreise am 16. Oktober 1998 für einen Zeitraum von 18 Monaten in Jugoslawien aufgehalten hat. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit einem in Österreich lebenden jugoslawischen Staatsangehörigen verheiratet ist, bewirkt keine ins Gewicht fallende Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Inland, weil kein gemeinsames Eheleben besteht, die Beschwerdeführerin nicht einmal weiß, wo sich ihr Mann aufhält, und die Ehescheidung bereits (noch nicht rechtskräftig) ausgesprochen worden ist.

Dem steht gegenüber, dass der Aufenthalt der mittellosen Beschwerdeführerin die Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln mit sich bringt. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin auch dadurch öffentliche Interessen beeinträchtigt, dass sie unstrittig anlässlich der Beantragung eines Aufenthaltstitels insoweit unrichtige Angaben gemacht hat, als sie ausgeführt hat, auch der österreichische Ehegatte ihrer Mutter sorge für ihren Unterhalt und beteilige sich an den Mietkosten.

Davon ausgehend kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Da das Aufenthaltsverbot sohin bereits aus den vorstehenden Gründen gerechtfertigt ist, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob weitere Aufenthaltsverbots-Gründe vorliegen.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999180329.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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