TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/30 W222 2184236-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2018
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Entscheidungsdatum

30.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2184236-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 24.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am gleichen Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, am XXXX in XXXX , Afghanistan geboren und ledig zu sein. Seine Muttersprache sei Dari und er spreche auch Farsi. Er habe die Grundschule in XXXX von 2010-2012 besucht. Er gehöre der Volksgruppe der Hazaras an. Seine Eltern, seine zwei Brüder und seine Schwester würden in Afghanistan aufhältig sein. Er habe nach Europa wollen um hier die Schule zu absolvieren. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "Aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan hat mein Vater mit mir gemeinsam den Entschluss gefasst, dass ich das Land verlasse. Die Hazara haben auch Probleme mit den Taliban. Hazara werden auch immer wieder von den Taliban ermordet."

Auf die Frage, was er bei der Rückkehr in sein Heimatland fürchte, gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe Angst vor den Taliban."

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl holte in der Folge ein Altersgutachten ein. Das gerichtsmedizinische Gutachten vom 11.10.2016 kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 19 Jahre aufwies.

Bei der Einvernahme am 16.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "F: Wie heißen Sie und wo und wann sind Sie geboren?

A: Ich heiße XXXX . Ich weiß nicht genau, wie alt ich bin. Bei der Erstbefragung habe ich nur das Alter gesagt, welches mir meine Mutter gesagt hat. Ich bin in der Provinz Oruzgan, Bezirk XXXX , Dorf XXXX geboren,

F: Eine Altersfeststellung des Ludwig Boltzmann Institut vom 11.10.2016 hat ergeben , dass ein Mindestalter von 19 Jahren vorliegt. Als spätmöglichster fiktiver Geburtstag wurde der XXXX bestimmt. Eine Verfahrensanordnung ist diesbezüglich ergangen. Was sagen Sie dazu?

A: Das passt so.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie derzeit irgendwelche Medikamente?

A: Ich bin gesund. Ich nehme keine Medikamente.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja

F: Sie können Sich konzentrieren und verstehen den Dolmetscher?

A: Ja, sehr gut.

F: Können Sie irgendwelche Identitätsdokumente (Reisepass, etc.) oder sonstige Beweismittel in Vorlage bringen?

A: Aus Afghanistan kann ich keine Beweismittel in Vorlage bringen.

Aus Österreich möchte ich folgende Dokumente vorlegen:

-

Diverse Kursbesuchsanmeldebestätigungen, Sozialbericht Caritas

Anmerkung: Die soeben genannten, vom AW vorgelegten Dokumente, werden in Kopie zum Akt genommen und nach der niederschriftlichen Einvernahme dem AW retourniert. Der AW bestätigt die Übernahme der oben genannten Dokumente mit seiner Unterschrift am Ende der Niederschrift.

F: Welcher Staatangehörigkeit gehören Sie an?

A: Afghanistan

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Dari.

F: Stimmen die Angaben, die Sie bei der Erstbefragung gemacht haben?

A: In der Erstbefragung habe ich gesagt, dass mein letzter Wohnort XXXX in der Provinz Oruzgan war. Zuletzt war ich aber im Dorf XXXX in der Provinz Oruzgan.

F: Wo waren Sie zuletzt in Ihrem Heimatland wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?

A: Ich war immer in Oruzgan. Geboren in XXXX , aber zuletzt eben in XXXX aufhältig.

F: Bitte nennen Sie den Namen und Geburtsdatum sowie Geburtsort Ihres Vaters, der Mutter sowie Geschwister. Stimmen die Angaben aus der Erstbefragung?

A: Ja, nur sind meine Familienangehörigen nun um ein Jahr älter.

F: Was machen Ihre Eltern beruflich?

A: Mein Vater ist Landwirt. Meine Mutter ist Hausfrau.

F: Wo halten Sich Ihre Familienangehörigen auf?

A: Meine Familie ist in Dorf XXXX , Provinz Oruzgan.

