Entscheidungsdatum
18.01.2018Norm
BBG §40Spruch
W132 2128557-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 29.02.2016 hat die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.04.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.
1.2. Am 03.05.2016 hat die Beschwerdeführerin neuerlich das Antragsformular zur Ausstellung eines Behindertenpasses und weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
1.3. Zur Überprüfung der vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde von der belangten Behörde von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, eine mit 13.05.2016 datierte medizinischen Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass die vorgelegten Beweismittel nicht geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass im Gutachten nur die Lebererkrankung und der Sinus-Venosus-Defekt angeführt seien. Die weiteren vorliegenden Leiden seien weder untersucht noch berücksichtigt worden. Sie habe bei der Untersuchung angegeben, Schwierigkeiten mit der Verdauung zu haben, auf Grund welcher sie mehrere Tabletten einnehmen müsse. Auch dass sie vor einigen Jahren wegen Untersuchungen der Pankreas in stationärer Behandlung gewesen sei, scheine nirgends auf. Entgegen den Ausführungen im Gutachten, dass keine funktionellen Einschränkungen vorlägen, habe sie trotz erfolgreicher Operation weiterhin Probleme mit Ausdauer und Schwindelanfällen. Auch habe sie bei der Untersuchung angegeben, dass sie seit der Herz-OP ihre Arme nicht mehr heben könne und daher das Anziehen schwierig sei. Weiters bestehe eine Autoimmunhepatitis, auf Grund derer sie anfälliger für Krankheiten wie Grippe sei, daher sei nicht nachvollziehbar, dass angeführt werde, dass keine Erkrankung des Immunsystems vorliege. Das Sachverständigengutachten sei daher nicht vollständig.
2.1. Mit dem – im Bundesverwaltungsgericht am 22.06.2016 eingelangten – Schreiben vom 13.06.2016 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
2.2. Mit dem Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.07.2016 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass gem. § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
2.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15.09.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.
Im Rahmen der persönlichen Untersuchung wurden von der Beschwerdeführerin nachfolgend angeführte medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht:
? MRT Befund der Halswirbelsäule, DZ Meidling vom 22.10.2010
? Röntgenbefund LWS, Röntgeninstitut Fünfhaus, undatiert.
2.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs wurde angemerkt, dass die nachgereichten Beweismittel nicht berücksichtigt werden können.
Weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin haben Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 22.06.2016 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Die im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 15.09.2016 nachgereichten medizinischen Beweismittel wurden nach dem 22.06.2016 vorgelegt.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Normaler Allgemeinzustand. Kopf/Hals: Voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ. Haut und sichtbare Schleimhäute normal durchblutet. Visus und Gehör altersentsprechend unauffällig. Keine Einflussstauung. Schilddrüse äußerlich unauffällig.
Thorax: Narbe nach Thorakotomie. Mammae inspektorisch unauffällig.
Lunge: Auskultatorisch unauffällig, keine Atemnot. Herz: Normale Grenzen, HT-rein, rhythmisch, normfrequent.
Abdomen: In TN, weich. Narbe im epigastrischen Winkel. Keine Druckempfindlichkeit, normale Organgrenzen. Keine Inkontinenz.
Extremitäten: Frei beweglich. Relevante Bewegungsstörungen können nicht objektiviert werden. Kein Tremor. Keine Ödeme. Keine sensomotorischen Defizite.
Achsenorgan: Normal strukturiert. HWS frei beweglich. FBA im Stehen 10 cm. Gesamtmobilität, Gangbild: Frei, sicher, unbehindert. Fersen- und Zehengang möglich.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Lebererkrankung (histologisch: Mischbild Autoimmunhepatitis und primäre biliäre Zirrhose) Oberer Rahmensatz, da deutlich abnormes Leberenzymmuster
gZ 07.05.01
40 vH
02
Erfolgreich operierter Sinus-venosus-Defekt Fixposition
gZ 05.06.04
30 vH
03
Abnützungserscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat Unterer Rahmensatz, da nachvollziehbare Beschwerden mit fehlenden relevanten Funktionseinschränkungen
02.02.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Die führende Funktionsbeeinträchtigung unter Nr. 1 wird durch die Leiden unter Nr. 2 und 3 mangels maßgebender funktioneller Relevanz und wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung des Hauptleidens nicht weiter erhöht.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 22.06.2016 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die bis 22.06.2016 vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen.
