TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/18 W132 2123870-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.01.2018
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Entscheidungsdatum

18.01.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2123870-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Grad der Behinderung (GdB) dreißig (30) von Hundert (vH) beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 19.11.2015 hat der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.12.2015, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH bewertet wurde.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH festgestellt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Grad der Behinderung mit 10 vH zu gering bemessen sei, da er auf Grund von Diskusprolaps L5/S1, Osteochondrosen, Bandscheibenabnutzung, degenerativen Halswirbelsäulen-veränderungen C5/C6, Taubheit und Nervenentzündung des rechten Beines, Schmerzen von den Bandscheiben bis in den linken Fuß, subtotaler Ruptur der Supraspinatussehne rechts, mäßger Arthrose des AC-Gelenkes und Neuropathien in Armen und Beinen, massiv eingeschränkt sei. Er sei im Jänner 2016 zwecks Nervenwurzelblockade stationär in Behandlung gewesen. Auch habe er nur eine Niere. Er sei nicht genau untersucht worden und habe seine Beschwerden nicht genau darlegen können.

2.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.06.2016 basierendes Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Nervenheilkunde, und ein auf der Aktenlagen basierendes Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Innere Medizin, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

2.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemein: Guter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand, schlank, mittelkräftig. Haut normal durchblutet, reizfrei. Reizlose ASk Narben rechte Schulter.

Wirbelsäule: Gesamt: Im Lot, Becken-Schulter Geradestand, symmetrische Taillendreiecke, normale Krümmungen, seitengleiche

Muskulatur. HWS: S 40-0-40, R 80-0-80, F 40-0-40. BWS: R je 20, Ott 30/33. LWS: FBA 10 cm, Seitneigen 20, Reklination 10, Schober 10:15. Schmerzen L4-5 beidseits. SIG nicht druckschmerzhaft.

Obere Extremitäten: Allgemein: Rechtshänder, normale Achsen, schlanke Gelenkkonturen, seitengleiche Muskulatur, Durchblutung seitengleich, Gebrauchsspuren seitengleich. Schulter rechts S 50-0-160, F 160-0-30, R (F0) 60-0-90, (F90) 70-0-70. Links S 50-0-180, F 180-0-30, R (F0) 60-0-90, (F90) 70-0-70. Ellbogen beidseits S 0-0-140, R je 90, bandfest, kein Erguss. Handgelenk beidseits S 60-0-60, Radial/Ulnarduktion 30-0-40, bandfest. Langfinger frei beweglich. Nackengriff rechts bis Ohr, links keine Einschränkung, gut möglich. Schürzengriff rechts bis Beckenkamm, links keine Einschränkung. Finger bis TH 12/L1. Kraft seitengleich. Fingerfertigkeit Spitz-, Oppositions-, Zangengriff gut, Faustschluss vollständig.

Untere Extremitäten: Beinlänge seitengleich, normale Achse, schlanke Gelenkkonturen, seitengleiche Muskulatur, Durchblutung seitengleich, Gebrauchsspuren seitengleich. Hüfte beidseits S 0-0-120, R 40-0-30, F 40-0-30, kein Kapselmuster. Knie beidseits S 0-0-150, bandfest, kein Erguss, keine Meniskuszeichen, gutes Patellaspiel, Zohlenzeichen negativ. Oberes und unteres Sprunggelenk frei beweglich. Füße beidseits: Rückfuß gerade, Längsgewölbe gut, stabil. Vorfuß schlank, Zehen achsgerecht, frei beweglich.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt alleine, aufrecht gehend, normale Straßenkleidung, normaler Konfektionsschuh. An- und Auskleiden selbständig ohne Fremdhilfe rasch. Normalschrittig, flüssig. Zehen-, Fersen- und Einbeinstand gut und sicher. Hocke gut.

Neurologisch: HN unauffällig.

HWS in alle Richtungen frei beweglich ohne Angabe von Schmerzen.

Obere Extremitäten: MER seitengleich, mittellebhaft. VdA normal. FNV unauffällig. Feinmotorik erhalten, grobe Kraft seitengleich. Rechtshänder. Trophik, Tonus seitengleich. Schulterelevation rechts nach Supraspinatussehnenruptur gering eingeschränkt. Hypästhesie im Bereich C 6 rechts wird angegeben.

Untere Extremitäten: MER seitengleich, mittellebhaft. Lasegue endlagig positiv. Grobe Kraft seitengleich. Sensibilität:

Hypästhesien an Knöchel distalwärts sowie im Bereich S 1 links auf spitz-stumpf wird angegeben. Stand und Gang unauffällig.

Psychisch: Patient klar wach und orientiert. Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, keine produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung. Von der Stimmung ausgeglichen, beidseits gut affizierbar, keine Biorhythmusstörungen, keine Selbst- oder Fremdgefährdung. Realitätssinn erhalten.

Internistisch: Anlagebedingtes Fehlen einer Niere

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Anlagebedingtes Fehlen einer Niere Oberer Rahmensatz, da uneingeschränkte Funktionsfähigkeit der anderen Niere.

08.01.01

30 vH

02

Polyneuropathie der unteren Extremität Wahl dieser Positionsnummer da sensible Ausfälle leichten Grades. Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da keine motorischen Ausfälle und sensible Symptome leichten Grades bestehen.

04.06.01

20 vH

03

Lumbago bei Degeneration L5/S1 Wahl dieser Positionsnummer, da Funktionseinschränkung geringen Grades. Unterer Rahmensatz da belastungs-abhängiger Schmerz ohne motorisches Defizit und geringer Abnützung.