F: Wie geht es Ihrer Familie?

A: Ich habe letztes Jahr zuletzt von meiner Familie gehört. Ich habe Sie angerufen, als ich in Österreich war. Befragt gebe ich an, dass ich die Telefonnummer meiner Familie nicht mehr habe, weil ich mein Telefon damals verloren habe. Da ging es meiner Familie gut.

F: Welche Angehörige, Verwandte und Ihnen nahe stehende Personen besitzen Sie noch in Ihrem Heimatland?

A: Ein Onkel lebt im Iran. Seine Familie lebt auch im Iran.

F: Welche Schulen haben Sie besucht?

A: Ich habe keine Schulen besucht.

F: Können Sie Lesen und Schreiben?

A: Ja, ich kann auf Deutsch schreiben und lesen. Befragt gebe ich an, dass ich Dari lesen kann, aber im Moment nicht schreiben.

F: Welche Arbeiten haben Sie jemals verrichtet?

A: Ich habe meinem Vater geholfen. Mein Vater ist Landwirt. Wir hatten Grundstücke. Wir haben Mais angebaut. Meine Brüder haben meinen Vater auch unterstützt.

F: Wie lange haben Sie Ihren Vater bei der Arbeit unterstützt?

A: Als ich zehn Jahre alt, habe ich angefangen meinem Vater zu helfen.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Hazara

F: Hatten Sie jemals Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

A: Nein. Aber Hazara werden allgemein nicht gut behandelt. Hazara haben Probleme mit den Taliban.

F: Welche Religion haben Sie?

A: Moslem, Schiit.

F: Haben Sie sich in Ihrem Heimatland religiös oder politisch betätigt?

A: Nein.

F: Haben sich Ihre Familienangehörigen jemals religiös oder politisch in Afghanistan betätigt?

A: Nein.

F: Hatten Sie jemals Probleme aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit?

A: Nein. Aber Hazara und Schiiten haben allgemein Probleme mit den Taliban.

F: Haben Sie jemals Probleme mit den heimatlichen Behörden aufgesucht?

A: Mein Vater hat es mit seinen Ersparnissen finanziert.

F: Wann konkret haben Ihr Heimatland zuletzt verlassen und wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Ich habe Afghanistan am 03.02.2016 verlassen und bin am 24.05.2016 in Österreich angekommen.

F: Sind Sie legal oder illegal nach Österreich eingereist?

A: Das war Illegal.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Nein.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein.

F: Haben Sie sonst noch Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich oder in der EU?

A: Nein.

Leben in Österreich

F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?

A: Durch die Grundversorgung.

F: Wie sieht Ihr Privatleben aus? Was machen Sie in der Freizeit?

A: Ich besuche jeden Tag den Deutschkurs. Ansonsten treffe ich meine Freunde.

F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben bzw. eine familienähnliche Beziehung?

A: Nein.

F: Was möchten Sie in Österreich einmal machen?

A: Ich will zuerst einmal Deutsch lernen. Dann werde ich einen Beruf lernen. Tischler oder Maler möchte ich gerne werden.

F: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation an?

A: Nein.

F: Sind Sie in Österreich von irgendwelchen Personen abhängig?

A: Nein.

FLUCHTGRUND

F: Warum haben Sie Afghanistan verlassen und stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe?

A: Wir wurden öfters von den Taliban bedroht. Es leben dort viele Taliban. Sie haben uns bedroht und haben Geld verlangt. Die Taliban haben gesagt, dass wenn wir kein Geld geben können, dass sie die Jugendlichen mitnehmen. Es hat geheißen, entweder Geld oder für die Taliban arbeiten. Das waren die Probleme. Wenn man den Taliban hilft, dann müsste man gegen den Staat kämpfen.

F: Vorhalt: Ihre Angaben sind vage und unkonkret. Machen Sie bitte konkrete Angaben rund um Ihre Fluchtgründe! Werden Sie bitte konkreter!