Dr. XXXX begründet seine Beurteilung des Leberleidens überzeugend und im Einklang mit der Einschätzungsverordnung damit, dass die berücksichtigte Lebererkrankung Verdauungsbeschwerden zur Folge haben kann und einschätzungsrelevante Befunde, welche Organsysteme darüber hinaus (auch das Pankreas) betreffen, nicht vorliegen. So sieht die Einschätzungsverordnung Richtsatzposition 07.05.01 für chronische Hepatitis mit geringer bis mäßiger klinischer entzündlicher Aktivität vor, wobei der obere Rahmensatz in Höhe von 40 vH heranzuziehen ist, wenn ausgeprägte klinische Zeichen, mäßige Virusreplikation, eventuell erforderliche antivirale Therapie besteht und ALAT/GPT vom 3-fachen bis zum 6-fachen der oberen Grenze des Referenzwertes beträgt.
Der Sachverständige hält weiter nachvollziehbar fest, dass der erfolgreich operierte Sinus-venosus-Defekt mit 30 vH bewertet wurde, wodurch die operationsassoziierten Beschwerden zur Gänze berücksichtigt wurden, wobei die Beschwerdeführerin die Arme heben kann und keine neurogenen Lähmungen vorliegen. Dies steht im Einklang mit der Einschätzungsverordnung, welche die Richtsatzposition 05.06.04 für ein erfolgreich operiertes Vitium mit einem fixen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorsieht.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass eine Autoimmunhepatits vorliege und somit sehr wohl eine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt, kann festgehalten werden, dass die diesbezügliche Aussage im Gutachten Dris. XXXX auf die Eintragung von Zusatzvermerken im Behindertenpass abzielt, und unter schwerer Erkrankung des Immunsystems anlagebedingte schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency), schwere hämatologische Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie), fortgeschrittene Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit und selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen, gemeint sind, welche bei der Beschwerdeführerin nicht vorliegen, und von dieser auch nicht behauptet wurden. So hält auch Dr.XXXX im Einklang mit den vorliegenden Befunden und der klinischen Untersuchung schlüssig fest, dass eine schwere Erkrankung des Immunsystems nicht vorliegt, und die behauptete Neigung zu grippalen Infekten nicht gesondert einzuschätzen ist.
Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht – auch in Zusammenschau mit dem erstinstanzlichen eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX – mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den bis 22.06.2016 vorgelegten Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegen getreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Die Beschwerdeführerin ist dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten jedoch im Rahmen des erteilten Parteiengehöres nicht entgegengetreten. Vielmehr haben die Verfahrensparteien das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als nun eine neuerliche persönliche Untersuchung durchgeführt wurde und die Abnützungserscheinungen des Stütz-und Bewegungsapparates in die Diagnoseliste aufgenommen wurden. Das Beschwerdevorbringen war jedoch nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, dass die nachgereichten Beweismittel unberücksichtigt bleiben, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)
§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 22.06.2016 vorgelegt worden ist, sind nach diesem Zeitpunkt nachgereichte Beweismittel nicht zu berücksichtigen.
Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.
Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als nunmehr neuerlich eine persönliche Untersuchung erfolgte und die Einschränkungen des Stütz-und Bewegungsapparates dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und in die Diagnoseliste aufgenommen wurden.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 40 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.
Die bis 22.06.2016 vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen.
Da ein Grad der Behinderung von vierzig (40) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im behördlichen Verfahren innerfachärztlich und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allgemeinmedizinisch persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und bis 22.06.2016 vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2128557.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.02.2018