02.01.01

10 vH

 

04

Neuroforameneinengung durch Spondylosen C5/6 bds. mit diskret sensiblem Syndrom C6 rechts Unterer Rahmensatz, da mäßige radiologische Veränderungen.

02.01.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Das führende Leiden 1 wird von Leiden 2, 3 und 4 nicht weiter erhöht, da die dadurch verursachten Funktionsbeeinträchtigungen gering sind und kein relevantes ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Ein leichter Reizzustand der rechten Schultern nach arthroskopischer Schulteroperation bei Bewegungsumfang im Normbereich erreicht keinen Grad der Behinderung.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten Dris. XXXX und die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX sind schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die das jeweilige Fachgebiet betreffende Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die geänderte Beurteilung resultiert aus der Aufnahme der aus nervenfachärztlicher und innerfachärztlicher Sicht neu aufgenommenen Leiden.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt und fassen deren wesentliche Inhalte wie folgt zusammen:

? MRT der LWS, DZ Stadlau vom 22.10.2015: Aktivierte Osteochondrose L5/S1. Rechts betonte Diskusprotrusion mit Berührung der interspinalen Wurzel L5.

? MRT re. Schulter, DZ Donaustadt vom 09.07.2014: Subtotale Ruptur der Supraspinatussehne, lokaler Reizzustand, mäßige AC Arthrose.

? Ambulanz Neurochirurgische Abteilung SMZ Ost vom 07.01.2015:

Klinisch Zehen-, Fersenstand und Kniebeugen beidseits gut möglich. Druckschmerz im Bereich der ISG li. MER mittellebhaft seitengleich. Keine Paresen, Lasegue beidseits negativ, keine Cauda, keine Dysästhesien.

? NLG Befund, Dr. XXXX vom 25.02.2016: Es wird der Befund korrelierend mit dem Vorliegen eines PNP Syndroms im Bereich der unteren Extremitäten beschrieben. Am Medianus beidseits findet sich diesmal ein regelrechter Befund. Der Ulnaris beidseits fraktioniert ergibt ebenfalls regelrechte Befunde. Die vorgelegten NLG Befunde

Dris. XXXX vom 25.02.2016 und 18.03.2016 wurden zur Einstufung vollinhaltlich herangezogen.

? Ultraschallbefund Abdomen vom 12.09.2012: Rechte Niere nicht darstellbar, fragliche Aplasie. Der Befund wurde nunmehr in der Beurteilung berücksichtigt.

Dr. XXXX hält schlüssig fest, dass das Leiden "anlagebedingtes Fehlen einer Niere" auf Grund vorliegender Ultraschalldokumentation dieses Zustandes nunmehr in die Diagnoseliste aufzunehmen ist. Die Beurteilung dieses Leidens mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH begründet die Sachverständige im Einklang mit der Einschätzungsverordnung damit, dass die vorhandene Niere keine Funktionseinschränkung aufweist.

Hinsichtlich vorliegender Neuropathien der unteren Extremitäten beschreibt Dr. XXXXanschaulich, dass diese nunmehr – da NLG-Befund gesichert – dem Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend mit einem Grad der Behinderung in Höhe 20 vH eingestuft wurden, da keine motorischen Ausfälle bestehen und sensible Symptome nur leichten Grades vorliegen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Nervenwurzelblockade hält der Sachverständige schlüssig fest, dass einerseits keine diesbezüglichen Befunde in Vorlage gebracht wurden und andererseits eine solche Behandlung eher zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes als zu einer Verschlechterung führt.

Dr. XXXX begründet seine Beurteilung der Neuroforameneinengung durch Spondylosen C5/C6 beidseits fachärztlich überzeugend und im Einklang mit der Einschätzungsverordnung damit, dass die Halswirbelsäule mit degenerativen Veränderungen C5/C6 aktiv und passiv schmerzfrei beweglich ist, ein diskret sensibles Syndrom entsprechend C6 angegeben wird und mäßige radiologische Veränderungen bestehen, wodurch diese Gesundheitsschädigung mit einem Grad der Behinderung von 10 vH einzustufen ist.

Der nervenfachärztliche Sachverständige beschreibt weiter nachvollziehbar, dass der Discusprolaps L5/S1 im Gutachten Dris. XXXX vom 18.12.2015 von orthopädischer Seite korrekt eingestuft wurde, da zwar belastungsabhängiger Schmerz angegeben wird, aber kein motorisches Defizit vorliegt und nur geringe Abnützungen bestehen. So konnte auch im Gutachten Dris. XXXX im Rahmen der klinischen Untersuchung eine gute Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule festgestellt werden und betrug der objektivierte Finger-Boden-Abstand nur 10 cm.

Er beschreibt weiters nachvollziehbar, dass die vom Beschwerdeführer eingewandte Symptomatik des rechten und linken Beines einerseits durch den Discusprolaps und andererseits durch die distalasymmetrische Polyneuropathie begründet ist. Diese Beschwerden sind daher in der vorliegenden Beurteilung berücksichtigt.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX, Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Sachverständigenbeweises wurde auch nicht entgegengetreten. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als nunmehr eine persönliche neurologische Untersuchung und eine aktenmäßige Prüfung durch eine Sachverständige der Fachrichtung Innere Medizin erfolgten.

Da die Neuaufnahme der Leiden "Anlagebedingtes Fehlen einer Niere", "Polyneuropathie der unteren Extremitäten" und "Neuroforameneinengung durch Spondylosen C5/6 beidseits" zwar die Anhebung des Grades der Behinderung rechtfertigt und ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt wurde, jedoch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weiterhin nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich nervenfachärztlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2123870.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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