A: Jeder wird dort bedroht. Die Taliban waren auch bei uns zuhause. Sie waren bei uns zuhause und haben gesagt, dass wir den Taliban helfen sollen. Sie haben gesagt, wenn wir das Geld nicht hergeben, dann würden wir mitarbeiten müssen.

F: Vorhalt: Ihre Angaben sind vage und unkonkret. Machen Sie bitte konkrete Angaben rund um Ihre Fluchtgründe! Werden Sie bitte konkreter! Beschreiben Sie wie die Taliban zu Ihnen nach Hause gekommen ist!

A: Wenn ich jetzt in Afghanistan wäre, dann würde ich mit den Taliban mitarbeiten müssen oder wäre längst tot. Mehr kann ich nicht sagen.

F: Wen meinen Sie mit "Wir", die von den Taliban bedroht werden?

A: Damit meine ich alle Jugendlichen und meine Familie.

F: Können Sie sonst noch etwas zu Ihrem Fluchtgrund angeben?

A: Nein.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F:Haben Sie sämtliche Gründe und Vorfälle, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben angeführt?

A: Ja.

F: Was befürchten Sie im Fall der Rückkehr nach Afghanistan?

A: Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, dann werden mich die Taliban umbringen.

F: Ich beende jetzt die Einvernahme. Hatten Sie ausreichend Möglichkeiten Ihr Vorbringen darzulegen?

A: Ja. Ich möchte noch sagen, dass der Weg von meinem Dorf nach Kabul nicht sicher war, weil die Taliban auf diesem Weg waren.

F: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Afghanistan Einsicht und Stellung zu nehmen. Möchten Sie das?

A: Nein.

Auff.: Ich gebe Ihnen nochmals die Möglichkeit mehr über Ihr Fluchtvorbringen darzustellen? Bitte nennen Sie Details. Zu Personen, Zeit- und Ortsangaben!

A: Ich werde von den Taliban bedroht. Ich habe es Ihnen bereits erzählt."

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen sowie festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gem. § 18 Absatz 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft und daher nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sei und führte dazu aus: "Wie bereits erläutert, ist Ihre persönliche Glaubwürdigkeit im Asylverfahren nicht gegeben. Im Rahmen Ihrer freien Erzählung führten Sie aus, dass Sie öfters von der Taliban bedroht worden wären. Die Jugendlichen wären von den Taliban vor die Wahl gestellt worden entweder Geld zu zahlen oder für die Taliban arbeiten zu müssen. Mehr führten Sie nicht aus. Somit waren Ihren Ausführungen bezüglich Ihres in den Raum gestellten ausreisekausalen Vorbringens nur vage und unkonkret. Sie ließen dabei jegliche konkrete Zeitbezüge sowie Ortsangaben vermissen. Auf Nachfrage führten Sie dann aus, dass die Taliban auch zu Ihnen nach Hause gekommen wären. Sie konnten zu dieser vermeintlichen Begegnung mit den Taliban bei Ihnen zuhause keine Details nennen, sondern blieben erneut nur vage und unkonkret. Zeitliche Angaben zu dem Vorfall bleiben Sie erneut schuldig. Sie machten auch überhaupt keine Angaben zu jenen Personen, die Sie aufgesucht hätten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Personen, die aufgrund einschneidender Ereignisse gezwungen wurden das Heimatland zu verlassen, detailliert und konkret über die Beweggründe, die zu diesem Schritt geführt haben, berichten können. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie angaben, öfters von den Taliban heimgesucht worden zu sein, ist es für die Behörde nicht nachvollziehbar, dass Sie nicht in der Lage waren, Ihre Gefühlslage näher zu beschreiben, also ein lebhaftes Bild der angeblich erlebten Ereignisse darzustellen.

Auf erneuten Vorhalt des Organwalters, dass Ihre Angaben weiterhin nur vage und unkonkret seien gaben Sie wieder nur höchst oberflächliche Ausführungen. So brachten Sie nur vor, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit den Taliban zusammenarbeiten zu müssen. Es darf darauf hingewiesen werden, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, jedes Detail zu erfragen, sondern muss der Asylwerber den maßgeblichen Sachverhalt von sich aus aktiv vorbringen.

Dass es nie zu einer persönlichen Bedrohung Ihrer Person gekommen ist, wird auch durch Ihre Angaben in der Erstbefragung untermauert. Bei der polizeilichen Erstbefragung am 24.05.2016 gaben Sie an, Afghanistan wegen der allgemeinen Sicherheitslage verlassen zu haben. Auch hätten Hazara immer wieder Probleme mit den Taliban gehabt. Weil Sie bereits in der Erstbefragung bloß einen höchst abstrakten Sachverhalt behaupteten und Sie keine konkrete – gegen Sie gerichtete – Verfolgung dargelegt haben ist davon auszugehen, dass Sie niemals konkret verfolgt wurden. Wären Sie konkret verfolgt worden, dann hätten Sie sicherlich bereits beim ersten Behördenkontakt bzgl. Ihrer Asylantragsstellung eine konkrete Verfolgung genannt. Somit steigerten Sie auch Ihr Vorbringen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Ihr Vorbringen eine ausschließlich gedankliche Konstruktion darstellt.

Von Amts wegen ist zu erwähnen, dass Sie auch aufgrund der Zugehörigkeit der Volksgruppe der Hazara bzw. zum schiitischen Glauben keine Verfolgung zu befürchten haben.

Zusammenfassend gelangt die erkennende Behörde daher im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, indem sie aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere aber aufgrund des Vorbringens zu den Fluchtgründen zu dem Schluss kommt, dass Sie mit diesem keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland Afghanistan glaubhaft machen konnten."

Betreffend die Feststellungen zu der Situation des Beschwerdeführers in sein Heimatland führte das BFA u.a. aus: "Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgungsgefährdung i. S. d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

Die Behörde verkennt die aktuelle volatile Sicherheitslage in Ihrer Heimatprovinz XXXX nicht. Daher würde Ihnen bei einer Rückkehr in Ihre Heimatprovinz ein Eingriff in Ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Es ist Ihnen eine Rückkehr jedenfalls in die afghanische Hauptstadt Kabul zumutbar. Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Stadt Kabul in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten könnten.

Wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, verfügt Kabul über einen Flughafen, den sie sicher erreichen können. Sie können durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Es steht Ihnen natürlich auch frei sich in anderen sicheren Regionen Afghanistans wie Herat oder Mazar-e-Sharif (Provinz: Balkh), niederzulassen.

Sie sind mobil, gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig. Des Weiteren verfügen Sie über Berufserfahrungen in der Landwirtschaft. Sie sprechen Dari und auch etwas Deutsch. Ihr in Österreich erworbenes Wissen ermöglicht Ihnen auch einen Startvorteil bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan.

Ihr Eltern, Ihre beiden Brüder sowie Ihre Schwester sind in der Provinz XXXX aufhältig. Diese können Sie gegebenenfalls auch finanziell unterstützen. Hinsichtlich der technischen Umsetzung der Unterstützung erlaubt sich das Bundesamt auf das in Afghanistan unter anderem gebräuchliche Hawala-Finanzsystem zu verweisen. Weiters gibt es, dem LIB der Staatendokumentation des BFA zufolge, in Afghanistan diverse aktiv bestehende Banken. Ihre Familie könnte Ihnen daher Geldmittel transferieren. Auch haben Sie einen Onkel der im Iran lebt. Dieser kann Sie auch mittels elektronischen Geldtransfers unterstützen.

Aufgrund dieser Umstände ist es Ihnen zuzumuten, durch die Aufnahme einer eigenen Arbeitstätigkeit (und der Unterstützung Ihrer Angehörigen und in Kabul ansässige Hilfsorganisationen) sich in Afghanistan den Lebensunterhalt – insb. in der afghanischen Hauptstand Kabul - zu sichern. Dadurch werden Sie auch nicht in eine ausweglose finanzielle bzw. wirtschaftliche Notlage geraten.

Die Sicherheitslage in Kabul ist grundsätzlich stabil und sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul Stadt richten sich hauptsächlich auf "high profile" Institutionen bzw. gegen "high-profile" Personen. Wie sich den Länderinformationen entnehmen lässt, behält die Regierung die Kontrolle über Kabul und Transitrouten und sind die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen. Den vorliegenden Länderfeststellungen nach kommt es zwar vereinzelt zu Anschlägen, doch richten sich diese überwiegend gegen staatliche Einrichtungen, wie etwa Ministerien.

Somit unterscheidet sich die Sicherheits- und Gefährdungslage für unbeteiligte Zivilisten grundlegend von der Sicherheits- und Gefährdungslage für afghanische Regierungsangehörige, Angehörige des Militärs und Ausländer und ist aufgrund Ihres persönlichen Hintergrundes keine besondere Gefährdung Ihrer Person ersichtlich, zumal Sie keinem zuvor genannten Personenkreis angehören.

Es kann aus den Feststellungen zu Kabul, es leben dort ca. 5 Millionen Menschen, jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass bereits jeder der dort lebt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in relevanter Weise bedroht wäre.

Aus Ihrem Vorbringen und der allgemeinen Situation alleine sind somit keine Gründe ersichtlich, die im Falle Ihrer Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder eine im gesamten Herkunftsstaat vorliegende extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Sie könnten demnach in Kabul zumutbare Lebensbedingungen vorfinden, umso mehr Sie die Stadt über den Luftweg sicher erreichen können.

Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass sie bereits unmittelbar nach Ihrer Rückkehr in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnten (vgl. z.B. BVwG 13.2.2017, W238 2125691-1)."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der ledige, volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Am 24.05.2016 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er stammt aus der Provinz XXXX und besuchte dort zwei Jahre lang die Grundschule. Er hat ab seinem zehnten Lebensjahr in der Landwirtschaft gearbeitet. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige, Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Seine Eltern, seine Brüder und seine Schwester leben in seinem Heimatland. Ein Onkel und dessen Familie leben im Iran. Er hat österreichische Freunde. Er ist nicht Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organisationen. Er besucht derzeit einen Deutschkurs, legte über seine Deutschkenntnisse jedoch keine Prüfungen ab. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bestreitet seinen Lebensunterhalt durch staatliche Unterstützung im Rahmen der Grundversorgung.

Dem Beschwerdeführer hätte im Fall einer Rückkehr in seiner Heimatprovinz aufgrund der dort auftretenden Sicherheitsprobleme mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben zu rechnen.

Dem Beschwerdeführer ist es zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren und sich in Kabul niederzulassen. Der Beschwerdeführer hat bislang zwar nicht in Kabul gelebt. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan und ein Onkel im Iran. Der Vater hat dem Beschwerdeführer bei der Ausreise finanziell geholfen und der Beschwerdeführer kann mit finanzieller Hilfe seines Vaters rechnen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Seine Existenz könnte er dort – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer spricht Dari und kann auf Deutsch schreiben und lesen. Sein in Österreich erworbenes Wissen ermöglicht dem Beschwerdeführer auch einen Startvorteil bei seiner Rückkehr nach Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. In weiterer Folge ist – wie dargelegt – von einer finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seinen Vater auszugehen.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Überdies kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Zur aktuellen Lage in Afghanistan werden folgende Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 21.12.2017 zugrunde gelegt:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab – auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs – improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen – nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer – speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound – auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul – dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll – in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army – ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police – ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban – im Gegensatz zum Jahr 2016 – keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt – nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten – dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

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BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

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INSO – International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT – The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

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NYT – The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

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Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

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Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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SIGAR – Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

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SIGAR – Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

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Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

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UN GASC – General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

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WT – The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran – Abschnitt 21/Flüchtlinge).

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

( )

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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